Orientierungspunkte zur Ab­grenzung zwischen § 33 (Voll­zeitpflege) i.V.m. § 44 und § 34 (Heimerziehung) i.V.m. § 45 SGB VII

Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses vom 26.10.1998

Ein klassisches Unterscheidungskriterium stellt einerseits auf' die Hilfe zur Erziehung in einer Familie und andererseits auf die Hilfe zur Erziehung in einer Institution ab. Da das pädagogische Setting der Hilfen gemäß § 34 SGB VIII zunehmend familienähnlich gestaltet wird und sich die Pflegefamilien in zunehmendem Maße auch besonders entwicklungsbeeinträchtigten Kindern annehmen, stellt sich die Frage, durch welche Merkmale beide Hilfeformen abzugrenzen sind. Im Einzelfall ist nach dem § 36 SGB VIII (Hilfeplan) zu verfahren.

Die gängige Definition, wonach unter Einrichtung i.S.d. § 45 SGB VIII eine

  • auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von sächlichen und persönlichen Mitteln
  • zu einem bestimmten Zweck
  • unter der Verantwortung eines Trägers zu verstehen ist,
  • ihr Bestand und Charakter vom Wechsel der Personen, denen sie zu dienen bestimmt ist, weitgehend unabhängig ist,

gilt anerkanntermaßen für alle Standardfälle als hinreichend praktikabel.
Diese Definition jedoch scheint nicht mehr hinreichend exakt, wenn unter dem Begriff Einrichtung auch solche Verbundsysteme gefasst werden, die eher die Züge einer Interessenvertretung tragen.
Vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig und sinnvoll, die Definitionsinhalte auf die konstitutiven Wesensmerkmale zu reduzieren. Solche unabdingbaren Merkmale sind bezogen auf:

1. Pflegestelle (§ 33 i. V. m. § 44 SGB VIII):

  • Pflegeeltern sind die Betreuungs- und Bezugspersonen.
  • Das Betreuungsverhältnis ist an ein bestimmtes Kind bzw. an bestimmte Kinder und Jugendliche gebunden.
  • Es besteht kein Angestelltenverhältnis oder ein sonstiges weisungsgebundenes Verhältnis zu einem Maßnahmeträger.
  • Die Zahl der Pflegekinder ist nach oben begrenzt (in der Regel 3; vgl. BayKJHG, Artikel 22 Satz 2 Ziff. 2: Versagungsgrund einer Pflegeerlaubnis bei bereits drei Pflegekindern).
  • Pflegeperson und Pflegekind leben im Haushalt der Pflegeperson.
  • In Einzelfällen (vgl. § 33 Satz 2 SGB VIII) ist - orientiert am erzieherischen Bedarf - ein heilpädagogisches Konzept erforderlich. Die Pflegefamilien haben dann ihre entsprechende fachliche Qualifikation nachzuweisen.
  • Die Begleitung durch Fachkräfte muss gewährleistet sein.

2. Heim und sonstige betreute Wohnformen (§ 34 i.V.m. § 45 SGB VIII):

  • Die Betreuung folgt einem verbindlichen Konzept, das auf sozialpädagogischen, therapeutischen oder ähnlichen Methoden basiert. Es muss eine notwendige und geeignete Hilfeform für die zu betreuenden jungen Menschen darstellen.
  • Die Betreuung erfolgt an einem bestimmten Ort und in bestimmten Gebäuden. Die Betreuung ist vom Wechsel der Betreuungskräfte unabhängig.
  • Die Betreuung ist vom Wechsel der zu betreuenden jungen Menschen unabhängig.
  • Die Betreuungskräfte sind pädagogische Fachkräfte, sie stehen in einem Arbeitsverhältnis oder sonstigen weisungsgebundenen Verhältnis zum Träger (z.B. Verein, GmbH, GbR, Stiftung u.ä.).
  • Die Verfügbarkeit mehrerer pädagogischer und psychologischer Professionen wird vorausgesetzt (z.B. durch Honorarvertrag). Fachberatung ist vorzusehen; Supervision muss ermöglicht werden.
  • Es besteht ein organisatorischer Gesamtzusammenhang von Träger und Einrichtung.
  • Der Träger hat Zugang zu den betrieblich genutzten, nicht aber zu den privat genutzten Räumen.
  • Es ist eine Mindestplatzzahl vorgesehen. Bei Wohngruppen oder Familienstellen im Verbund einer Einrichtung ist die Regelung einer Mindestplatzzahl nicht erforderlich. Damit in diesen Betreuungsformen Fachlichkeit gewährleistet ist, soll die Zahl der Plätze je "Lebensgemeinschaft" auf maximal 6 begrenzt sein. In Kleinsteinrichtungen, die nicht im Verbund eines Trägers mit anderen Hilfeformen stehen, soll eine Mindestplatzzahl von 4 bis 6 zu betreuenden Jungen Menschen vorgesehen werden.  

Zugrundegelegte Literatur:

Bundesarbeitsgemeinschaft für Landesjugendämter: Hilfe zur Erziehung in Pflegefamilien und in familienähnlichen Formen. Mai 1996.

Evang. Erziehungsverband in Bayern e.V.: Wohngruppen in Lebensgemeinschaft. Rahmenkonzept für Wohngruppen in Lebensgemeinschaft. 2., verbesserte Auflage, Fachverband im Diakonischen Werk Bayern, Pirckheimerstr. 6, 90408 Nürnberg, November 1997.