Vorläufige Hinweise zur öf­fent­lichen Anerkennung von Trä­gern der freien Jugendhilfe durch die kommunalen Ju­gend­ämter (nach Art. 20 BayKJ)

Die nachfolgend mit "AGOLJB" zitierten Passagen beziehen sich noch auf die "Grundsätze für die öffentliche Anerkennung von Trägern der freien Jugendhilfe nach § 9 JWG" der  Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugendbehörden (AGOLJB) vom 22./23.10.1987, deren materieller Gehalt durch die neu gefassten Grundsätze vom 14.4.1994 nicht verändert wurde.

1. Begriff und Abgrenzung

"Als Träger der freien Jugendhilfe können juristische Personen und Personenvereinigungen anerkannt werden, wenn sie

  1. auf dem Gebiet der Jugendhilfe im Sinne des § 1 SGB VIII tätig sind,
  2. gemeinnützige Zielsetzungen verfolgen,
  3. aufgrund der fachlichen und personellen Voraussetzungen erwarten lassen, dass sie einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe zu leisten im Stande sind und
  4. die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bieten" (§ 75 Abs. 1 SGB VIII).

"Nicht anerkannt werden können juristische Personen, die außerhalb der Jugendhilfe liegende Ziele verfolgen, auch wenn sie mit ihren Angeboten zum Teil auch Jugendliche ansprechen. Deshalb sind z.B. nicht als Träger der Jugendhilfe anzusehen:

  • kulturelle Vereinigungen, die ihre Angebote ohne jugend­spe­zi­fische Zielsetzung sowohl an Erwachsene wie auch an Jugendliche richten,
  • Schulfördervereine,
  • Träger der Erwachsenenbildung,
  • Träger der beruflichen Fort- und Weiterbildung,
  • Allgemeine Studentenausschüsse und Studentenwerke (soweit sie nicht ausnahmsweise als Träger von Kindergärten Jugendhilfeaufgaben wahrnehmen),
  • Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (soweit nicht § 75 Abs. 3 SGB VIII zutrifft)" (AGOLJB).

"Juristische Personen müssen nicht ausschließlich, überwiegend oder in ausreichender Breite Aufgaben der Jugendhilfe erfüllen. Doch muss auch hier, wenn von einem Träger der Jugendhilfe gesprochen werden soll, verlangt werden, dass die Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe

  • in der Satzung als ein Hauptzweck genannt ist und
  • in der praktischen Arbeit als ein genügend gewichtiger, von anderen Aufgaben abgegrenzter Schwerpunkt erscheint.

Nicht anerkennungsfähig sind Organisationen, deren Aufgaben auf anderen Gebieten liegen und die nur gelegentlich einzelne Maßnahmen jugendpflegerischer Art durchführen" (AGOLJB).
"Juristische Personen, die nur mittelbar Beiträge zur Förderung der Jugendhilfe leisten, können anerkannt werden, wenn es sich um wesentliche Beiträge handelt, die dazu bestimmt oder geeignet sind, gerade die pädagogischen Ziele des Kinder- und Jugendhilfegesetzes 'zu unterstützen, also dem Anspruch junger Menschen auf Erziehung' im Sinne von § 1 SGB VIIII zu gewährleisten. Es genügt deshalb nicht, dass der Träger nur äußere Bedingungen schafft, in dem er z. B. Räume zur Verfügung stellt oder Reisen für Jugendliche veranstaltet" (AGOLJB).

2. Gesetzlich anerkannte Träger der freien Jugendhilfe

Von Gesetzes wegen öffentlich anerkannt sind

  1. die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts (§ 75 Abs.3 SGB VIII),
  2. die auf Bundesebene zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege (§ 75 Abs.3 SGB VIII),
  3. die auf Landesebene zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege (soweit sie bis zum 30.06.1993 zusammengeschlossen waren, Art. 20 Abs. 3 BayKJHG),
  4. der Bayerische Jugendring und die in ihm zusammengeschlossenen Jugendverbände und Jugendgemeinschaften (Art. 20 Abs. 4 BayKJHG),
  5. die aufgrund des § 9 JWG öffentlich anerkannten Träger der freien Jugendhilfe (Art. 16 Nr. 1 KJHG).

3. Zweck der öffentlichen Anerkennung

Im Gegensatz zum alten Recht zählt die öffentliche Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe nicht mehr zu den unabdingbaren Voraussetzungen der Förderung. Hinsichtlich der Förderungsvoraussetzungen hat der Gesetzgeber vielmehr eigene, von den Kriterien der öffentlichen Anerkennung z. B. abweichende Voraussetzungen definiert (§ 74 SGB VIII). Jedoch setzt eine auf Dauer angelegte Förderung i. d. R. die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII voraus (siehe § 74 Abs.1 SGB VIII). Daneben hat die öffentliche Anerkennung Bedeutung insbesondere für die Zusammensetzung des Jugendhilfeausschusses (§ 31 SGB VIII), die Beteiligung an anderen Aufgaben der Jugendhilfe (§ 76 SGB VIII), die Bildung von Arbeitsgemeinschaften (§ 78 SGB VIII) sowie die Beteiligung an der Jugendhilfeplanung (§ 80 SGB VIII).

4. Anforderungen an die Organisation

"Eine bestimmte Rechtsform des Zusammenschlusses ist nicht vorgeschrieben. Auch nicht rechtsfähige Vereinigungen sind anerkennungsfähig. Aus dem Begriff ‚Träger der Jugendhilfe‘ und aus den weiteren Voraussetzungen" des § 75 SGB VIII, "für die der Träger Gewähr zu bieten hat, ist Jedoch zu folgern, dass jedenfalls eine hinreichend feste Organisationsstruktur vorhanden sein muss, die die Einheit und Beständigkeit ... unabhängig vom Wechsel der Mitglieder gewährleistet, ein gemeinsames Handeln nach außen ermöglicht und eine kontinuierliche Arbeit erwarten lässt. Dazu sind mindestens erforderlich:

  • ein Organisationsstatut (Satzung oder ähnliches), in dem Aufgabenstellung und innere Organisation klar beschrieben sind,
  • funktionsfähige Organe" (AGOLJB).

Diese "von einem Träger der Jugendhilfe zu fordernde feste und dauerhafte Organisationsstruktur ... kann bei juristischen Personen i. d. R. vorausgesetzt werden" (AGOLJB).
"Zum Nachweis der Gemeinnützigkeit ist bei juristischen Personen i. d. R. die Anerkennung durch die Finanzbehörden erforderlich und ausreichend" (AGOLJB).

5. Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Trägers und Anspruch auf öffentliche Anerkennung

"Der Träger muss erwarten lassen, dass er nachhaltig, d. h. nicht nur vorübergehend, einen wirksamen Beitrag zur Jugendhilfe zu leisten in der Lage ist. Dies kann i. d. R. erst aufgrund längerer kontinuierlicher Tätigkeit beurteilt werden" (AGOLJB).
"Auch juristische Personen sollen i.d.R. erst anerkannt werden, wenn sie über einen längeren Zeitraum von mindestens einem Jahr kontinuierlich auf dem Gebiet der Jugendhilfe tätig gewesen sind und dabei eine gewisse Bedeutung erlangt haben" (AGOLJB).
"Einen Anspruch auf Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe hat unter den Voraussetzungen" des § 75 Abs.1 SGB VIII, "wer auf dem Gebiet der Jugendhilfe mindestens drei Jahre tätig gewesen ist" (§ 75 Abs.2 SGB VIII).

6. Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit

Die Erfüllung von Aufgaben der Jugendhilfe "im Sinne eines umfassenden Erziehungsauftrags, die den jungen Menschen befähigt, seine Anlagen und Fähigkeiten zu entwickeln, seine Persönlichkeit zu entfalten, die Würde des Menschen zu achten und seine Pflichten gegenüber den Mitmenschen in Familie, Gesellschaft und Staat zu erfüllen, bietet i.d.R. Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit" (AGOLJB).
Träger, die sich im besonderen Maße der politischen Bildung von Kindern und Jugendlichen widmen, müssen darüber hinaus in ihrer Arbeit das Wissen und die Überzeugung vermitteln, dass die freiheitliche Demokratie in der Prägung durch das Grundgesetz ein verteidigenswertes und zu erhaltendes Gut ist, an dessen Gestaltung und Verwirklichung zu arbeiten Aufgabe aller Bürger sein muss. Dies schließt eine kritische Auseinandersetzung mit den bestehenden Verhältnissen, auch Kritik an Staatsorganen und bestehenden Gesetzen, nicht aus, solange und soweit die freiheitliche demokratische Grundordnung und die unveränderbaren Grundsätze der Verfassungsordnung nicht in Frage gestellt werden (vgl. BVerfGE 39, 334 (347 f.), BVerwGE 47, 330 (343), BVerwGE 55, 232 (237 ff.))" (AGOLJB).

7. Gewähr für eine zweckentsprechende und wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Fördermittel

Wie in Ziff. 3 ausgeführt, ist die öffentliche Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe i. d. R. nur dann Voraussetzung der Förderung mit öffentlichen Mitteln, wenn eine auf Dauer angelegte Förderung beabsichtigt ist. In der Praxis wird i. d. R. von diesem Sachzusammenhang auszugehen sein. Es kann sich dann empfehlen, im Verfahren zur öffentlichen Anerkennung vorsorglich zu prüfen, ob der Träger die Gewähr für eine zweckentsprechende und wirtschaftliche Verwendung der Mittel bietet (vgl. § 74 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII), und diese Gesichtspunkte in die Beratung der Träger einfließen zu lassen.
"Zur Erfüllung dieser gesetzlichen Voraussetzung ist vom Träger insbesondere zu fordern:

  • die Fähigkeit und die Bereitschaft, öffentliche Zuwendungen dem jeweiligen Bewilligungsbescheid entsprechend zu verwenden und darüber ordnungsgemäß abzurechnen,
  • die Bereitschaft, den zuständigen Behörden und deren Beauftragten Einblick" in die Arbeit des Trägers "zu gewähren und die für die Beurteilung der Mittelverwendung erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

Im Organisationsstatut muss eine ausreichende innerverbandliche Rechnungsprüfung und eine Rechenschaftspflicht gegenüber den Mitgliedern vorgesehen sein" (AGOLJB).
Es sei darauf hingewiesen, dass die Förderungsvoraussetzungen der "Verfolgung gemeinnütziger Ziele" und die "Gewährleistung für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit" in den §§ 74 und 75 SGB VIII identisch sind. Ob die weiteren Förderungsbedingungen, nämlich die Erfüllung der fachlichen Voraussetzungen für eine geplante Maßnahme und die Erbringung einer angemessenen Eigenleistung (§ 74, Abs. 1 und 4) gegeben sind, wird jedoch im Zuge des eigentlichen Förderverfahrens, nicht im Zuge des Anerkennungsverfahrens zu prüfen und festzustellen sein.

8. Anerkennung von freien Trägern in der Jugendarbeit

Bei der Anerkennung von Jugendverbänden, Jugendgemeinschaften und sonstigen Trägern der freien Jugendhilfe, die überwiegend auf dem Gebiet der Jugendarbeit tätig sind, ist von folgenden landesspezifischen Grundsätzen auszugehen:

  1. Werden Jugendverbände und Jugendgemeinschaften in den Bayerischen Jugendring aufgenommen, gelten sie - wie bisher - damit als anerkannte Träger der freien Jugendhilfe (Art. 20 Abs.4 Satz 2 BayKJHG),.
  2. Sollten Jugendverbände und Jugendgemeinschaften sowie andere Träger, die überwiegend auf dem Gebiet der Jugendarbeit tätig sind, durch die zuständigen Behörden anerkannt werden, so ist der Bayerische Jugendring vor der Entscheidung zu hören (Art. 20 Abs.4 Satz 3 BayKJHG).

Im übrigen wird hierzu auf die einschlägigen Veröffentlichungen des zuständigen Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, Wissenschaft und Kunst und des Bayerischen Jugendrings verwiesen, insbesondere auch im Hinblick auf die speziellen Anforderungen an die Anerkennung eines Trägers der freien Jugendhilfe als Jugendverband im Sinne des § 12 SGB VIII.

9. Zuständigkeit

Die kommunalen Jugendämter sind für die öffentliche Anerkennung der freien Träger zuständig, die ihren Sitz im jeweiligen Jugendamtsbezirk haben und deren Tätigkeit sich nicht wesentlich über den Jugendamtsbezirk hinaus erstreckt (Art. 20 Abs.1 Nr. 1 BayKJHG), Für die Anerkennung von freien Trägern, die überörtlich tätig sind, sind je nach Einzugsbereich die Regierungen, das Landesjugendamt oder die Obersten Landesjugendbehörden zuständig.

10. Besonderheiten bei der Anerkennung von Landesverbänden, Dachverbänden und Arbeitsgemeinschaften

"Bei Verbänden mit rechtlich unselbständigen Untergliederungen erstreckt sich die Anerkennung des Verbands i. d. R. auch auf seine Untergliederungen" (AGOLJB). "Für rechtlich unselbständige Untergliederungen ist eine Regelung - auch für erst künftig dem anerkannten Träger angehörende Untergliederungen - entbehrlich, da diese als Teil des anerkannten Trägers voll dessen Regelungen, Weisungen und Verantwortung unterliegen" (Begründung zu Art. 20 Abs. 2 BayKJHG-Entwurf).
Sofern in Einzelfällen Zweifel bestehen, ob eine bestimmte verbandliche Gruppierung rechtlich unselbständige Untergliederung eines als Träger der freien Jugendhilfe öffentlich anerkannten Verbandes ist, wird eine entsprechende rechtsfähige Erklärung dieses Verbandes zur Feststellung der öffentlichen Anerkennung ausreichen.
"Bei Verbänden und Arbeitsgemeinschaften mit rechtlich selbständigen Mitgliedsorganisationen muss im Einzelfall geprüft werden, inwieweit die Anerkennungsvoraussetzungen auch bei den Mitgliedsorganisationen erfüllt sind" (AGOLJB).
"Die Anerkennung eines Trägers erstreckt sich auch auf die ihm angehörenden rechtlich selbständigen Mitgliedsorganisationen, wenn sie sich auf dem Gebiet der Jugendhilfe betätigen und mit dem Träger durch gleichgerichtete Satzung und gleiche Betätigung zu einer organisatorischen Einheit verbunden sind. Die im Zeitpunkt der Anerkennung bestehenden und einbezogenen rechtlich selbständigen Mitgliedsorganisationen sind im Anerkennungsbescheid zu nennen. Auf später hinzukommende rechtlich selbständige Mitgliedsorganisationen erstreckt sich die Anerkennung nur, wenn die für sie zuständige Anerkennungsbehörde festgestellt hat, dass sie die Voraussetzungen das Satzes 1 erfüllen" (Art. 20 Abs. 2 BayKJHG).
Für die Praxis der kommunalen Jugendämter ergeben sich hieraus im wesentlichen folgende Konsequenzen:

  1. Soweit rechtlich selbständige Mitgliedsorganisationen eines öffentlich anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe bis zum 30.06.1993 nach altem Recht öffentlich anerkannt waren, besteht diese Anerkennung grundsätzlich fort (Art. 20 Abs. 3 BayKJHG i. V. m. Art. 16 Nr. 1 KJHG). Dies betrifft insbesondere die auf Landesebene zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege (Diakonisches Werk Bayern, Landescaritasverband, Paritätischer Wohlfahrtsverband - Landesverband Bayern, Arbeiterwohlfahrt - Landesverband Bayern, Bayerisches Rotes Kreuz).
  2. Auf nach dem 30.06.1993 hinzukommende rechtlich selbständige Mitgliedsorganisationen erstreckt sich die Anerkennung nur, wenn die für sie zuständige Anerkennungsbehörde festgestellt hat, dass die Voraussetzungen der organisatorischen Einheit (Betätigung auf dem Gebiet der Jugendhilfe, gleichgerichtete Satzung und gleiche Betätigung) gegeben sind. In diesen Fällen genügt nach entsprechender Prüfung ein Feststellungsbescheid. Allerdings wird sich diese Fallgestaltung - soweit derzeit erkennbar - in der Praxis im wesentlichen nur bei neu auftretenden Landesverbänden oder bei erheblichen innerorganisatorischen Veränderungen bestehender Landesverbände ergeben.
  3. Rechtlich selbständige Organisationen, die nach dem 30.06.1993 Mitglied des Paritätischen Wohlfahrtsverbands (DPWV) geworden sind oder diese Mitgliedschaft anstreben, werden von der auf den DPWV bezogenen Anerkennung i. d. R. nicht erfasst, da aufgrund der innerverbandlichen Struktur dieses Wohlfahrtsverbands eine organisatorische Einheit im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 nicht gegeben ist. Für diese Fälle trifft das Verfahren zur öffentlichen Anerkennung durch die jeweils zuständige Behörde, im Falle örtlicher freier Träger durch die kommunalen Jugendämter, zu (Anerkennungsbescheid).
  4. In jedem Fall werden vom Verfahren zur öffentlichen Anerkennung wie bisher alle übrigen Träger erfasst, die keinem der auf Landesebene zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege angehören.