Begleiteter Umgang - Erfah­rungen des Deutschen Kinder­schutzbundes in einem kon­fliktträchtigen Arbeitsfeld

Der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) als bundesweit agierender Verband hat sich schon vor der Kindschaftsrechtsreform 1998 mit Begleitetem Umgang beschäftigt. Die Maßnahme ist als Kinderschutzauftrag verstanden worden.
Mit Einführung des neuen Kindschaftsrechts 1998 wurden bereits verschiedene Konzepte und Vorgehensweisen zum Begleiteten Umgang angeboten. Der DKSB ist in 16 Landesverbände (LV) gegliedert; in Bayern, dem zweitgrößten LV des DKSB, gibt es 54 Orts- und Kreisverbände.
Eines der Ziele des DKSB ist die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Darin werden auch jene Rechte zwischen Kindern und Eltern in verschiedenen Artikeln beschrieben, deren Umsetzung im Begleiteten Umgang relevant werden. Das Recht des Kindes auf beide Eltern, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft und Abstammung und das Recht des Kindes auf Schutz sind zentrale Punkte, die sich im Begleiteten Umgang verwirklichen lassen. Im Begleiteten Umgang stehen sich die Rechte und Pflichten der Eltern und das Recht des Kindes gegenüber.

Seit der Einführung des gemeinschaftlichen Sorgerechts beider Eltern nach der Scheidung haben sich Streitigkeiten zwischen den Eltern oftmals auf das Umgangsrecht verlagert. Nach der Statistik des Jahres 2004 waren ca. 36.000 Auseinandersetzungen zum Umgangsrecht an deutschen Familiengerichten anhängig.

Das gemeinsame Sorgerecht und die damit verbundene Kooperationsfähigkeit der Eltern ist eine große Herausforderung für Paare, die mit unaufgearbeiteten Problemen und Verletzungen nach der Scheidung zu kämpfen haben. In der Konflikthaftigkeit der gemeinsamen Sorge findet häufig eine Fortsetzung des Streits während der Ehe oder der Lebensgemeinschaft statt. Wenn dann der Umgang zwischen dem Elternteil, bei dem das Kind lebt und demjenigen, den das Kind regelmäßig treffen soll nicht mehr funktioniert, beginnt die nächste gerichtliche Auseinandersetzung. Leid tragende sind hier die Kinder - sie befinden sich in der Klemme. Loyalität, Kooperation und Verständnis für beide Elternteile werden von ihnen verlangt, obwohl beide Eltern dies selbst nicht zeigen. Ein Dilemma, das bei den betroffenen Kindern oft eine Verweigerung des Umgangs hervorruft. Diese Verweigerung ist zunächst als instinktiver Selbstschutz und Wahrnehmung der eigenen Interessen der Kinder zu begreifen und zu achten.

Trotzdem lieben die Kinder in der Regel auch den Elternteil, den sie nicht mehr regelmäßig sehen können und müssen mit einem Verlust umgehen lernen, über den keine Trauer gezeigt werden kann. Insgesamt ist die Lage für die Kinder ziemlich zwiespältig und bedrückend. Der Begleitete Umgang kann hier ein Anstoß, eine vorübergehende Hilfe, eine Ermutigung für die Kinder sein, dass ihre Situation nicht vergessen wird.

Familienrichter, die Begleiteten Umgang anordnen, sind oft ebenso im Dilemma wie die Kinder, denn das Recht und die Pflicht der Eltern stehen dem Recht des Kindes gegenüber. So ist es oftmals einen Versuch wert, den Begleiteten Umgang als Möglichkeit einzusetzen. Immer wieder taucht hier jedoch die Frage auf: Kann Beziehung richterlich verordnet werden?
In diesem Artikel werden die Bemühungen des DKSB, den Begleiteten Umgang den Kinder zugute kommen zu lassen, beschrieben. Nach einer fünfjährigen Entwicklungszeit in diesem Fachbereich werden die Autoren anhand der vorliegenden Ergebnisse einer Erhebung neue Erkenntnisse beschreiben.

Entwicklung des Begleiteten Umgangs im DKSB in den letzten fünf Jahren

Im DKSB LV Bayern wurde seit der Gründung die Struktur der Geschäftsstelle kontinuierlich aus- und aufgebaut. Durch die Akquise von Zuschüssen konnten Fachberatungsstellen geschaffen werden. Ein neuer Fachbereich wurde 2001 der Begleitete Umgang. Als Fachberaterin hatte ich die Aufgabe, den Fachbereich gemeinsam mit den vor Ort tätigen Orts- und Kreisverbänden zu entwickeln. Die Aufgabe beinhaltete auch die Aus- und Fortbildung derer vor Ort, die im Begleiteten Umgang tätig werden wollten. Das Konzept beinhaltete, dass vor Ort eine Fachkraft, die die Beratung der Familie leistet, mit ehrenamtlichen Begleitern zusammenarbeitet. Hier gab es verschiedene Varianten und die Orts- und Kreisverbände waren zu Beginn meiner Tätigkeit nur wenig vernetzt. Der erste Schritt war die Zusammenführung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Maßnahme Begleiteter Umgang zu einer Landesarbeitsgemeinschaft. Hier treffen sich seither regelmäßig zweimal jährlich die Tätigen aus den Orts- und Kreisverbänden. Dieses Gremium ist wichtige gemeinsame Entwicklungs- und Austauschstätte. Hier wurde das Rahmenkonzept entwickelt und hier wird auch die gemeinsame Arbeit immer wieder neu hinterfragt. Eine andere Seite der fachlichen Weiterentwicklung sind Kurse und Ausbildungen, die vor Ort angeboten werden, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Aufgabe zu schulen, weiter zu bilden und fachliche Unterstützung zu geben. Als gemeinsame Ziele wurden insbesondere Beratungsleistungen und Begleitungen im Sinne der Kinder im Begleiteten Umgang weiter- und fortentwickelt.

Zunehmend kommen auch neue Orts- und Kreisverbände hinzu, 2006 bieten 23 (von 54) Orts- und Kreisverbände in Bayern den Begleiteten Umgang an. Die Arbeit im Begleiteten Umgang ist ein Angebot, das hohe Kompetenz und Kontinuität erfordert. Die Aufgabentrennung der Beratung und Begleitung hat sich in hohem Maße bewährt.

Für die Begleitung stellen sich meist Ehrenamtliche zur Verfügung. Oft haben diese bereits Ausbildungen aus dem pädagogischen oder erzieherischen Bereich, bevor sie sich für diese Aufgabe im DKSB zur Verfügung stellen. In jedem Fall erhalten sie eine 72-stündige Grund- und Aufbauausbildung vor Ort, um sich auf die verschiedenen Fallkonstellationen von Besuchskontakten vorzubereiten.

Ein Vorteil, den die Arbeit der Ehrenamtlichen für die Jugendhilfeträger bietet, liegt darin, dass sie auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten, bspw. am Wochenende, Begleitete Umgänge anbieten können. Dies haben viele Jugendämter zum Anlass genommen, die Orts- und Kreisverbände als verlässliche Partner für die Jugendhilfeleistung zu sehen und Kooperationsvereinbarungen für die freie Trägerschaft der Maßnahme Begleiteter Umgang abzuschließen. Die Angebote der Orts- und Kreisverbände gehen auch oft noch über die Maßnahme des Begleiteten Umgangs hinaus und es werden Trennungs- und Scheidungskindergruppen, Hilfen für allein erziehende Eltern, Vorträge zum Thema Trennung/Scheidung und in letzter Zeit auch offene Treffmöglichkeiten für Umgangskontakte angeboten. Hier zeigt sich die Vielfältigkeit, mit der kleine freie Träger vor Ort flexibel Angebote für Familien bereithalten können.

Rahmenkonzept für Begleiteten Umgang im DKSB LV Bayern

Das Rahmenkonzept des DKSB in Bayern für Begleiteten Umgang sieht besondere personelle Voraussetzungen vor. Zunächst wird darauf geachtet, dass die Beratungsfachkraft, die mit der Leitung und Koordination des Begleiteten Umgangs betraut wird, die fachliche Kompetenz mitbringt, die für die Aufgabe erforderlich ist. Eingebunden in den institutionellen Rahmen des DKSB ist auch eine hinreichende Sicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewährleisten. Hier sind die Orts- und Kreisvorstände mit der Dienstaufsicht betraut und können die Fachaufsicht an die Beratenden weitergeben. Hier ist die Fähigkeit zur Kooperation und Neutralität äußerst gefragt. Die Maßnahme soll zeitlich begrenzt zu einer Lösung führen und dabei die verschiedenen Interessen berücksichtigen.

Die Ziele der Umgangsbegleitung sind:
Anbahnung, Wiederherstellung und/oder Weiterführung der Besuchskontakte zwischen Kind und dem jeweiligen Umgangsberechtigten (Vater, Mutter, Großeltern, Geschwister, Stiefeltern, Pflegeeltern).
Diese Besuchskontakte werden durch die Anwesenheit einer dritten Person bei der Übergabe oder während des ganzen Besuchskontaktes ermöglicht.
Die beteiligten Erwachsenen sollen zu einer selbständigen und eigenverantwortlichen Gestaltung der Besuchskontakte hingeführt und dabei unterstützt werden. Bei allem soll das Recht des Kindes auf Umgang und dessen Umsetzung zum Wohle des Kindes berücksichtigt werden.

Hier gelten die Arbeitskriterien:

  • Parteilichkeit für das Kind, 
  • Neutralität im Familienstreit, 
  • Lösungs- und Zukunftsorientierung, 
  • Genaue vertragliche Vereinbarungen und Regeln mit allen Beteiligten und klare Konsequenzen bei Nichteinhaltung,

Berichte an Jugendämter und Gerichte nur auf Anforderung, in allgemein gehaltener Form und mit Transparenz für die beteiligten Erwachsenen.

In einer Vorbereitungsphase werden die Fälle daraufhin geprüft, ob sie angenommen werden können und Möglichkeiten, den kindgerechten Umgang zu gewährleisten, gegeben sind. Ausschlussgründe können in der Frage der zeitlichen und personellen Kapazität oder in der Frage von schwierigen Fallkonstellationen liegen.

Wenn der Fall angenommen wird, werden in Vorgesprächen mit den Eltern die Bedingungen für den Umgang ausgehandelt und das Kind lernt die Räume und die Begleitperson kennen.
In der Durchführungsphase finden die begleiteten Umgänge statt. Parallel dazu können Zwischengespräche mit Beraterinnen und Beratern angeboten werden.

In der Abschlussphase wird idealer weise eine private Regelung des Umgangs getroffen. Oft finden auch stufenweise vorher noch begleitete Übergaben statt, bis es zu einer solchen privaten Regelung kommen kann. Abschlussgespräche mit den Eltern und dem Kind werden geführt, um den Verlauf noch einmal zu reflektieren.

Empirische Untersuchung

Die Intention des DKSB LV Bayern bei der Anregung an die Fachhochschule München, Fachbereich Sozialwesen, im Rahmen einer Diplomarbeit eine Evaluation der Maßnahme "Begleiteter Umgang" zu erarbeiten war es, eine Bestandsaufnahme und Analyse von Basisdaten bezüglich der praktischen Umsetzung der Maßnahme in den Orts- und Kreisverbänden des DKSB, LV Bayern, zu erhalten. Die inhaltliche Ausrichtung und das Fragebogendesign wurden unter Einbeziehung von Fachberaterinnen und -beratern, Vorstandsmitgliedern und ehrenamtlich tätigen, dem DKSB nahe stehenden Personen, entwickelt. Die Ergebnisse und die evtl. daraus resultierenden Schlussfolgerungen können zukünftig in die Optimierung der Maßnahme Begleiteter Umgang und deren Qualitätssicherung beim DKSB einfließen.

Ziel der Erhebung war es, mittels Erhebung von Daten durch standardisierte Fragen einen Einblick in die Durchführung der Maßnahme Begleiteter Umgang, die der DKSB in seinen bayerischen Orts- und Kreisverbänden anbietet, zu bekommen. Es sollten primär quantitative Größen der praktischen Arbeit vor Ort ermittelt werden und von einzelnen Fragen der qualitativen Datengewinnung ergänzt werden. Die Befragung diente dazu, dem DKSB LV Bayern einen Überblick über die Durchführung der Maßnahme Begleiteter Umgang in seinen Orts- und Kreisverbänden zu geben. Der Fragebogen sollte von den Beratenden vor Ort unter Berücksichtigung der abgeschlossenen Fälle ab Januar 2004 beantwortet werden. Einzelne Fragen mussten unter Hinzuziehung der Begleitperson, die als "Dritte" den Umgang begleitete, beantwortet werden. "Fälle" waren die einzelnen Umgangsbegleitungen und deren Beteiligte.

Die Ergebnisse der Befragung beziehen sich auf 272 Fragebögen 1 , die an 23 Orts- und Kreisverbände des DKSB LV Bayern e. V. im August 2005 verschickt wurden. Als Ausgangsbasis wurden abgeschlossene Fälle ab Januar 2004 herangezogen. Es gab einen Rücklauf von 166 Fragebögen, die im Weiteren als "Fälle" definiert sind. Sechs Orts- und Kreisverbände des DKSB LV Bayern e. V. beteiligten sich nicht an der Evaluation. Die angegebenen Prozentzahlen sind auf eine Stelle hinter dem Komma gerundet. Doppel- und Mehrfachnennungen, keine Angaben und unklare Angaben werden meist nur am Rande erwähnt und sind den Tabellen zu entnehmen.

Grunddaten: Es wurden die Daten der 166 Fälle, also die von 166 Familien mit insgesamt 217 Kindern in der Analyse ausgewertet. 74% der Familien hatten Einzelkinder, 21% zwei, 3% drei und 1% vier Kinder. Die Altersspanne der Kinder bewegte sich von unter einem Jahr bis zu 17 Jahren. Im Mittel waren die Kinder zwischen zwei und sieben Jahren alt. Der Geschlechtsunterschied war relativ ausgeglichen, 52% der Kinder waren Jungen und 48% Mädchen. Die deutsche Staatangehörigkeit hatten 84% der Mütter und 75% der Väter. Die restlichen Familien kamen aus verschiedenen europäischen und außereuropäischen Ländern.
Das Alter der Eltern lag zwischen 19 und 62 Jahren. Die jüngste Mutter war 19, die älteste 48, der jüngste Vater 21 und der älteste 62 Jahre alt. Ca. 67% der Eltern waren im Alter zwischen 28 und 42 Jahren. Sonstige Umgangsberechtigte, wie z. B. Großeltern, waren zwischen 53 und 80 Jahre alt.

Daten, betreffend die Umgangsberechtigten und die Kontaktwege zum DKSB

Ummgangsberechtigung hatte in 77%, das waren 143 Fälle, der Vater und in 13%, das entspricht 25 Fällen, die Mutter. Sonstige Umgangsberechtigte waren ausschließlich Großeltern.
In 96% der Fälle lebten die Kinder bei Mutter oder Vater, in sieben Fällen (4%) in Pflegefamilien. Hier wurde der Umgang zu den leiblichen Eltern oder Großeltern begleitet.

Die Überweisung zum DKSB war in mehr als der Hälfte aller Fälle durch das Jugendamt (54%) erfolgt, im überwiegenden Rest durch ein Familiengericht (40%), nur je 1% durch Beratungsstellen und Rechtanwälte und in 6% trat ein betreuender Elternteil als Selbstmelder mit dem DKSB in Kontakt.
Kontakte zwischen den Beteiligten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des DKSB vor dem Begleiteten Umgang fanden in der überwiegenden Anzahl der Fälle einzeln, also mit dem abgebendem Elternteil oder Kindern oder Umgangsberechtigten statt.

Letztlich kam es in 143 (86%) von 166 Fällen nach Überweisung durch eine der Fachstellen oder durch Selbstmeldung an den DKSB zur Durchführung der Maßnahme.

            Begleiteter Umgang 1                       

Begleiteter Umgang 2
 

Konflikte, Kontaktabbrüche, Trennungen, Verweigerungen zwischen Eltern und Kindern

Als Gründe für die Durchführung der Maßnahme wurde beim Umgangsberechtigten am häufigsten (30%) die Anbahnung des Kontaktes zum Kind wegen langer Kontaktunterbrechung angegeben; in 17% die frühere Kontaktverweigerung des Kindes und in 13% Gewalt gegen den Partner. Danach kam mit 11% Alkohol/Drogensucht, in 10% Entführungsgefahr, in 7% Verdacht auf sexuellen Missbrauch, in 6% Gewalt gegen das Kind, in 5% psychische Erkrankung und in 1% der Angaben zu dieser Frage, nachgewiesener sexueller Missbrauch des Kindes als Grund für den Umgangsberechtigten. Als sonstige Gründe nannten die Beraterinnen und Berater am häufigsten den Konflikt zwischen den Eltern. Zu Problemen des betreuenden Elternteils wurden in mehr als der Hälfte der Fälle keine Angaben gemacht. Als einzige signifikante Antwort fiel auch hier wiederum der Konflikt zwischen den Eltern mit 8 Nennungen auf. An flankierenden Maßnahmen zum Begleiteten Umgang nahmen insgesamt nur 31 Kinder (17%) teil.
Von allen 186 Kindern, bei denen es zum Begleiteten Umgang kam, nahmen 21 an einer Psychotherapie (11%), 3 an Familientherapie und systemischer Beratung (2%), 2 an Trennungs- und Scheidungsgruppen (2%), je 1 Kind an Frühförderung, Erziehungsberatung und Ergotherapie teil.

Von 143 betreuenden Elternteilen nahmen 34 (24%) an einer flankierenden Maßnahme während des Begleiteten Umgangs teil. Davon 27 an der Elternberatung (19%) des DKSB und 8 betreuende Elternteile (6%) an anderen Möglichkeiten, wie Psychotherapie oder Paarberatung, durch externe Anbieter. Die Umgangsberechtigten nahmen in 31 Fällen (22%) an flankierenden Maßnahmen teil, davon 23 an der Elternberatung (16%) durch den DKSB, und 7 (5%) an Psychotherapie oder Paarberatung durch externe Anbieter.

Einschätzungen und Prognosen der Beratenden und Kooperationsverlauf bei Eltern und Kindern

Die Frage nach dem persönlichen Eindruck nach dem ersten Umgangstreffen, vom Verhältnis der Eltern zum Kind, beantworteten die Beraterinnen und Berater in über der Hälfte der Fälle so, dass sie den Eindruck hatten, das Verhältnis zwischen Umgangsberechtigten und Kind sei gut (54%). Ein Viertel dahingehend, dass das Verhältnis zwischen Umgangsberechtigten und Kind schwierig sei (26%) und in 16%, dass sich ein verbessertes Verhältnis deutlich abzeichne. Diese durchwegs positive Prognose wird nur von 3 Fällen (2%) getrübt, in denen die Beratenden den Eindruck hatten, dass sie bei einem der nächsten Male den Kontakt abbrechen müssten. Diese subjektiven Beurteilungen über den weiteren Verlauf der Umgangskontakte konnten nach Kreuzung dieser Antworten mit den Antworten zu selbstständigen Umgangstreffen nach der Maßnahme allerdings nur in ihrer Tendenz bestätigt werden, nicht aber als Gradmesser für den Erfolg der Maßnahme herangezogen werden.

Die meisten Umgangskontakte fanden alle 2 Wochen (59%) oder wöchentlich (18%) statt. Sie dauerten in der Regel 2 - 3 Stunden pro Treffen (74%). In 29% der Fälle lief die Maßnahme 3 Monate, in ca. 26% 6 - 9 Monate und in 8% der Fälle länger als ein Jahr.

  Begleiteter Umgang 3

Eine Begegnung der Eltern bei der Übergabe des Kindes fand in 68% von Anfang an und in 72% bis zum Ende des Begleiteten Umgangs statt. In der Kreuzung der Antworten zur Begegnung und den Antworten zum Erfolg, nämlich den selbstständigen Umgangstreffen nach der Maßnahme, stellt man fest, dass in den Fällen, in denen eine Begegnung zwischen den Eltern von Anfang an oder im Laufe des Begleiteten Umgangs stattfand, auch die Erfolgsquote am höchsten war. Gab es keine Begegnung der Eltern, war der Misserfolg auch deutlich. Hier drückt sich die Konflikthaftigkeit in der Beziehung zwischen den Eltern aus. Die Beratung hin zu gemeinsamen Gesprächen beider Eltern ist also daraus folgend ein wichtiges Ziel, das zum Gelingen der Umgangskontakte beiträgt.

Nach Auffassung der Beraterinnen und Berater waren die Umgangskontakte in 87% der Fälle kindgerecht. Besonders zufrieden mit der Ausgestaltung der Umgangskontakte waren die Kinder (79%), die Umgangsberechtigten in 78% und der betreuende Elternteil in 71% der Fälle.

Elterliche Einigung und Fortsetzungen nach Beendigung der Maßnahmen

Erstaunlicherweise gab es nur in 75 (52%) von 143 Fällen Abschlussgespräche. Die Frage, ob es eine elterliche Einigung über die unbegleitete Weiterführung der Umgangskontakte gab, wurde in 46 Fällen (32%) mit Nein beantwortet. In 68% der 143 Fälle wurde eine elterliche Einigung über die unbegleitete Weiterführung der Umgangskontakte vermerkt. Dabei wurde in 50% der Fälle die Einigung als vermutlich tragfähig eingeschätzt und in weiteren 18% als problematisch.

Dieses Ergebnis deckt sich damit, dass es in mehr als der Hälfte der Fälle (51%) mehrere selbstständige Umgangstreffen nach erfolgreichem Abschluss der Maßnahme gab. In 34 Fällen (24%) war es unbekannt, ob es weitere selbständige Umgangstreffen nach der Maßnahme gab und in ebenfalls 34 Fällen (24%) gab es keine eigenständigen Umgangstreffen nach der Maßnahme.

Schlussfolgerungen

Begleiteter Umgang hat sich seit Inkrafttreten der Kindschaftsrechtreform 1998 mehr und mehr als qualifizierte Kinder- und Jugendhilfemaßnahme etabliert. In Deutschland werden jährlich über 10.000 Umgangsbegleitungen für Familien eingeleitet. Sie sind Ziel gerichtete, zeitlich limitierte, sozialpädagogische Maßnahmen zur Anbahnung, Wiederherstellung und Förderung der Elternbeziehung und zur Abwehr von Kindeswohlgefährdung. Als Träger und Dienstleister ist der DKSB einer der führenden Anbieter dieser Maßnahme. Durch seine fachlich qualifizierte inhaltliche Ausrichtung und das aus seinen ideellen Wurzeln gespeiste Selbstverständnis als Lobby für Kinder und Jugendliche gewährleistet er eine effiziente Durchführung zum Wohle des Kindes als praktisch angewandte Kinderrechtspolitik nach Grundsätzen der UN-Kinderrechtskonvention.
Durch die Struktur der Fragebögen und die folgend ermittelten Prozessdaten der Maßnahme wurde ein Einblick in ihre Durchführung in Kreis- und Ortsverbänden des DKSB LV Bayern e. V. geschaffen. Der Fragebogen bezog sich auf die Bestandsaufnahme von abgeschlossenen Fällen seit 2004 und liefert durch seine Fragestellung in der Auswertung Hinweise auf Qualitätssicherung und Weiterentwicklung dieser Maßnahme.

  • Daten zur Vorgeschichte der untersuchten Fälle und den weiteren Kontaktverlauf nach Abschluss der Maßnahme wurden nicht evaluiert. Die erhobenen Daten basieren auf der Dokumentation durch Beraterinnen und Berater, die von diesen indirekt, über die Angaben der Eltern, gewonnen wurden. 
  • Die Analyse zeigt, dass der überwiegende Teil der Umgangsberechtigten Väter sind. Das legt nahe, in Zukunft für sie ein spezifisches, zielgruppenorientiertes, begleitendes Beratungsangebot zu entwickeln. Beratungs- und Gruppenangebote sollten also diesen Aspekt in Konzeption und Ausgestaltung besser berücksichtigen. Auch die evtl. besonderen Erfordernisse bei den ca. 20% ausländischen Familien könnten in der Gestaltung des Beratungsangebotes Niederschlag finden. 
  • Gerichte und Jugendämter nutzen schon häufig den Begleiteten Umgang bei Umgangsstreitigkeiten zwischen den Eltern. Aufgrund der hohen Überweisungszahlen durch Familiengerichte und Jugendämter sind der interdisziplinäre Austausch und die Zusammenarbeit der einzelnen Fachstellen mit Anbietern der Maßnahme und Beratungsstellen unerlässlich. Kontinuierliche Vernetzung und das Zusammenwirken der verschiedenen Beratungs- und Therapiestellen mit Institutionen der Jugendhilfe und Trägern der Maßnahme ist besonders wichtig für den Erfolg.
  • Die Abfrage über die Zeit zwischen Kontaktabbruch des Umgangsberechtigten mit dem Kind bzw. zwischen Trennung der Eltern und Erstkontakt zum DKSB könnte dichter dokumentiert werden. In der vorliegenden Evaluation sind nur in ca. der Hälfte der Fälle dazu Angaben gemacht worden. Nachbesserungsbedarf ist bei den Zwischengesprächen aller Umgangsbeteiligten zu erkennen. Es sollten mehr sein, um auf Probleme und Schwierigkeiten während der Maßnahme rasch reagieren zu können.
  • Aus der Statistik zu Kooperationsbereitschaft mit dem DKSB ist erstens herauszulesen, dass das Optimum der Kooperationsbereitschaft bei Umgangsberechtigten, abgebenden Elternteil und Kind/ern auf dem "Höhepunkt" der Maßnahme liegt und dann wieder etwas nachlässt. Zweitens, dass die Kooperationsbereitschaft des abgebenden Elternteils zum DKSB eher etwas niedriger ist als die des Umgangsberechtigten, was die häufigen Interessenkonflikte der Eltern widerspiegelt.
  • In der Weiterentwicklung des Fragebogens sollten in Zukunft die Kategorien Beginn, Abbruch und vorzeitiges Beenden der Maßnahme differenzierter definiert und untersucht werden. In der Auswertung zeigte sich, dass es bei sehr konfliktreichen Paar- und Familienverhältnissen relativ häufig zu Abbrüchen in der Anfangsphase oder zu vorzeitigen Beendigungen der Maßnahme gekommen war. Immerhin kam es bei den vorzeitigen Beendigungen trotzdem noch in mehr als einem Drittel der Fälle zu einer erfolgreichen Elternvereinbarung mit anschließenden selbstständigen Umgangstreffen. Die Ergebnisse bei den Kreuztabellen bezüglich des Geschlechtunterschieds der Kinder und dem vorzeitigen Beenden bzw. Erfolg der Maßnahme waren auffällig interessant und sollten weiterhin beobachtet werden. Dass Begleiteter Umgang bei Jungen etwas häufiger erfolgreich war als bei Mädchen sollten sich die Verantwortlichen bei Ausgestaltung und Begleitung der Umgangskontakte bewusst machen. Auch bei Müttern und Vätern zeigte sich dieses geschlechtspezifische Verhalten bezogen auf den erfolgreichen Abschluss; so lag dieser bei Vätern prozentual höher als bei Müttern.
  • Zusätzliche, den Umgang betreffende begleitende Maßnahmen, wie Psychotherapie oder Elternberatung, machten sich positiv in der Erfolgsbilanz bemerkbar. Erfreulich ist auch, dass die Beratenden die Maßnahme durchwegs als "kindgerecht" beurteilten.
  • Grenzen der Maßnahme waren und sind an den Punkten gesetzt, wo Gewaltandrohung und Gewalt insbesondere im Verhältnis zum Kind eine Rolle spielen. Das gilt für jede Form von Entführungsandrohung bis zu sexuellen Übergriffen. Bei psychisch kranken Eltern können verzerrte Wahrnehmung, offene Feindseligkeiten oder Desinteresse als Kontraindikationen gelten. Bei solchen Grenzüberschreitungen waren und sind die Umgangstreffen abzubrechen. Oberstes Gebot ist das Kindeswohl und der emotionale Gewinn der Kinder durch die Maßnahme, nicht vorrangig Erwartungen und Bedürfnisse der Eltern.
  • Intensivierte Öffentlichkeitsarbeit aller direkt oder indirekt involvierten Institutionen ist wünschenswert. Mehr Informationen über Angebot, Ausgestaltung und Nutzen der Maßnahme Begleiteter Umgang, aber ebenso auch über die Rechte der Kinder und Eltern auf Beratung und Unterstützung könnten gesellschaftlich relevant werden, um u.a. Hemmschwellen auf Seiten der Betroffenen zu überwinden, in Bezug auf die Ausgestaltung der Maßnahme mehr Eltern, aber auch Beratungsstellen auf Chancen und Erfolgsaussichten des Begleiteten Umgangs aufmerksam machen und sie anregen, sich in Konfliktsituationen selbst an den DKSB oder andere Anbieter zu wenden.
  • Wissenschaftliche Untersuchungen und Forschungsergebnisse zum Begleiteten Umgang sind noch rar; Fragen über langfristige Auswirkungen - Nutzen und/oder Schaden der Maßnahme - auf Kinder und Jugendliche noch weitgehend offen.
  • Vorrangiges Ziel des Begleiteten Umgangs ist die selbstständige Realisierung von Umgangskontakten zwischen Umgangsberechtigten, abgebendem Elternteil und Kind/ern; dass Eltern gegenseitiges Vertrauen aufbauen und zu mehr Kooperation kommen. Begleitende Beratung und andere flankierende Maßnahmen sollten während des zeitlich limitierten Begleiteten Umgangs wechselseitig abgestimmt und durchgeführt werden, um gegebenenfalls auf individuelle Intervention erfordernde Ereignisse und Bedürfnisse der Beteiligten zeitnah reagieren zu können. Erhebungsergebnisse pauschal zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit Zustandekommen einer Umgangsbegleitung die Wahrscheinlichkeit für eine spätere elterliche Einigung über selbständige Umgangsregelung wächst. Das ist überaus erfreulich.
  • Eine Befragung der Familien zwei bis drei Jahre nach Abschluss der Maßnahme könnte über die Langzeitwirkung der hergestellten Umgangskontakte Aufschluss geben. Außerdem wären Evaluationen zur Wirkung des Begleiteten Umgangs auf die Kinder nach längeren Zeitabständen ebenfalls wünschenswert. Dafür könnte schon in den zukünftigen Fällen von den beteiligten Eltern eine Erlaubnis zu entsprechender Nachbefragung eingeholt werden.
  • Die Indikationsgründe beim Umgangsberechtigten könnten noch genauer ausgewertet werden und mit Erfolg bzw. Abbruch der Maßnahme verglichen werden.
  • Bei Vergleichen zwischen dem Zeitraum von Trennung der Eltern und Kinder und dem Erfolg der durchgeführten Maßnahme wären auch die Frage nach Alter des Kindes und seiner Kooperationsbereitschaft interessant.
  • Ebenso spannend wäre ein Vergleich der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit mit den Daten der fünf Jahre zurückliegenden Erhebung aus Rheinland-Pfalz

Zu den Autoren:
Robert Limmer, Student der staatl. Fachhochschule München im Studiengang
Sozialpädagogik hat im Zeitraum von Okt. 2005 bis April 2006 seine Diplomarbeit mit dem Titel: "Begleiteter Umgang als Instrument zur Umsetzung des Kindschaftsrechts - Eine Analyse dieser Maßnahme beim Deutschen Kinderschutzbund Landesverband Bayern e. V." geschrieben.
Die Analyseziele dieser Arbeit über die Maßnahme "Begleiteter Umgang" beim DKSB LV Bayern und die dazu erforderliche inhaltliche Ausrichtung des Fragebogens wurde in enger Zusammenarbeit mit der Fachberaterin Johanna Purschke-Öttl beim LV Bayern in München ermittelt.

Johanna Purschke-Öttl / Robert Limmer
DKSB LV Bayern e. V., Landesgeschäftsstelle,
Arabellastr. 1, 81925 München,
www.kinderschutzbund-bayern.de

1Zum Design der Fragestellungen und zum methodischen Vorgehen wurden Dipl.-Psych. Wilfried Griebel vom Staatsinstitut für Frühpädagogik und stellvertretenden Landesvorsitzenden des DKSB LV Bayern e. V. und Dipl. Psych. Dr. Jörg Fichtner (München) eingebunden. W. Griebel und J. Fichtner waren wissenschaftliche Mitarbeiter des Projektes "Interventionen im Scheidungsgeschehen - Beaufsichtigter und Begleiteter Umgang gemäß § 1634 Abs. 4 BGB", das 1999 - 2002 durchgeführt und mit Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wurde.  

aus: ZBFS - Bayerisches Landesjugendamt Mitteilungsblatt 5/2006