Diskothekenbesuch in Begleitung einer betrunkenen bzw. nicht anwesenden "erziehungsbeauftragten Person"

Die Möglichkeit, die gesetzlich festgelegten Zeiten für den Besuch Minderjähriger von Gaststätten und Diskotheken durch die Begleitung einer "erziehungsbeauftragten Person" (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Jugendschutzgesetz) zu umgehen, bereitet im Vollzug des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) eine Vielzahl von Problemen.  

Es hat sich deshalb — ergänzend zu den notwendigen Anwesenheitskontrollen - in der Praxis bewährt, durch vorbeugende Maßnahmen ein Fehlverhalten von Kindern und Jugendlichen (wie die Umgehung der Jugendschutzbestimmungen) zu verhindern.  

Der Gesetzgeber schreibt für die zeitweise Übertragung der Erziehungsverantwortung keine Schriftform vor. Auch eine mündliche Absprache ist ausreichend; dies ist z. B. im Rahmen der Jugendarbeit sehr hilfreich. Es hat sich allerdings bewährt - sowohl für den Gewerbetreibenden (Sorgfaltspflicht) wie auch für die kontrollierenden Institutionen - die Schriftform anzustreben. Auch die Eltern werden so von notwendigen nächtlichen Telefonanrufen zur Kontrolle der Delegation des Erziehungsauftrags verschont.  

Ergänzend könnte eine Kopie des Personalausweises der Eltern verlangt werden, um so Minderjährige von einer möglichen Urkundenfälschung abzuhalten und eine Umgehung des Jugendschutzgesetzes zu verhindern. Eine solche Auflage kann auf freiwilliger Basis vereinbart oder im Rahmen des § 7 JuSchG verfügt werden.  

Ausführliche Informationen   zur "Erziehungsbeauftragten Person" finden sich in den Vollzugshinweisen des Landesjugendamtes unter: www.blja.bayern.de/textoffice/gesetze/juschg/1.html.                                      

Mit diesen vorbeugenden Maßnahmen ist allerdings kaum zu verhindern, dass die erziehungsbeauftragten Personen ihrer Aufgabe nicht gerecht werden, indem sie übermäßig Alkohol konsumieren oder die/den Minderjährigen allein lassen. In letzter Zeit ist das Landesjugendamt gerade mit diesem Sachverhalt wiederholt befasst worden.    

Dieses Problem bewertet das Bayerischen Landesjugendamtes wie folgt:  

1.        Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz  

Ob ein Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz (§ 4 Abs.1 und § 5 Abs. 1) vorliegt, kann nur nach dem jeweiligen Einzelfall entschieden werden.  

Ein Verstoß ist dann gegeben, wenn Minderjährigen die Anwesenheit ohne Begleitung einer "erziehungsberechtigten Person" gestattet wurde. Die ist z. B. auch der Fall, wenn die erziehungsbeauftragte Person nicht in der Lage ist, der Beauftragung gerecht zu werden, da sie entweder stark alkoholisiert oder gar nicht mehr anwesend ist.  

Wenn die erziehungsbeauftragte Person in einem anderen Raum angetroffen wird, muss zunächst geklärt werden, ob diese nur kurz den Raum verlassen hat und sich nur vorübergehend woanders befindet oder ob sie sich dauerhaft von dem zu beaufsichtigenden Minderjährigen entfernt hat. Bei einem dauerhaften Aufenthalt in einem anderen Raum - der nachgewiesen werden muss - läge ein Verstoß gegen die Bestimmungen des JuSchG vor. Bei einer nur vorübergehenden Entfernung von dem Minderjährigen liegt noch kein Verstoß vor, da die erziehungsbeauftragte Person grundsätzlich noch in der Lage ist, den ihr übertragenen Aufgaben gerecht zu werden. Man muss es wohl zunächst der erziehungsbeauftragten Person überlassen, in welcher Art und Weise sie ihre Aufgaben wahrnimmt. Sie muss nur grundsätzlich dazu in der Lage sein.  

2.    Verantwortung für die Verstöße gegen das JuSchG  

2.1.     Der Gewerbetreibende und sein Personal  

Verantwortlich für die Nichteinhaltung der Bestimmungen des JuSchG ist zunächst der Gewerbetreibende.
Auch das beschäftigte Personal ist grundsätzlich verantwortlich für die Nichtbeachtung des
Jugendschutzgesetzes (§ 9 OWiG).  

Nach § 28 Abs. 1 des Jugendschutzgesetzes können aber der Gewerbetreibende oder sein Personal nur dann mit einem Bußgeld belegt werden, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Das ist dann der Fall, wenn billigend in Kauf genommen wurde oder man hätte erkennen müssen, dass die Voraussetzungen für den Aufenthalt Minderjähriger (in Begleitung einer erziehungsbeauftragten Person) in der Gaststätte und bei der Tanzveranstaltung nicht mehr geben waren, da die erziehungsbeauftragten Personen aus unterschiedlichen Gründen (siehe Punkt 1) ihrer Aufgabe nicht nachkommen konnten. Falls der Gewerbetreibende die von ihm beschäftigten Personen über die Jugendschutzbestimmungen belehrt und zur ihrer Einhaltung verpflichtet sowie die Wahrnehmung dieser Aufgaben durch sein Personal gelegentlich kontrolliert hat, ist also eine Exkulpation möglich. Auch seitens des beschäftigten Personals ist eine Exkulpation möglich, wenn die Einhaltung der Bestimmungen des JuSchG angemessen kontrolliert worden ist, z. B. wenn eine gründliche Einlasskontrolle stattgefunden hat und die Abgabe von Alkohol (an den Minderjährigen, aber auch an die erziehungsbeauftragte Person, z. B. durch Bändchen, s. u.) kontrolliert und beachtet wurde.

Es empfiehlt sich deshalb, den Gewerbetreibenden beim ersten Verstoß im Hinblick auf alkoholisierte oder nicht anwesende erziehungsbeauftragte Personen auf seine Verpflichtungen hinweisen und zu belehren. Bei weiteren Verstößen kann dann ein OWiG-Verfahren eingeleitet werden, das auch vor Gericht Bestand hat.  

2.2.        Die erziehungsbeauftragte Person  

Nach § 28 Abs. 4 JuSchG handelt ordnungswidrig, wer als Person über 18 Jahren ein Verhalten eines Kindes oder jugendlichen Person herbeiführt oder fördert, das durch ein in § 28 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 6 JuSchG enthaltenes Verbot verhindert werden soll. Die erziehungsbeauftragte Person kann durch ihr Verhalten, der "Nichtwahrnehmung" des Erziehungsauftrags einer minderjährigen Person - entgegen den Bestimmungen des JuSchG - den Aufenthalt in einer Gaststätte und bei einer Tanzveranstaltung ermöglichen und kann deshalb nach § 28 Abs. 4 JuSchG mit einem Bußgeld belegt werden.  
 

2.3.    Die Eltern  

Nach § 28 Abs. 4 JuSchG handeln Personen über 18 Jahren, also auch die Eltern, ordnungswidrig, wenn sie ein Verhalten eines Minderjährigen herbeiführen oder fördern, das nach § 28 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 6 JuSchG verhindert werden soll. Dies ist dann der Fall, wenn z. B. Eltern wiederholt Personen als erziehungsbeauftragte Person benennen, die den Erziehungsauftrag offensichtlich nicht ernst nehmen und sich nicht angemessen um den oder die Minderjährige kümmern. Es kann im Einzelfall hilfreich sein, solche Eltern auf die Möglichkeit, ein OWiG-Verfahren gegen sie einzuleiten, hinzuweisen.  

Daneben ist zu überlegen, ob diese Eltern ihrem Erziehungsauftrag angemessen nachkommen und ob nicht ggf. der allgemeine Sozialdienst oder eine andere zuständige Stelle über die Angelegenheit informiert werden muss, da das Wohl der oder des Minderjährigen gefährdet ist. Dies ist zumindest bei wiederholten Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz zu prüfen. In Extremfällen kann bei einer gröblichen Verletzung der Erziehungspflicht auch ein Straftatbestand (§ 171 StGB) vorliegen.  

3.        Maßnahmen  

Neben den eingangs dargelegten allgemeinen Maßnahmen wäre es sinnvoll, in diesem Fall den Gaststättenbetreiber zu verpflichten, farbige Bänder für erziehungsbeauftragte Personen auszugeben. So könnte er seinen Kontrollaufgaben, wie in Punkt 2.1. dargelegt, leichter nachkommen.  

Diese und andere für notwendig erachteten Maßnahmen und Auflagen können auf zwei Arten durchgesetzt werden:  

Zum einen kann im direkten Gespräch mit dem Gewerbetreibenden verdeutlicht werden, welche Maßnahmen sinnvoll sind, um die Einhaltung des JuSchG sicherzustellen. Ergänzend kann darauf hingewiesen werden, dass - falls er die Maßnahmen nicht umsetzt - bei einem erneuten Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz ein OWiG-Verfahren mit entsprechend hohem Bußgeld eingeleitet wird. Schließlich hätte er so trotz konkreter Hinweise nichts unternommen, um seiner Sorgfaltspflicht gerecht zu werden und eine Gefährdung Minderjähriger zu verhindern.

  Zum anderen können - in einem etwas aufwendigeren Verfahren - auf der Basis des § 7 JuSchG Auflagen erteilt werden, die vom Gewerbetreibenden zu befolgen sind. Verstöße werden auch hier mit Bußgeld geahndet (siehe zu Auflagen nach § 7 JuSchG auch Mitteilungsblatt Nr. 5 Sept./Okt. 2008 und Vollzugshinweise des BLJA unter: www.blja.bayern.de/textoffice/gesetze/juschg/7.html)

 

Udo Schmidt