Kinderbeauftragte(r): Das Jugendamt

1. Anstoß und Ausgangsannahme

Die Diskussion unter Bürgerinnen und Bürgern, Politikerinnen und Politikern und auch in den Verwaltungen, dass man neben Frauenbeauftragten, Seniorenbeauftragten, Behindertenbeauftragten, Datenschutzbeauftragten, Fahrradbeauftragten endlich auch durch Kinderbeauftragte den hohen Stellenwert der Kinder besonders herausheben müsste, hatte im Sommer 1992 auch Nürnberg erreicht.

Die folgende Positionsbeschreibung wurde durch Beschluss des Jugendhilfeausschusses 1993 zur offiziellen fachpolitischen Grundlage in Nürnberg.

Nur ein offensiv agierendes Jugendamt kann seine Pflichten nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) wahrnehmen. Mit dieser Aufgabenbewahrnehmung ist selbstverständlich auch eine Vertretung der Interessen von Kindern verbunden, die nicht als besondere und neben den sonstigen Aufgaben besteht, sondern ständig handlungsleitendes Prinzip der Jugendhilfe sein muss.

Die Aufgaben, die Interessen der Kinder in Verwaltung und Politik hineinzutragen und offensiv darin zu vertreten, obliegt vornehmlich dem Jugendamt, nämlich der Verwaltung des Jugendamtes einerseits und dem Jugendhilfeausschuss und seinen Mitgliedern, wie z .B. den Jugendverbänden andererseits. Deshalb ist die provokative These erlaubt: Dort, wo "Kinderbeauftragte" o. ä. installiert werden, nehmen Politik und Verwaltung ihre Aufgabe nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz nicht ausreichend offensiv wahr und wollen sich statt durch Ausweitung des Haushalts für Jugendhilfe und der Aktivitäten mit Kindern und für diese mit einer populistischen Maßnahme profilieren. Dies hat Nürnberg nicht nötig. Allerdings gelten diese und folgende Gedanken nur für Kommunen.

2. Die Verwaltung des Jugendamtes und der Jugendhilfeausschuss als Kinderbeauftragte

Kinderbeauftragte(r) des Herrn Oberbürgermeister und des Stadtrates der Stadt Nürnberg sind der Jugendamtsleiter und das Jugendamt der Stadt Nürnberg durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz.
Die mit der Forderung nach Kinderbeauftragten verbundenen Aufgabenbeschreibungen und Zielsetzungen sind immer Aufgaben nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, sie sind zentraler Bestandteil der Aufgaben der Jugendhilfe und damit der Verwaltung des Jugendamtes und des Jugendhilfeausschusses. Bei den Forderungen nach Kinderbeauftragten treten immer wieder zwei Hauptmotive als Begründung in den Vordergrund.

2.1 Vertretung der Interessen der Kinder auf politischer Ebene

Stichworte für die Aufgaben von Kinderbeauftragten sind "Anwalt für Kinder", "Politik für Kinder", "Einwirkung auf das Bewusstsein der Gesellschaft und der politischen Entscheidungsträger".
Auftrag des Jugendamtes nach dem Tenor und nach einzelnen Paragraphen ist es auch, die Interessen der Kinder politisch zu vertreten, gesamtgesellschaftliche Bewusstseinsprozesse in Gang zu setzen und auf die konkrete politische Willensbildung in Jugendhilfefragen in der Kommune und in Bund und Land gestaltend und fordernd Einfluss zu nehmen.
Dies geschieht in Nürnberg im wesentlichen durch

  • Planungen, Berichte und Stellungnahmen zu jugendhilfepolitischen Themen, die im Jugendhilfeausschuss behandelt werden
  • Teilnahme des Jugendamtes an und Unterstützung von öffentlichen Veranstaltungen zu jugendhilfepolitischen Fragen
  • Dokumentierung und Herausstellung der Interessen und Rechte der Kinder in Veranstaltungen, Broschüren, Flugblättern.

Diese Aufgabenstellung des Jugendamtes nach dem KJHG mit dem Ziel gesellschaftspolitischer Einflussnahme und Innovation wird ergänzt durch die Aufgaben des Jugendhilfeausschusses der politisches Forum der Artikulation für Kinderpolitik in die Wahrnehmung der Interessen der Kinder in Politik und Verwaltung sein sollte (und in Nürnberg auch ist). Gleichzeitig sollte der. Jugendhilfeausschuss "Transmissionsriemen" kinderpolitischer Interessenwahrnehmung in den Fraktionen und Parteien sein und umgekehrt der Parteien, um deren kinderpolitischen Willen in den Jugendhilfeausschuss und die Verwaltung zu tragen.
Wenn der Jugendhilfeausschuss aufgrund seiner Zusammensetzung und Aufgabenvielfalt diese Funktion politischer Orientierung nicht erfüllen kann, kann er einen Unterausschuss mit diesem speziellen Aufgabenschwerpunkt bilden (wie dies mit dem Arbeitsausschuss Kindertagesstätten in der Vergangenheit in Nürnberg geschehen ist).
Die Parteien bzw. Fraktionen selbst haben in der Regel sogenannte jugendpolitische Sprecherinnen oder Sprecher. Es ist deren Aufgabe, in der jeweiligen Partei die Interessen der Kinder im Sinne eines Kinderbeauftragten der jeweiligen Fraktion wahrzunehmen.
Besonderer Kinderbeauftragter zur Erfüllung dieser gesellschaftspolitischen Aufgaben und Funktionen bedarf es des halb nicht.

2.2 Berücksichtigung und Durchsetzung der Interessen von Kindern in allen Gremien der Stadtentwicklungsplanung, der Stadt- und Verkehrsplanung, der Aufstellung von Bauleitplänen und bei konkreten Ausführungsplanungen

Methodische Ansätze sind z. B. "Anwaltsplanung", "Kinderverträglichkeitsprüfung", "Vetorechte". In § 1 Abs.3 Ziffer 4 des SGB VIII heißt es, dass Jugendhilfe aufgefordert ist, dazu bei(zu)tragen, positive Lebensbedingungen für Menschen und ihre Familien sowie eine Kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten und schaffen.

a) Planungsauftrag des Jugendamtes

Diese Formulierung des § 1 Abs. 3 Ziffer 4 weist über den engeren Zuständigkeitsbereich des Ressorts Jugendhilfe hinaus. Somit ist vom Gesetzgeber ausdrücklich als Aufgabe der Jugendhilfe die Querschnittpolitik angesprochen, das Hineinwirken in andere Politikfelder im Interesse von Kindern, Jugendlichen und deren Familien.
Die häufig angeführten Zielsetzungen für die Aufgaben von Kinderbeauftragten wie "Verbesserung der Infrastruktur; Verbesserung der Angebote für Kinder; Entwicklungen kinderfreundlicher Lebensräume beim Wohnen, Spielen, der Freizeit, in den Schulen und dergleichen, insbesondere auch für behinderte Kinder; bei politischen Entscheidungen zu Bebauungsplänen und stadtplanerischen Vorhaben. Belange der Kinderfreundlichkeit zur Geltung bringen; Einflussnahme auf kinderberührende politische Entscheidungen... ; Schaffung bzw. Wiederherstellung von Aktions- und Spielräumen für Kinder ..." sind nach dem gesetzlichen Auftrag aus dem SGB VIII Aufgaben der Jugendhilfeplanung, die u. a. in den §§ 79 und 80 fixiert sind.
Das Jugendamt- und damit die Verwaltung des Jugendamtes und der Jugendhilfeausschuss - haben dafür Sorge zu tragen, dass genau diese Aufgaben angepackt und erfüllt werden.
In diesem Sinne haben die Verwaltung des Jugendamtes und der Jugendhilfeausschuss Nürnbergs sich in den letzten Jahren mit umfangreichen, komplexen und differenzierten Plänen der Jugendhilfe befasst, wie

  • Drogenkonzept der Stadt Nürnberg 1985 (und 1994),
  • Plan "Spielen in der Stadt", der 1989 vom Stadtrat verabschiedet wurde,
  • Plan "Offene Jugendarbeit", der 1991 vom Stadtrat verabschiedet wurde,
  • Plan "Horte und Schülertreffs", der 1992 vom Stadtrat verabschiedet wurde,
  • Fortschreibungen des Kindergartenplanes, die 1989 und 1992 im Jugendhilfeausschuss beraten wurden.

Der Jugendhilfeausschuss in Nürnberg hat sich dementsprechend auch mit vielen Detailkonzepten befasst und deren Umsetzung begleitet, wie das Modellprojekt "Mobiler Heilpädagogischer Dienst", Modellprojekt "Sozialpädagogische Familienhilfe", "Soziale Gruppenarbeit", "Übungs- und Erfahrungskurse", "Täter-Opfer-Ausgleich", Modellprojekt "Bereitschaftspflege", Modellprojekt "Orte für Kinder", Modellprojekt "Umwandlung von Schulhöfen in Spielhöfe (Knauerstraße)", "Neukonzeption der Drogenprävention der Psychosozialen Beratungsstelle".
Die Vielzahl von "kinderpolitischen" Konzepten, Arbeitspapieren und Berichten aus den unterschiedlichsten Abteilungen der Verwaltung des Jugendamtes aufzuzählen, die dem Jugendhilfeausschuss in den letzten Jahren zur Beratung vorgelegt wurden, ginge zu weit. Alle diese Pläne und Konzepte folgen der o. a. Leitphilosophie. Mit den erarbeiteten und den weiteren in Arbeit befindlichen, nach Prioritäten und Arbeitskapazitäten geordneten Planungen wird den Zielsetzungen, die oben angeführt wurden, um weitaus mehr Rechnung getragen, als dies eine einzelne Planstelle eines oder einer Kinderbeauftragten tun könnte.

b) Mitwirkung bei Fragen der Stadtplanung und bei der Entwicklung von Angeboten für Kinder

In der Zielsetzung und bei dem Aufgabenrahmen, der im Begründungszusammenhang für Kinderbeauftragte häufig genannt wird, ist ein besonderer Schwerpunkt auf die Schaffung von Spielräumen für Kinder gelegt.
Am Beispiel des Jugendamtes der Stadt Nürnberg kann man exemplarisch darstellen, dass nur ein offensives Jugendamt Leistungen für Kinder erbringen und durchsetzen kann, die für die Kinderbeauftragten nicht möglich sind; sie können die tägliche Arbeit und das Selbstverständnis der Mitarbeiterschaft in der Verwaltung nicht konkret "steuern".

So wurde mit dem vom Stadtrat 1989 verabschiedeten Plan "Spielen in der Stadt" die Grundlage für die Erhaltung, die Errichtung und die kindergerechte Gestaltung von Spielflächen In Nürnberg gelegt. Mit dem Maßnahmeprogramm, das sich nicht nur auf herkömmliche öffentliche Spielplätze,. sondern auch auf die Errichtung von Aktivspielplätzen, den Ausbau der Spielmobile, der Verbesserung der Spielmöglichkeiten auch in nicht reservierten Flächen des Spielens erstreckt (Höfe, Brachflächen, Schulhöfe), wurde eine übergreifende stadtentwicklungspolitische Aufgabe und Maßnahme, die wesentlich zur Erhöhung der Wohn- und Lebensqualität für Familien beiträgt", gesehen (aus dem Stadtratsbeschluss vom 22.02.1989 zur Beschlussfassung des Planes "Spielen in der Stadt").

Gleichzeitig wurde die Beteiligung des Jugendamtes an der Stadtentwicklungsplanung nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 SB VIII festgeschrieben. Mit dieser Beteiligung des Jugendamtes an der Stadtentwicklungsplanung ist gesichert, dass das Jugendamt frühzeitig im Sinne der Einmischung in alle Planungsverfahren der Stadtplanung und Stadtentwicklungsplanung eingeschaltet wird und Einfluss nehmen kann.

Die Planung von Spiel- und Freiflächen wurde damit neu geordnet und inhaltlich auf den Jugendhilfeausschuss und die Verwaltung des Jugendamtes - in Abstimmung mit dem Gartenbauamt - orientiert. Das Jugendamt macht in Abstimmung mit dem Gartenbauamt Prioritätenvorschläge zur Vergabe der vorhandenen Investitionsmittel, der Jugendhilfeausschuss begutachtet die Prioritäten und die Detailplanung für einzelne Flächen und Plätze.

Darüber hinaus wurde eine referatsübergreifende Arbeitsgruppe unter Einbezug des Kreisjugendringes "Spielen in der Stadt" installiert, die die Umsetzung des Planes begleitet, Kooperations- und Koordinierungsaufgaben wahrnimmt und Fragen der Standortsicherung und -suche für neue Spielflächen bearbeitet.
Dass diese Aufgabe durch Kinderbeauftragte durchgesetzt, bearbeitet und wahrgenommen werden könnte, ist nicht denkbar.

Das Jugendamt und viele freie Träger der Jugendhilfe müssen bei folgenden Einzelaufgaben aktiv sein:

  • Bebauungspläne:
    Die Verwaltung des Jugendamtes muss grundsätzlich bei der Aufstellung von Bebauungspläne, beteiligt sein. Dies gilt im übrigen nicht nur für Bebauungspläne, sondern auch für Flächennutzungspläne, die Stadtteilplanung, die Stadtentwicklungsplanung und die vorbereitenden Untersuchungen zu Stadterneuerungsmaßnahmen. Häufig initiiert auch das Jugendamt entsprechende Planungsprozesse, wen es gilt, beschlossene Fachpläne umzusetzen und auf kleinräumiger Ebene zu konkretisieren (Spielflächen, Kindergärten usw.). Der Jugendhilfeausschuss hat jederzeit das Recht, entsprechende Planungen anzufordern, diese zu beraten und seine Meinung dazu abzugeben, z. B. zu Vorhaben des Flächennutzungsplanes, zum Entwicklungskonzept 2000 oder auch zu den Planungen für verkehrsberuhigte Zonen.

     
  • "Anlaufstelle für Kinder bzw. deren Eltern in allen kinderrelevanten Fragestellungen ...":
    Im Rahmen der differenzierten Aufgabenwahrnehmung der Jugendhilfe kommen hierbei die bestehenden Anlauf- und Beratungsstellen entsprechend dem Problembezug in Frage:
    Erziehungsberatungsstellen, Mobiler Heilpädagogischer Dienst, Soziale Gruppenarbeit, Bezirkssozialarbeit, Jugend- und Erziehungshilfe Angebote der Abteilung "Kinder, Spiel und Stadt", freie Träger, z. B. die Anlaufstelle "Schlupfwinkel e. V.", Kreisjugendring und die Jugendverbände und der Kinderschutzbund.
    Der Bedarf für eine neue Anlaufstelle außerhalb des Jugendamtes, deren Schwerpunkt lediglich im Weiterverweisen auf die Spezialeinrichtungen liegen kann, wird nicht gesehen. Die bereits alles umfassende Anlaufstelle ist das Jugendamt; Auskunfts- und Informationssystem - neben dem umfänglichen "Sozialatlas" wird allerdings benötigt.

     
  • "Planung und Durchführung von Aktivitäten für Kinder ...":
    Neben der Vielzahl von Angeboten - mit Unterstützung der Stadt - gerade der Jugendverbände und der freien Träger, die hier nicht aufgeführt werden können, ist das Jugendamt Träger folgender Maßnahmen: Zwei Spielmobile und ein Spielbus sowie seit 1993 ein Skate-Mobil bedienen die Nachfrage aus den Stadtteilen Nürnbergs; die offen Kinderarbeit in den Freizeitheimen und Jugendtreffs ist in den letzten Jahren zu einem Schwerpunkt der gesamten Aktivitäten geworden; hinzu kommen die Ferienfahrten und Ferienprogramme für Kinder, insbesondere der Jugendverbände. Auch die Aktivspielplatzvereine sollen hierbei nicht vergessen werden. Auf die Errichtung der Fördertöpfe "Offene Kinder- und Jugendarbeit" und "Förderung pädagogisch betreuter Spielaktionen/Spielangebote", die hervorragend angenommen werden und besonders die Arbeit mit Kindern bei freien Trägern und Elterninitiativen ermöglichen, kann an diese Stelle nur hingewiesen werden.

     
  • "Mitwirkung bzw. Beteiligung der Betroffenen ...":
    Die weitestgehende Mitwirkung bzw. Beteiligung von Betroffenen muss überall Bestandteil bei vielen Planungsvorhaben des Jugendamtes sein. Das offene Planungsverständnis, das heißt die Beteiligung der freien Träger und der Fachöffentlichkeit bereits bei der Erarbeitung von Plänen der Jugendhilfe über das im KJHG vorgesehene Maß hinaus, gehört sicherlich hier dazu. Damit aber darf "Mitwirkung" und "Beteiligung" nicht beendet sein, für die Kinder und Familien wird sie vielmehr erst im Stadtteil bei konkreten Vorhaben interessant.
    Die besondere Abteilung "Kinder, Spiel und Stadt" des Jugendamtes führt in Zusammenarbeit mit dem Gartenbauamt mittlerweile zu jeder neu zu planenden Spielfläche bzw. auch bei Generalinstandsetzungen von bestehenden Spielplätzen eine Beteiligung der Betroffenen im Stadtteil durch.
    Seit Jahren packen Elterninitiativen beim Bau kleiner Spielplätze auch selbst mit an und als neuester Versuch planen Kinder einer Schule nicht nur die Freiflächen mit, sondern übernehmen Bau- und Neuanlagearbeiten selbst.
    Ein eigenständiger und umfangreicher Ansatz zur Betroffenenbeteiligung ist auch das Projekt der Abteilung "Kinder, Spiel und Stadt". Bei diesem Projekt erkunden Kinder anhand eines "Forschungshandbuchs" ihre unmittelbare Umwelt und beurteilen und bewerten unter anderem auch Spielflächen und die Freiraumsituation.
    Gerade solche Projekte wie das Projekt Stadtforscher haben eine große lokale Resonanz, weil die Kinder und Eltern schnelle und konkrete Erfolge erleben oder im Gespräch vor Ort durch "Planer" die Interessenvielfalt erfahren können. Umgekehrt lernen die Planerinnen und Planer gerade die Nöte der Kinder anzuerkennen und besser zu beachten.

     
  • Öffentlichkeitsarbeit:
    Ein Ausweitung und Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit der Jugendämter - und nicht nur für Kinder - ist notwendig (und schon lange im Jugendhilfeausschuss immer wieder vorgetragenes Ziel der Amtsleitung); einer professionalisierten und die technischen Möglichkeiten der Publizistik und des modernen Marketing nutzenden Kommunikation stehen leider noch immer überall fehlende Haushaltsansätze entgegen.
    Das letzte große Projekt, das die Amtsleitung in Nürnberg ausgearbeitet und im Jugendhilfeausschuss vorgestellt hatte - Jugendhilfe in Nürnberg präsentiert sich" - wurde auch im Jugendhilfeausschuss zwar lobend zur Kenntnis genommen, aber eher als nicht so dringend zurückgestellt.
    Es wäre verwunderlich, wenn dann Kinderbeauftragte solche Mittel bekämen.

c) Bewusstseinsveränderung durch Neuorganisation:

Im Sinne der besonderen Aufgaben, fachliche Standards stetig zu überprüfen und zu verbessern, hat sich die Verwaltung, des Jugendamtes in Nürnberg schon frühzeitig bemüht, der neuen Priorität der besonderen Heraushebung der Arbeit mit Kindern und für diese auch organisatorisch Rechnung zu tragen, indem

  • die gesamte Jugendarbeit und
  • die gesamten Kindergärten und Horte auf eine Stadtteilorientierung hin neu organisiert wurden, um die Interessen der Kinder und Jugendlichen vor Ort deutlicher erfassen und berücksichtigen zu können;
  • eine besondere Abteilung "Kinder, Spiel und Stadt" mit den Schwerpunkten geschaffen wurde:
    • Pädagogisch betreute Spielangebote
      Hier ist insbesondere die Fachberatung der Aktivspielplätze sowie die Beratung, Koordination und fachliche Förderung von Initiativen angesiedelt.
    • Spielaktionen - Beratung - Mobile Spielangebote
      Aufgabe ist der Aufbau und Betrieb einer Spielberatungsstelle (Spielzeugbegutachtung, Elterninformationen, Ausstellung "Gutes Spielzeug", "Aufbau einer Spielothek" und "betreute Ferienprogramme in der Stadt").
    • Spielflächen und Spielräume
      In diesem Sachgebiet erfolgt die Beratung und Mitwirkung bei der Gestaltung öffentlicher und privater Spielplätze.

Die Zuständigkeit für die Spielflächenbedarfsplanung, die Umsetzung der Planung durch Einleitung der Standortsuche und -sicherung, die Mitwirkung bei der Objektplanung auf die Verwaltung des Jugendamtes und den Jugendhilfeausschuss überging.

Der besonderen Priorität des Baus von Kindergärten und Horten trugen das Jugendamt und der Stadtrat Rechnung, indem

  • ein Planer der Verwaltung des Jugendamtes fast vollständig mit der Koordination der Beschaffung von Flächen, Baumöglichkeiten und der Finanzierung eingesetzt wurde;
  • der Jugendhilfeausschuss einen Unterausschuss "Kindertagesstätten in der Stadt Nürnberg" einrichtete;
  • der Oberbürgermeister und der Stadtrat bei der mittelfristigen Finanzplanung auf Vorschlag der Verwaltung des Jugendamtes eine wesentliche Priorität für den forcierten Bau von Kindergärten und Horten setzten.

2.3 Zur Organisation der Querschnittsaufgabe von Kinderbeauftragten

Häufig wird herausgestellt, das mangelhafte Vertretung und Berücksichtigung der Interessen der Kinder und Familien durch eine möglichst "hohe Zuordnung, am ehesten beim Oberbürgermeister, verändert werden gleichzeitig soll die Arbeit von Kinderbeauftragten häufig durch eine Kinderkommission als Fachausschuss des Jugendhilfeausschusses begleitet und unterstützt werden, so wie Frauenbeauftragte mit einer Gleichstellungskommission versehen werden oder Seniorenbeauftragte mit einem Seniorenbeirat.
Nach Meinung der Verwaltung des Jugendamtes der Stadt Nürnberg ist der Fachausschuss für Kinderfragen der Jugendhilfeausschuss. Die Bildung eines Unterausschusses für spezielle Themen ist nach den Satzungen der Jugendhilfeausschüsse möglich. Dabei ist allerdings in der Regel nur vorgesehen, dass die Geschäftsführung durch die Verwaltung des Jugendamtes vorgenommen wird, ebenso wie die Verwaltung des Jugendamtes die Geschäftsführung für den Jugendhilfeausschuss durchführt, nicht durch Kinderbeauftragte des Oberbürgermeisters neben der Verwaltung des Jugendamtes.
Ein Kinderbeauftragter oder eine Beauftragte beim Oberbürgermeister neben dem Jugendamtsleiter und seinem Amt würde den Aufbau einer vermutlich kontraproduktiven Parallelstruktur in der Verwaltung bedeuten, er oder sie hätten auch nicht die Stellung und Rechte des Jugendamtes im Gefüge der Kommunalverwaltung nach der Gemeindeordnung, sondern müsste sich im wesentlichen des Fachverstandes des Jugendamtes bedienen.

3. Ungelöste offene Fragen bei der jetzigen organisatorischen Lösung

Ein zentrales Problem bei der Mitwirkung der Verwaltung des Jugendamtes und des Jugendhilfeausschusses bei Planungsprozessen im Bereich der Stadtplanung liegt in der Frage nach der Funktion und dem Stellenwert mündlicher und schriftlicher Stellungnahmen und Anregungen gegenüber den anderen Ämtern und Referaten.

Derzeit haben der Jugendhilfeausschuss und die Verwaltung des Jugendamtes wenigstens in Nürnberg eine hohe Mitwirkungskompetenz

  • bei der Ausführungsplanung von Spielflächen und
  • der Festlegung der Vergabe vorhandener Haushaltsmittel zum Bau von Spielplätzen, da das Gartenbauamt ein Projekt nicht ohne positive Beschlüsse des Jugendhilfeausschusses beginnt und durchführt.

Dies ist bei Fragen der Stadtentwicklungsplanung bei fast allen Kommunen anders. Wenn die Empfehlungen der Jugendämter nicht in "übergeordnete" Ziele der zuständigen Verwaltungseinheiten passen, bleiben sie anscheinend nicht nur unbeachtet durch diese, sondern sie werden in Vorlagen z. B. für den Stadtentwicklungsausschuss und den Stadtrat auch nicht immer als kontrovers aufgeführt und bekannt gemacht, so dass diese Ausschüsse und der Stadtrat zum Teil gar nicht erfahren, dass das Jugendamt unter Jugendhilfegesichtspunkten andere Vorschläge und Anregungen abgegeben hat.

Aus der Sicht der Jugendhilfe wäre insofern ein Vetorecht bei Planungsprozessen ebenso denkbar wie eine Kinderverträglichkeitsprüfung bei allen Stadtplanungsvorlagen und großen Bauvorhaben, bevor sie endgültig im Stadtentwicklungsausschuss und im Stadtrat beraten und entschieden werden. Beide Kompetenzen hätten allerdings nur Sinn, wenn das Jugendamt zur qualifizierten Begleitung der vielen Planungsvorhaben und Bebauungspläne und Entwicklungskonzepte wenigstens Spezialisten, also neue Planstellen zur Prüfung und Entwicklung qualifizierter Gegenvorstellungen aus Sicht der Jugendhilfe bekäme (z. B. in Anlehnung an Umweltplanungsämter o. ä. mit Vetorechten).
Abgesehen von einzelnen Bebauungsplänen ist nach Kenntnis der Verwaltung des Jugendamtes und nach den ab und an im Jugendhilfeausschuss beratenen Vorlagen aus dem Stadtplanungsbereich dort durchaus ebenso wie im Ausschuss für Stadtentwicklung der Wille vorhanden - jedenfalls in Nürnberg - Belange der Kinder vorrangig zu berücksichtigen (z. B. verkehrsberuhigte Zonen, Fahrradwege, Senkung der Emission und Immissionen in Wohngebieten, Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, Bau mit umweltverträglichen Materialien, Umweltverträglichkeitsprüfungen).
Sicher dürfte bei der Einführung eines Vetorechtes und von Kinderfreundlichkeitsprüfungen bei Planungen sein, dass sie sowieso bereits sehr langen Planungsverfahren noch weiter verlängert werden, was eigentlich nicht im Interesse der Kinder und Familien ist.

Die Verwaltung des Jugendamtes der Stadt Nürnberg hat angesichts der grundsätzlichen kinderfreundlichen Planungspolitik der planenden Dienststellen als auch der für Planung zuständigen Stadtratsausschüsse eher die Tendenz, in Nürnberg zur Zeit auf solche Kompetenzen für die Jugendhilfe zu verzichten, weil eine große Verbesserung - gemessen am notwendigen Aufwand - nicht zu erwarten scheint.

Anmerkung: Am 13.05.1993 hat der Jugendhilfeausschuss der Stadt Nürnberg auf Vorschlag des Jugendamtes einvernehmlich beschlossen, die Einrichtung einer Kinderkommission durch Umwandlung des vorhandenen Unterausschusses "Kindertagesstätten" vorzunehmen.

4. Fazit

Der Gesetzgeber hat mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz den Kommunen den Auftrag zur aktiven und innovativen umfassenden Wahrung des Wohls und der Interessen von Kindern gegeben, einschließlich des ausdrücklichen Auftrags zur Einmischung der Jugendhilfe in andere Politikfelder der Kommune (§ 1 Abs. 3 Ziffer 4 KJHG). Der Gesetzgeber hat auch vorgegeben, wer diesen Auftrag in den Kommunen zu erfüllen hat: das Jugendamt, bestehend aus Verwaltung des Jugendamtes und Jugendhilfeausschusses.
Wenn die Verwaltung des Jugendamtes und der Jugendhilfeausschuss diese Aufgaben nicht sehen und nicht ausfüllen sollten, dann liegen ein Bewusstseins- und ein Organisationsmangel vor. Diese behebt man in der Regel aber nicht, indem neben der beauftragten Organisation - dem Jugendamt - eine neue Organisation mit "passendem" Selbstverständnis oder mit den notwendigen Fähigkeiten installiert wird (Kinderbeauftragte), sondern indem man die bestehende Organisation verbessert und gegebenenfalls Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit "falschem" Selbstverständnis oder unfähige Fachkräfte gegen solche mit "richtigem" Selbstverständnis austauscht, wenn Fortbildung nicht hilft! Organisationsmängel, die aus mangelnden Ressourcen resultieren, behebt man am besten, in dem die Ressourcen (mehr Geld, mehr Persona., mehr Mitwirkungs- und Kontrollrechte des Jugendamtes) der zuständigen Verwaltungseinheit und den vorhandenen Jugendverbänden und aktiven freien Trägern zur Verfügung gestellt werden; nicht, indem solche Ressourcen für den Aufbau von Nebenverwaltungen verwendet werden.

Klaus Wagner

aus: Bayerisches Mitteilungsblatt 2/1994