Öffentlich oder privat?

In Gaststätten und bei Veranstaltungen gelten die Regelungen des Jugendschutzes nach dem Jugendschutzgesetz (JuSchG), wenn sie öffentlich sind bzw. in der Öffentlichkeit stattfinden. In der Praxis lassen sich die Grenzen zwischen „öffentlich“ und „privat“ allerdings oftmals nur schwer ziehen. Gelten die Regelungen des JuSchG auch bei privaten Partys, Familienfeiern, Vereinstreffen etc., die in Nebenräumen von Gaststätten stattfinden? Das BLJA bietet nachstehende Orientierungshilfen zur Einschätzung, ob und inwieweit Öffentlichkeit vorliegt und damit das JuSchG zur Anwendung kommt.

Öffentlichkeit

Zur Öffentlichkeit gehören in erster Linie allgemein zugängliche Verkehrsflächen (Straßen, Anlagen etc.) sowie unbeschränkt zugängliche Gebäude und Einrichtungen. Das heißt, auch auf Privatgrund stehende Gebäude und Einrichtungen sind „öffentlich“, wenn sie allgemein bzw. unbeschränkt zugänglich sind.

Eine Veranstaltung ist öffentlich, wenn der Teilnehmerkreis nicht näher bestimmbar ist (z. B. es nicht möglich ist, zuvor eine Liste aller potenziellen Teilnehmer aufzustellen). Jedermann, der sich den Eintrittsbedingungen unterwirft, kann nach Zahlung eines Eintrittsgelds oder auch frei Zutritt erhalten.

Auch bei einem bestimmbaren Teilnehmerkreis liegt eine öffentliche Veranstaltung vor, wenn es weder unter den Teilnehmern noch gegenüber dem Veranstalter eine persönliche Verbindung gibt.

Maßgeblich ist immer der tatsächliche Charakter der Veranstaltung.

Die Beurteilung von Vereinstreffen ist oftmals strittig. Wird die persönliche Verbundenheit bejaht oder nicht für erforderlich gehalten, so sind Vereinsveranstaltungen, zu denen nur Mitglieder zugelassen sind, nicht öffentlich. Anders ist es jedoch, wenn jedermann sofort Mitglied werden kann.

Private Veranstaltungen wie Hochzeitsfeiern, Geburtstagsfeiern etc. werden dann zu einer öffentlichen Veranstaltung, wenn sie für beliebige Gäste geöffnet werden (etwa wenn im Internet für diese Privatfeier eingeladen wird; vgl. Rd. Nr.4 - 6 vor § 4 JuSchG, Sigmar Roll in Nikles u.a., Jugendschutzrecht 2011).

Gaststätte

Der Begriff „Gaststätte“ wird im Gaststättengesetz (GastG) definiert:

§ 1 Gaststättengewerbe

(1) Ein Gaststättengewerbe im Sinne dieses Gesetzes betreibt, wer im stehenden Gewerbe
1. Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht (Schankwirtschaft) oder
2. zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht (Speisewirtschaft)
oder
3. (weggefallen)
wenn der Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich ist.
(2) Ein Gaststättengewerbe im Sinne dieses Gesetzes betreibt ferner, wer als selbständiger Gewerbetreibender im Reisegewerbe von einer für die Dauer der Veranstaltung ortsfesten Betriebsstätte aus Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht, wenn der Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich ist.

Der Begriff „Gaststätte“ setzt unter anderem voraus, dass der Betrieb öffentlich zugänglich ist (für jedermann oder bestimmte Personenkreise). Als bestimmter Personenkreis gelten z. B. Vereinsmitglieder, Messebesucher, Flugpassagiere (Rd.Nr. 5 zu § 4 JuSchG, Liesching/Schuster; Jugendschutzrecht 2011).

Der Begriff „Gaststättengewerbe“ setzt immer die Absicht ständiger Gewinnerzielung voraus (entweder durch die Getränke- / Verzehrpreise oder durch Eintrittsgelder bzw. Mitgliedsbeiträge; vgl. Rd.Nr. 7 zu § 4 JuSchG, Sebastian Gutknecht in Nikles u.a., Jugendschutzrecht 2011).

Bei Abgabe von Getränken und Speisen zum Selbstkostenpreis etwa in Jugendclubs oder Jugendtreffs liegt daher keine Gaststätte vor (Rd.Nr. 4 zu § 4 JuSchG Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht 2011). Wenn diese Einrichtung jedoch für jedermann zugänglich und somit öffentlich ist, findet das Jugendschutzgesetz Anwendung.

Ein Vereinslokal fällt dann unter den Begriff „Gaststätte“, wenn der Verein als offener Verein angelegt ist, sein Mitgliederkreis also nicht von vornherein auf eine kleine Zahl fester Mitglieder begrenzt wird (Erbs / Kohlhaas „Strafrechtliche Nebengesetze“).

In § 4 JuSchG werden nur die Gaststätten erfasst, in denen alkoholische Getränke jeglicher Art ausgeschenkt oder abgegeben werden (s.a. Rd.Nr. 8 zu § 4 JuSchG, Nikles u.a., Jugendschutzrecht 2011).

Bei Feiern in Nebenräumen von Gaststätten ist zu prüfen, ob diese öffentlich zugänglich sind, oder ob es sich um eine „geschlossene Gesellschaft“ (z. B. Hochzeitsfeier oder privates Jubiläum) handelt, die nicht den Beschränkungen des § 4 JuSchG unterliegt.

Nach dem Schutzzweck des JuSchG ist der Begriff „geschlossene Gesellschaft“ jedoch eng auszulegen. Nicht jede Veranstaltung, für die ein Nebenraum in einer Gaststätte angemietet wird und deren Teilnehmer einer bestimmten Gruppe angehören, fällt unter diesen Begriff. Allein die Kennzeichnung einer Veranstaltung mit einem Schild „geschlossene Gesellschaft“ genügt nicht, es kommt auf den tatsächlichen Charakter der Veranstaltung an. Das Vorliegen einer geschlossenen Gesellschaft setzt grundsätzlich eine Vereinbarung mit dem Gastwirt über die ausschließliche Nutzung des Raumes aus einem Anlass voraus, bei dem eine solche Abgrenzung üblich ist (z. B. weil der Konsum an Speisen und Getränken vom Einladenden bezahlt wird; vgl. Rd.Nr. 5, 6 zu § 4 JuSchG, Sebastian Gutknecht in Nikles u.a., Jugendschutzrecht 2011; Rd.Nr. 5 zu § 4 JuSchG Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht 2011).

Bei einer Privatfeier / geschlossenen Gesellschaft muss somit eine personengebundene Einladung vorliegen.

Die sogenannten „Abi-Partys“, klassenübergreifende Treffen… etc. sind nach Auffassung des BLJA in der Regel keine geschlossenen Gesellschaften. Die Gäste gehören zwar einer bestimmten Gruppe an, jedoch fehlt es hier meist an einer engeren Bindung untereinander oder an einem Gastgeber, der die Veranstaltung organisiert und finanziert.

Bei Familienfeiern sind im Unterschied dazu in der Regel Erwachsene (personensorgeberechtigte oder erziehungsbeauftragte Personen) zugegen, die regulierend einwirken können. Im JuSchG ist dies an anderen Stellen Voraussetzung für Ausnahmen von Beschränkungen.

Eine entsprechend enge Auslegung des Begriffs „geschlossene Gesellschaft“ findet sich übrigens auch im Rahmen des Rauchverbots in Gaststätten nach Art. 2 Nr. 8 Gesundheitsschutzgesetz (GSG). Hier hat das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit zu den Begriffen „Gaststätten“ und „geschlossene Gesellschaften“ folgende Regelung veröffentlicht:

Bei echten geschlossenen Gesellschaften ist der Kreis der Teilnehmer in der Regel von vorneherein auf eine meist kleine Zahl feststehender, namentlich geladener Personen begrenzt. Der Zutritt wird grundsätzlich nur diesen, im Vorhinein bestimmten, also nicht beliebig wechselnden Einzelpersonen gewährt. Beispiele sind private Familienfeiern mit persönlicher Einladung wie Hochzeit, Geburtstag, Taufe oder eine unter solchen engen Voraussetzungen einberufene Vorstandssitzung einer Gesellschaft. Hier werden nur bestimmte Einzelpersonen bewirtet. (Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege - Nichtraucherschutz in Bayern, Vollzugshinweise, Punkt 3)

Bauwagen/ Hütte

Der „klassische“ Bauwagen ist keine Gaststätte oder Verkaufsstelle im Sinne des JuSchG. Es stellt sich daher die Frage, ob der Bauwagen „Öffentlichkeit“ darstellt. Die Öffentlichkeit ist dann als gegeben anzunehmen, wenn einem nicht bestimmbaren und nicht bestimmten Personenkreis der „Bauwagen“ zugänglich ist und von der Zugangsmöglichkeit auch Gebrauch gemacht wird. Aufgrund des Charakters der „Bauwagenkultur“, die auf Spontanität der Teilnahme an den stattfindenden Veranstaltungen baut, wird man von einer öffentlichen Veranstaltung ausgehen müssen (s.a. Definition „Öffentlichkeit“ unter Ziffer 1 „unbeschränkt zugängliche Gebäude und Einrichtungen“).

Wichtig: wenn der auf Privatgrund stehende „Bauwagen“ grundsätzlich nur von immer denselben Jugendlichen besucht wird und keine Außenstehenden Zutritt haben, liegt keine öffentliche Veranstaltung vor.

Je größer der Personenkreis jedoch ist, der Zutritt zum „Bauwagen“ hat, und wenn der Zutritt ggf. „erkauft“ werden kann (Geld oder Naturalien z. B. in Form eines Bierkastens), ist von einer öffentlichen Veranstaltung auszugehen.

Zu diesem Thema hat der Bayerische Jugendring die Arbeitshilfe „Bauwagen als Jugendtreffpunkt“ (Stand 2011) herausgebracht, auf dessen Ausführungen sich die Einschätzung des BLJA stützt. Die Arbeitshilfe finden Sie unter www.bjr.de/publikationen/arbeitshilfen.html als Download (s. insb. S. 16 bis 18).

Im Regelfall wird bei Bauwagen- und Hüttenfeiern das JuSchG wohl anzuwenden sein. Liegen Verstöße gegen das JuSchG vor, so halten sich die Kinder und Jugendlichen an einem jugendgefährdenden Ort (§ 8 JuSchG) auf (siehe dazu auch die Vollzugshinweise zum Jugendschutz)

§ 8 JuSchG ist auch außerhalb von öffentlichen Veranstaltungen und Gewerbebetrieben anzuwenden. Jugendgefährdende Orte sind unter anderem dann anzunehmen, wenn in erheblicher Weise gegen die Altersgrenzen zum Alkoholkonsum des § 9 JuSchG verstoßen wird (Rd.Nr. 1 und 7 zu § 8 JuSchG, Sebastian Gutknecht in Nikles u.a., Jugendschutzrecht 2011).

Für eine sachgerechte Bewertung und einen zielführenden Umgang mit der Bauwagenkultur sind neben der jugendschutzrechtlichen Bewertung zwingend die Belange der Jugendarbeit zu beachten.

Bettina Eickhoff, Udo Schmidt, Marie Hesse

aus: ZBFS - Bayerisches Landesjugendamt Mitteilungblatt 4-5/2013