Umgangsrecht und begleiteter Umgang- Theorie und Praxis der Jugendhilfeleistung

Vor dem Hintergrund von jährlich über 28.347 geschiedenen Ehen (in Bayern im Jahr 2001) scheint das Ende der familialen Lebensgemeinschaft aus soziologischer Sicht fast schon zum nüchternen demographischen Merkmal und aus psychologischer Sicht zum normativen, kritischen Lebensereignis geworden zu sein. Gleichwohl führen Trennung und Scheidung alle Betroffenen nach wie vor in eine schwere Krise. Bei den Eltern hat Trennung und Scheidung insbesondere Auswirkungen auf die Kommunikation, bei den Kindern auf den Kontakt zum getrennt lebenden Elternteil. Kontaktprobleme gehören zur Normalität einer Trennungsgeschichte, doch meist klingen sie wieder ab, sobald sich die Beziehung zwischen den Eltern verbessert.

Aus der Vergangenheit ist bekannt, dass nahezu die Hälfte aller Kinder bereits ein Jahr nach der Scheidung keinen Kontakt mehr zum getrennt lebenden Elternteil hatte (Napp-Peters, 1995). Das Kindschaftsrechtsreformgesetz mit seiner weit reichenden Änderung des Umgangsrechts war deshalb ein deutlicher Appell an die Eltern, den Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen ernst zu nehmen und ihn nicht so sehr als ein Recht der Eltern, sondern vielmehr als ein Recht des Kindes auf Wahrung und Förderung seiner Entwicklungschancen zu sehen.

Der folgende Beitrag stellt einen Überblick über das Umgangsrecht mit seiner besonderen Variante des "Begleiteten Umgangs" dar. Aufgrund einer telefonischen Befragung der Vorsitzenden der regionalen Arbeitsgemeinschaften der bayerischen Jugendamtsleitungen und verschiedener bayerischer Jugendämter können Angaben bezüglich des derzeitigen Stands des "Begleiteten Umgangs" - insbesondere der Problematik bei seiner praktischen Umsetzung - gemacht werden.  

1.  Gesetzliche Grundlagen

Das Kindschaftsrechtsreformgesetz einschließlich der damit verbundenen Änderung des Umgangsrechts war nicht zuletzt eine Auswirkung der UN-Kinderrechtskonvention. Denn dort wurde in Artikel 9 Abs. 3 (Trennung von den Eltern; persönlicher Umgang) festgehalten: "Die Vertragsstaaten verpflichten sich, dass Kindern, die von den Eltern getrennt leben, das Recht gewährleistet wird, regelmäßige persönliche Beziehungen und unmittelbare Kontakte zu beiden Elternteilen zu pflegen, soweit dies nicht dem Wohle des Kindes widerspricht".
Die Bundesrepublik Deutschland als einer der Vertragspartner hat dieser Forderung Rechnung getragen, unter anderem

  • mit der Einfügung des Abs. 3 im § 18 des Achten Buchs Sozialgesetzbuch SGB VIII und
  • durch Regelungen des Umgangsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 1684, 1685 BGB).

Im Bürgerlichen Gesetzbuch wird nicht nur die Unabhängigkeit des Umgangsrechts von der Inhaberschaft der elterlichen Sorge, sondern auch die Eigenständigkeit des Umgangsrechts neben dem Sorgerecht betont. Ganz besonders wird aber gezeigt, welch starke Bedeutung dem Umgang eines Kindes mit seinen Eltern und anderen Bezugspersonen beigemessen wird. Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen, aber auch der Umgang mit anderen Personen, zu denen Bindungen aufgebaut worden sind und deren Aufrechterhaltung für die Entwicklung des Kindes förderlich ist. Die gesetzlichen Regelungen gelten für ehelich geborene Kinder ebenso wie für nichtehelich geborene Kinder. Für die Eltern wird durch die Verankerung der elterlichen Umgangspflicht vor dem Umgangsrecht der Pflichtcharakter betont, während es hingegen für das Kind lediglich ein Recht, jedoch keine Pflicht zum Umgang gibt. Ein Recht auf Umgang besteht nun auch für so genannte "Dritte", zu denen wichtige Bezugspersonen wie Geschwister, Großeltern, Stiefeltern und Pflegeeltern gehören (§ 1685 BGB). Diese haben ein Umgangsrecht jedoch nur, wenn es dem Wohl des Kindes dient.

Können sich Eltern bezüglich des Umgangs nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils dessen Befugnis zum Umgang regeln (§ 1628 BGB). Ebenso ist für sämtliche Beschränkungen des Umgangsrechts das Familiengericht zuständig. Eine Umgangseinschränkung auf kurze oder längere Zeit ist jedoch nur zulässig, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist. Weiterhin kann das Gericht anordnen, dass der Umgang nur in Anwesenheit mitwirkungsbereiter Dritter stattfinden darf (§ 1684 Abs. 4 BGB), er kann auch mittels Androhung eines Zwangsgeldes (§ 33 Abs. 1 FGG) erzwungen werden.

Bei der Ausübung von Umgangsrechten und -pflichten kommt es vielfach zu Problemen. Die nun in § 18 Abs. 3 SGB VIII gesetzlich verankerte Beratungs- und Unterstützungspflicht der Jugendhilfe soll dazu beitragen, dass dem Kind wichtige emotionale und soziale Bindungen und Beziehungen erhalten bleiben und weiterentwickelt werden können. Für die Anbahnung und Ausgestaltung des Umgangs zwischen Kindern, Jugendlichen und den Umgangsberechtigten gilt als oberstes Ziel, Konflikte zu mindern, zu schlichten und entwicklungsfördernde Umgangskontakte zu schaffen. Der Wille des Kindes hat hierbei einen hohen Stellenwert.



§ 18  Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge

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(3) 1 Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts nach § 1684 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 2 Sie sollen darin unterstützt werden, daß die Personen, die nach Maßgabe der §§ 1684 und 1685 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Umgang mit ihnen berechtigt sind, von diesem Recht zu ihrem Wohl Gebrauch machen. 3 Eltern, andere Umgangsberechtigte sowie Personen, in deren Obhut sich das Kind befindet, haben Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts. 4 Bei der Befugnis, Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu verlangen, bei der Herstellung von Umgangskontakten und bei der Ausübung gerichtlicher oder vereinbarter Umgangsregelungen soll vermittelt und in geeigneten Fällen Hilfestellung geleistet werden.

....


 

2.  Der begleitete Umgang

Das Familiengericht kann nicht nur über den Umfang des Umgangs entscheiden und seine Ausübung gegenüber Dritten näher regeln, sondern auch anordnen, dass ein Umgang nur dann stattfinden darf, wenn ein "mitwirkungsbereiter Dritter" anwesend ist. Die personellen, organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen für diesen "Begleiteten Umgang" zu erbringen, ist grundsätzlich Aufgabe des Jugendamts. Bei seiner Aus- und Durchführung soll Jugendhilfe vermitteln und Hilfestellung leisten. Die Erwägung, Kosten des begleiteten Umgangs, der das Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens ist, als Verfahrenskosten in Betracht zu ziehen (LJA Rheinland-Pfalz, Kind-Prax 2001, S. 84), scheint nicht durchsetzbar zu sein (Das Jugendamt 2002, 2, S. 67 f.).

Grundsätzlich gibt es drei mögliche Konstellationen für einen begleiteten Umgang:

  1. Die Eltern sind sich außergerichtlich einig, dass der Kontakt eines Elternteils zum Kind vorübergehend durch eine dritte Person begleitet werden soll. Sinnvoll kann dies sein, wenn der Kontakt zwischen einem Elternteil und seinem Kind für eine längere Zeit unterbrochen war und nun neu angebahnt werden soll.
  2. Mit Unterstützung des Familienrichters einigen sich die Eltern auf eine Begleitung des Umgangs zwischen dem Elternteil und dem Kind.
  3. Als dritte Möglichkeit kommt der begleitete Umgang in Betracht, der aufgrund eines familiengerichtlichen Beschlusses angeordnet wird (§ 1684 Abs. 4 Sätze 3 und 4 BGB).

In der Praxis wird häufig (nur) zwischen einem "begleiteten" Umgang nach Punkt 1 und 2 unterschieden - hier handelt es sich um eine Leistung der Jugendhilfe nach § 18 Abs. 3 SGB VIII - und einem begleiteten Umgang nach Punkt 3 - hier handelt es sich um eine Leistung der Jugendhilfe aufgrund einer Anordnung des Familiengerichts nach § 1684 Abs. 4 Sätze 3 und 4 BGB. Sie unterscheiden sich jeweils auch in der Intensität der dafür notwendigen fachlichen Beratung und Unterstützung.

Der familiengerichtlich angeordnete "begleitete", auch häufig "beschützt" genannte Umgang erfolgt hauptsächlich in den Fällen, in denen das Kind vor dem Umgangsberechtigten geschützt werden muss, z. B. bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch oder Gefahr einer Kindesentziehung oder auch in Fällen, in denen es zu besonders schwer wiegenden Auseinandersetzungen zwischen den Eltern kommt.
Vor einer Anordnung des Familiengerichts zu einem begleiteten Umgang gemäß § 1684 Abs. 4 Sätze 3 und 4 BGB wird das Jugendamt stets gemäß § 49a FGG i. V. m. § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII gehört. Grundsätzlich sind die niedrigschwelligen Angebote der Jugendhilfe gegenüber einem richterlich angeordneten begleiteten Umgang vorrangig. Eltern sollten somit bei entsprechender Problematik möglichst früh auf die Beratungs- und Unterstützungsangebote der Jugendhilfe aufmerksam gemacht werden.  

3.  Praxiserfahrungen

Für die Jugendhilfe hat sich durch den begleiteten Umgang ein neues Aufgabenfeld eröffnet. Als zeit- und zielgerichtetes Konstrukt (also nicht als Dauerlösung) stellt er eine befristete Maßnahme dar, die stets im Kontext mit der jeweiligen Situation und im Rahmen weiterer Maßnahmen wie Beratung und anderer Hilfen gesehen werden sollte.

In den USA, in Kanada, Australien, Neuseeland, Frankreich und der Schweiz wird der begleitete Umgang schon länger angeboten als in der Bundesrepublik Deutschland.
Standards zum begleiteten Umgang werden derzeit im Staatsinstitut für Frühpädagogik entwickelt. Ein Zwischenbericht mit vorläufigen Standards, der u. a. ausführliche Fallkonstellationen für die Indikation eines begleiteten Umgangs aufzeigt, wurde im Mai 2001 vorgelegt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Gesundheit gefördert und endet am 30.9.2002. Unterschiedliche Konzepte und Empfehlungen zum begleiteten Umgang hingegen gibt es von verschiedenen Einrichtungen, so zum Beispiel vom Deutschen Kinderschutzbund und vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge, dem Bayerischen Landesjugendamt, dem Allgemeinen Sozialdienst der Stadt München, dem Münchner Familiennotruf oder der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien der Stadt Nürnberg.
Die Forschung über die Auswirkungen des begleiteten Umgangs auf die Kinder ist erst im Entstehen. Bisher gibt es nur deskriptive Studien mit vorläufigen Ergebnissen, die jedoch widersprüchlich sind.

Die Nachfrage nach Umgangsbegleitungen (ohne richterlichen Beschluss) nimmt deutlich zu. Vor allem Väter (auch nicht verheiratete) sind durch die neue Gesetzgebung ermutigt und sehen mehr Chancen, den Kontakt zu ihren Kindern – soweit er ihnen durch die Mütter verwehrt wird – zu suchen oder wieder aufzunehmen. Nicht selten wird begleiteter Umgang aber auch in Beziehungen gefordert als Kontrollorgan eines Elternteils gegenüber dem anderen. Eine missbräuchliche Anwendung des Rechtsinstituts oder seine Instrumentalisierung für prolongierte Partnerschaftskonflikte, die letztlich auf Kosten von Kindern und Jugendämtern gehen, ist hier nicht auszuschließen.

Um Informationen bezüglich der Jugendhilfeleistung "Begleiteter Umgang" an bayerischen Jugendämtern zu erhalten, wurden neben den Vorsitzenden der regionalen Arbeitsgemeinschaften 16 Jugendämter telefonisch befragt (Zeitpunkt der Befragung war Oktober/November 2001).
Es hat sich gezeigt, dass acht der befragten Jugendämter die Jugendhilfeleistung "Begleiteter Umgang" in Gänze auf freie Träger oder andere Institutionen übertragen haben. Sieben Jugendämter bieten selbst begleiteten Umgang an und führen ihn – sofern möglich – durch. Besonders strittige und zeitintensive Fälle werden an freie Träger oder andere Institutionen übertragen. Ein weiteres Jugendamt bietet zwar begleiteten Umgang an, hatte bislang jedoch noch keinen einzigen Fall.

Sämtliche Jugendämter, die den begleiteten Umgang komplett auf freie Träger übertragen haben, sind größere Jugendämter.
Als Hauptproblem in der Praxis (und meist war dies auch der Grund, warum die Aufgabe auf freie Träger oder andere Institutionen übertragen wurde) wurde die Arbeitsüberlastung der Fachkräfte genannt. Für die durchaus zeitaufwändige und arbeitsintensive Jugendhilfeleistung "Begleiteter Umgang" würde es an ausreichendem und entsprechend qualifiziertem Personal fehlen.
Beanstandet wurde auch, dass nur selten geeignete Räume mit kindgerechter Ausstattung angeboten werden könnten. Dies würde die Durchführung einer Umgangsbegleitung zusätzlich erschweren.
Ein weiteres Problem, das insbesondere die Organisation des begleiteten Umgangs am Jugendamt als schwierig gestaltet, ist die Tatsache, dass Umgangsbegleitungen häufig am Abend und an den Wochenenden stattfinden. Hier sind normalerweise die Diensträume geschlossen und für das Personal bedeutet dieser Einsatz zusätzliche Überstunden in den späten Abendstunden oder am Wochenende.

Die Übertragung der Aufgabe auf freie Träger oder andere Institutionen wird von den Jugendämtern sehr positiv gesehen. Denn insbesondere bei den vom Familiengericht angeordneten, teilweise sehr komplizierten und hoch strittigen Fällen fehle häufig die Bereitschaft der Eltern, mit dem Jugendamt zu kooperieren. Hier ist das Jugendamt bereits nach § 50 SGB VIII mit eingebunden, und eine neutrale andere Stelle würde von den Eltern leichter angenommen. Eine komplette Übertragung der Aufgabe auf freie Träger ist jedoch bei manchen Jugendämtern aufgrund fehlender Geldmittel nicht möglich. Grundsätzlich wird von allen Befragten die Bedeutung der Kooperation und genauen Abstimmung mit dem Familiengericht hervorgehoben.  

4.  Resümee und Perspektive

Neben der gemeinsamen elterlichen Sorge nach Trennung und Scheidung war das neu geregelte und erweiterte Umgangsrecht ein Kernstück des Kindschaftsrechtsreformgesetzes. Der "Begleitete Umgang" ist hierbei sowohl eine Maßnahme zur Anbahnung, Wiederherstellung und Förderung der Beziehung eines Kindes zu dem Elternteil, mit dem es nicht zusammenlebt, als auch eine Maßnahme zur Abwehr von Gefährdungen des Kindes.

Die telefonische Befragung zum "Begleiteten Umgang" erlaubt zwar nur einen kleinen Einblick in die bayerische Jugendamtspraxis, dennoch sind gewisse Tendenzen zu erkennen. Konzeptionell werden unterschiedliche Angebote vorgehalten (Jugendamt, freier Träger oder andere Institution), die dann je nach Fall (hinsichtlich der Schwierigkeit und der voraussichtlichen Zeitdauer) unterschiedlich in Anspruch genommen werden: Große Jugendämter delegieren die Aufgabe des begleiteten Umgangs vollständig an freie Träger oder andere Institutionen; kleinere Jugendämter führen weniger problematische Fälle im eigenen Amt durch (zum Teil wegen fehlender finanzieller Mittel), übertragen jedoch die besonders zeitaufwändigen, zum Teil höchst strittigen vom Familiengericht angeordneten Fälle (nach § 1684 Abs. 4 BGB) ebenfalls auf freie Träger oder andere Institutionen. Dort, wo begleiteter Umgang angeboten wird, liegen in der Regel Konzepte hinsichtlich der praktischen Umsetzung, zumindest aber amtsinterne Hinweise und Empfehlungen vor. Für die recht zeit-, personal- und kostenintensive Jugendhilfeleistung "Begleiteter Umgang" müssen zudem passende räumliche Bedingungen vorhanden sein.
Viele Fälle zum begleiteten Umgang (insbesondere die gerichtlich angeordneten) sind überdurchschnittlich schwierig und stellen an die Fachkräfte besondere Anforderungen, die über die üblichen beraterischen Fertigkeiten hinausgehen.

Meist sind es hoch strittige Konflikte zwischen den Eltern, die zu einem begleiteten Umgang führen. Die Eltern sind nicht in der Lage, ihre Probleme, die sie als Partner haben, von der Elternebene zu trennen. Ihre Unfähigkeit aufeinander zuzugehen, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten und die Bedürfnisse des Kindes von den eigenen zu unterscheiden, ist in der Regel Ursache und letztendlich Anlass für einen begleiteten Umgang. Kinder müssen im Kampf gegen den (einstigen) Partner für Unsicherheiten, Ängste und Rachegelüste der Eltern herhalten. Fachkräfte stehen hier vor der schwierigen Aufgabe, Kindern den Kontakt zu ihren teilweise hoch strittigen Eltern zu ermöglichen. Häufig besteht jedoch aufgrund der verhärteten Fronten wenig Zugang zu den Betroffenen. Damit Hilfe überhaupt angenommen wird, ist Überzeugungsarbeit notwendig. Eltern müssen im Aufzeigen ihrer elterlichen Erziehungsverantwortung beraten und unterstützt werden. Ohne Mitwirkungs- und Einsichtsbereitschaft der Betroffenen und intensiver Beratungsarbeit vermögen die Fachkräfte in den Jugendämtern jedoch diese Aufgabe nicht zu erfüllen.

Als letztes mögliches Mittel zur Verwirklichung von Umgangskontakten bleibt nur noch die gerichtliche Regelung. Doch auch das Gesetz mit seinen Rechten und Pflichten bietet nur begrenzte, zum Teil sogar unrealistische Lösungsmöglichkeiten. Angesprochen ist eine (womöglich dauerhafte) zwangsweise durchgesetzte Umgangsregelung für einen Elternteil. Was gewinnt ein Kind damit letztendlich? Auch die Mittel des Gerichts sind nur gering, wenn ein Kind den Umgang mit dem anderen Elternteil hartnäckig verweigert. Hier ist das Beteiligungsrecht des Kindes zu respektieren, sein Wille je nach Alter und Entwicklungsstand zu berücksichtigen und im Einzelfall zu bewerten.

Aus gutem Grunde wird vor einer Anordnung des Familiengerichts zu einem "begleiteten Umgang" gemäß § 1684 Abs. 4 Sätze 3 und 4 BGB das Jugendamt stets gemäß § 49a FGG i. V. m. § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII gehört. Es liegt in der Verantwortung der zuständigen Behörde, genau zu überprüfen, ob ein begleiteter Umgang die richtige und realisierbare Alternative ist. Es muss sehr kritisch fachlich entschieden werden, inwieweit das Recht eines Elternteils auf Umgang mit dem Kind tatsächlich zum Wohle des Kindes beiträgt. Das Recht des Kindes auf persönliche Sicherheit und insbesondere auf Schutz vor einer psychischen Mehrbelastung und emotionalen Überforderung muss vor dem Recht der Eltern auf Umgang vorrangig sein. Eine sorgfältige Abwägung zwischen dem Nutzen für das Kind und möglichen Risiken ist unabdingbar. So kann bei nachgewiesenem sexuellen Missbrauch auch ein beschützter Umgang keine Perspektive darstellen. Hier vermag ein Ausschluss des Umgangs zum Wohle des Kindes durchaus mehr ausrichten.

Als Jugendhilfeleistung kann und darf ein begleiteter Umgang nur ein kurzfristiges und zielgerichtetes Hilfsinstrument und eine vorübergehende Maßnahme (und keine Dauerlösung!) sein. In der Regel sollten sechs begleitete Umgangskontakte innerhalb eines Zeitrahmens von höchstens sechs Monaten ausreichen. Jahrelang dauerhaft begleiteter Umgang ist weder sinnvoll noch leistbar und auch vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Begleiteter Umgang muss stets in einen intensiven Beratungsprozess eingebunden sein. Als alleinige, isolierte Maßnahme mag ein begleiteter Umgang zwar einem Umgangsberechtigten zu seinem Recht verhelfen, aber dies auch nur auf kurze Zeit und ohne Nachhaltigkeit.

Wie erwähnt sind die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse zum begleiteten Umgang bezüglich der Auswirkungen auf die Kinder sowie der Erfolgsquote (insbesondere der langfristigen) bis jetzt dürftig. Von Interesse muss deshalb insbesondere die qualitative Erfassung der Jugendhilfeleistung "begleiteter Umgang" im Hinblick auf die Auswirkungen für die Kinder sein.
Eine Jugendhilfeleistung, die einen derart gravierenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte eines Kindes darstellen kann wie der begleitete Umgang, darf nicht nur im Hinblick auf seine praktische Umsetzung mit der Entwicklung von Standards, Richtlinien und Konzepten mit Bundesmitteln gefördert werden (IFP München) oder hinsichtlich der Ausgestaltung der Beratungsstelle, der Zufriedenheit der Klienten mit der Arbeit der Beratungsstelle bewertet werden (Evaluationsprojekt im Familiennotruf München). Über drei Jahre nach der Kindschaftsrechtsreform ist vor allem die Beantwortung folgender Fragen brisant und nötig: Wie effektiv ist der begleitete (insbesondere der gerichtlich angeordnete) Umgang langfristig tatsächlich? Welche positiven/negativen Auswirkungen hat er auf die Kinder? Was nützen Standards und Richtlinien oder das Ergebnis, dass die Beratungsstelle hervorragend arbeitet, aber die wissenschaftliche Untersuchung ergibt, dass Kinder durch den "begleiteten Umgang" zu sehr belastet werden, er ihnen mehr schadet als nützt und auch der Aufwand in keinerlei Verhältnis zum Nutzen steht? 

Gertraud Otto

Literatur:

  • Bayerisches Landesjugendamt (2001):
    Trennung und Scheidung. Arbeitshilfe für die Praxis der Jugendhilfe zu den Beratungs- und Mitwirkungsaufgaben gemäß §§ 17, 18 Abs. 3, 50 SGB VIII.
  • Münder, J. (1998):
    Frankfurter Lehr- und Praxiskommentar zum KJHG/SGB VIII. 3., völlig überarbeitete Auflage, Stand: 1.1.1999. Münster, Votum-Verlag.
  • Napp-Peters, A. (1995):
    Familie nach der Scheidung. München: Kunstmann.
  • Staatsinstitut für Frühpädagogik (2001):
    Vorläufige Standards zum begleiteten Umgang. München.

aus: Bayerisches Landesjugendamt Mitteilungsblatt 3/2002