Eltern-Kind-Initiativen und Erlaubnispflicht nach § 45 SGB VIII

Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses vom 24.01.1996

Vorbemerkung

Ausgangslage für die Klärung dieser Frage war das Inkrafttreten des KJHG. War bis dahin unstrittig, dass Eltern-Kinder-Initiativen als selbstorganisierte Formen der Kinderbetreuung nach dem JWG nicht einer förmlichen Erlaubnis bedürfen, so war nunmehr unklar, ob nicht auch Elterngruppen für ihre Initiativen die Erteilung einer Betriebserlaubnis gemäß § 45 SGB VIII zu beantragen hätten. Der Unterausschuss "Grundsatzfragen und Querschnittsaufgaben" erörterte in diesem Zusammenhang auch das von Prof. Dr. Peter Mrozynski im Auftrag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes - Bezirksverband Oberbayern - erstellte Rechtsgutachten "Der Begriff der Einrichtung im Kinder- und Jugendhilferecht" (vgl. ZfJ 4/1994, S. 145 - 192).

In dem Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses geht es ausschließlich

  • um Eltern-Kind-Initiativen und
  • um die Frage nach dem Einrichtungsbegriff und die damit zusammenhängende Erlaubnispflicht.

Die Unterstützung und Förderung derartiger Initiativen und Selbsthilfeeinrichtungen erfolgt auf der Grundlage des § 25 SGB VIII. Deren Beratung, Unterstützung und Förderung ist rechtlich gewollt und wird in vielfältiger Form durch kommunale und staatliche Mittel sichergestellt.

Beschluss

1. Der Landesjugendhilfeausschuss geht davon aus, dass bei Vorliegen insbesondere folgender Voraussetzungen bei einer Eltern-Kind-Initiative der erste Anschein für eine Einrichtung gemäß § 45 SGB VIII spricht:

  • organisatorische Verknüpfung personeller und sächlicher Mittel,
  • Orts- bzw. Gebäudebezogenheit,
  • gewissen Dauer und Regelmäßigkeit der Betreuung,
  • Verantwortung eines Trägers (z. B. eingetragener Verein),
  • Anstellung von Fachkräften,
  • wechselnder Personenkreis der zu Betreuenden.

Dieser "erste Anschein" kann durch die Feststellung beseitigt werden, dass die Eltern der Kinder (als Personensorgeberechtigte) allein die Verantwortung für das pädagogische Geschehen behalten. Erfüllt die Initiative die folgenden Kriterien, liegt keine Einrichtung nach § 45 SGB VIII vor:

  • Eltern sind verantwortlich für die Erstellung, Umsetzung und Weiterentwicklung der pädagogischen Konzeption.
  • Eltern entscheiden verbindlich über die Einstellung der Fachkräfte.
  • Die Eltern aller in der Initiative betreuten Kinder sind Mitglieder des Vereins.
  • Eltern bestimmen Gruppengröße, Öffnungszeit, Altersstruktur, Ferienregelung.
  • Eltern leisten Dienst in Form von Urlaubsvertretung, Krankheitsvertretung; sie betreuen die Kinder bei Ausflügen mit.
  • Es finden regelmäßige Elternabende statt (ca. 10 mal im Jahr).
  • Eltern nehmen aktiv Einfluss auf den Erziehungsalltag, z. B. durch den gemeinsamen Kauf von Spielzeug und Beschäftigungsmaterialien, durch die gemeinsame Renovierung der Räume, Gewährleistung der Verkehrssicherheit, durch Bestimmung des Speiseplans, Planung von Ausflügen usw.

2. Regierung und Jugendamt wirken bei der Erteilung der Betriebserlaubnis zusammen (Art. 32, 35 BayKJHG), die Entscheidungsbefugnis liegt bei der Regierung. Um den Antragsstellern zu ersparen, sich in derselben Angelegenheit mit zwei verschiedenen Behörden auseinandersetzen zu müssen, und um die knapper werden personellen Ressourcen effektiv einzusetzen, sollte wie folgt verfahren werden:

  • Das zuständige Jugendamt entscheidet auf der Basis der unter Ziff. 1 entwickelten Kriterien, ob es sich um eine Einrichtung im Sinne von § 45 SGB VIII handelt oder nicht.
  • Für Eltern-Kind-Initiativen, die als Einrichtung zu beweisen sind, verständigen sich Regierungen und Jugendamt gemeinsam auf einen Kriterienkatalog als fachlichen Maßstab für die Erteilung der Betriebserlaubnis.
  • Auf dieser Basis bildet die Prüfung der Initiative durch das Jugendamt im Rahmen zum Beispiel der Zuschussgewährung als positive wie negative Feststellung die maßgebliche Grundlage für die Entscheidung. Die Regierung dieser Beurteilung anschließen und die Betriebserlaubnis erteilt.