Arbeits- und Orientie­rungs­hilfe für den Bereich der Amts­vormundschaften und Amts­pfleg­schaften

Beschluss der 97. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 10. - 12. November 2004 in Erfurt

1. Das Wesen der Vormundschaft

1.1 Die Elternrolle des Vormundes

"Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft" (Art.6 Abs.2 GG, § 1 Abs.1 SGB VIII).
Wenn die Eltern dieser Pflicht nicht oder nicht zum Wohle der Kinder nachkommen, muss der Staat den Schutz der Kinder gewährleisten. Dem hat der Gesetzgeber mit Einführung der Vormundschaft in unsere Rechtsordnung Rechnung getragen.
"Ein Minderjähriger erhält einen Vormund, wenn er nicht unter elterlicher Sorge steht oder wenn die Eltern weder in den die Person noch in den das Vermögen betreffenden Angelegenheiten zur Vertretung des Minderjährigen berechtigt sind" (§ 1773 Abs.1 BGB).
Die Vormundschaft ist dem Elternrecht nachgebildet und orientiert sich an deren Inhalten.
Die Aufgaben des Vormundes umfassen die gesamte Bandbreite der elterlichen Sorge. Der Vormund übt die gesetzliche Vertretung des Mündels aus und nimmt dessen Interessen wahr. Er ist als gesetzlicher Vertreter des Kindes oder Jugendlichen Empfänger einer Hilfe zur Erziehung und Beteiligter am Hilfeplanverfahren nach § 36 SGB VIII. Er übt das Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 SGB VIII aus. Der Vormund ist ausschließlich dem Wohl des Mündels verpflichtet. Es ist unerlässlich, dem Mündel eine qualifizierte, erfahrene Person als Vormund oder Pfleger zur Verfügung zu stellen.
Es lassen sich zwei grundlegende Typen der "stellvertretenden" Sorge unterscheiden:

  • die Vormundschaft als umfassend wirkende Maßnahme (Elternersatzfunktion),
  • die Pflegschaft als ergänzende und/oder punktuell wirkende Maßnahme.

Die wesentlichen Rechtsgrundlagen finden sich in den §§ 1173 - 1895 BGB.

1.2 Formen und Wirkungsbereiche der Vormundschaft

Formen der Vormundschaft

Das BGB (§§ 1773 ff.) und die Bestimmungen des SGB VIII (§§ 53 ff.) sehen drei Formen der Vormundschaft vor:

  • die Einzelvormundschaft (Bestellung einer natürlichen Person)
  • die Vereinsvormundschaft (Bestellung eines rechtsfähigen Vereins)
  • die Amtsvormundschaft (Bestellung des Jugendamts)

Der Gesetzgeber hat die Einzelvormundschaft favorisiert. Es ist allerdings schwierig, für die anspruchsvollen Aufgabengebiete der Vormundschaft und Pflegschaft geeignete Einzelpersonen zu finden. Deshalb kann, wenn keine geeignete Person zur Verfügung steht, auch ein anerkannter Verein zum Vereinsvormund oder das Jugendamt zum Amtsvormund bestellt werden.
In der Praxis steht der Einzelvormundschaft und der Vereinsvormundschaft ein erhebliches Übergewicht an Amtsvormundschaften gegenüber.
Deshalb muss auch neben der Führung von Vormundschaften/Pflegschaften durch das Jugendamt die Gewinnung, Beratung und Unterstützung von Einzelvormündern als Pflichtaufgabe des Jugendamts nach § 53 SGB VIII in den Blickpunkt zukünftiger Aktivitäten gerückt werden. Hierzu ist es in erster Linie erforderlich, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu intensivieren. In diesem Zusammenhang sollte eine klare Aufgabenzuweisung im Jugendamt vorgenommen werden.

Art des Zustandekommens der Vormundschaft

Weiteres Differenzierungskriterium ist die Art des Zustandekommens der Vormundschaft/Pflegschaft:

Vormundschaft kraft Gesetzes

  • Ruhen der elterlichen Sorge bei rechtlichem Hindernis, z. B. Kind einer nicht verheirateten minderjährigen Mutter (§§ 1673 Abs.1, 1791c Abs.1 BGB);
  • Ruhen der elterlichen Sorge mit Einwilligung zur Adoption (§ 1751 Abs.1 BGB).

Vormundschaft kraft richterlicher Anordnung

  • Ruhen der elterlichen Sorge bei tatsächlichem Hindernis, z. B. unbekannter Aufenthalt, Inhaftierung (§§ 1674, 1773 BGB);
  • Tod des sorgeberechtigten Elternteils oder der sorgeberechtigten Eltern (§ 1773 Abs.1 BGB);
  • Entzug der elterlichen Sorge bei Gefährdung des Kindeswohls (§ 1666 BGB);
  • Familienstand des Kindes oder Jugendlichen ist nicht zu ermitteln (§ 1773 Abs.2 BGB);

Pflegschaft kraft richterlicher Anordnung

  • Ein Pfleger wird bei tatsächlicher oder rechtlicher Verhinderung der Eltern oder des Vormundes für einzelne Angelegenheiten der elterlichen Sorge (Vertretungseinschränkungen gemäß §§ 1629 Abs.2, 1795, 1796 BGB wegen Interessenkollision) und nach Entzug einzelner Teile des Sorgerechts gemäß §§ 1666 und 1667 BGB bestellt.
  • Das Jugendamt wird nur bestellt, wenn kein Einzelpfleger vorhanden ist.

Wirkungsbereiche der Vormundschaft

Aufenthalt

  • Bestimmung von Wohnort und Wohnung (z. B. Abschluss von Mietverträgen);
  • Unterbringung bei Pflegepersonen oder Verwandten, in Einrichtungen der Jugendhilfe etc.;
  • Wahrnehmung der Meldepflichten (An-, Um- und Abmeldung beim Einwohnermeldeamt);
  • Beantragung von Ausweisen.

Absicherung der notwendigen medizinischen Betreuung

  • Verantwortung für die Gesundheit;
  • Sorge für die notwendige medizinische Betreuung;
  • regelmäßige Gesundheitsvorsorge;
  • Zustimmung zu Operationen, Impfungen, Bluttransfusionen usw.;
  • Veranlassung notwendiger medizinischer Untersuchungen;
  • Beantragung medizinischer Hilfsmittel.

Schule und Ausbildung

  • Entscheidungsfindung zum Schul- und Berufsweg;
  • Wahl des Kindergartens und der Schule;
  • Begleitung des Kindes im Schul- und Bildungsweg durch Kontakte zu Lehrern und Ausbildern und Wahrnehmung von Elternsprechtagen o. Ä.;
  • Auswahl von Ausbildungsstellen und Abschluss von Ausbildungsverträgen.

Erziehung, Weltanschauung und Religion

  • Bestimmung der Erziehungsziele; Beaufsichtigung der Erziehung;
  • Antragstellung auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung (hierzu reicht das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht aus);
  • Wahrnehmung des Wunsch- und Wahlrechts gem. § 5 SGB VIII;
  • Beteiligung am Hilfeplanverfahren als Personensorgeberechtigter gem. § 36
    SGB VIII;
  • Beachtung des Selbstbestimmungsrechts des Mündels;
  • Einwilligung zur Taufe, Kommunion, Konfirmation und Firmung sowie Jugendweihe.

Status und Name

  • Klärung der Vaterschaft durch Zustimmung zur Anerkennung gem. § 1595 Abs.2 BGB oder Vertretung des Mündels im gerichtlichen Anfechtungs- oder Feststellungsverfahren nach §§ 1600, 1600e BGB;
  • Mitwirkung im Adoptionsverfahren durch Einwilligung zur Adoption gem. § 1746 BGB bzw. Antragstellung auf Ersetzung der Einwilligung der Eltern gem. § 1748 BGB;
  • Vertretung bei der Namensänderung gem. §§ 1616 ff., 1757 BGB.

Unterhalt

  • Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen einschließlich der Vertretung des Mündels im gerichtlichen Unterhaltsverfahren, außer bei stationären Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII (s. §§ 91 ff. SGB VIII).

Vermögenssorge

  • Anlegen eines Vermögensverzeichnisses;
  • Anlage und Verwaltung des Mündelvermögens; V
  • ersicherung, z. B. durch Abschluss von Versicherungsverträgen;
  • Versorgung, z. B. durch Geltendmachen von Rentenansprüchen;
  • Beantragung von Sozialleistungen;
  • Regelung von Erbschaftsangelegenheiten.

Sonstige

  • Vertretung bei Rechtsgeschäften;
  • Teilnahme an Strafverfahren als gesetzlicher Vertreter des Mündels.

 

2. Die Führung der Vormundschaft

2.1 Organisatorische Anbindung des Vormundes

Die Führung der Amtsvormundschaft/-pflegschaft gehört zu den Pflichtaufgaben des Jugendamtes. Nach § 55 Abs.2 Satz 1 SGB VIII überträgt das Jugendamt die Ausübung der Aufgaben des Vormundes einzelnen Mitarbeitern/-innen. Hierdurch werden die persönliche Aufgabenwahrnehmung durch eine Person und die Vermeidung von Interessenskonflikten sicher gestellt. Das Mitwirkungsverbot gem. § 16 Abs.1 SGB X ist zu beachten (s. auch Ziff. 5.1.1).
Den Mitarbeitern/-innen des Jugendamtes, die Amtsvormundschaften/-pflegschaften führen, sollten keine weiteren Aufgaben zugewiesen werden, die zu Interessenskonflikten führen können.

2.2 Unabhängigkeit des Vormundes bei der Interessenwahrnehmung

Der Vormund erhält mit der Übertragung das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Kindes oder Jugendlichen zu sorgen. Dabei ist er privatrechtlich tätig und in der Ausübung seines Amtes unabhängig. Er hat sich in allen Entscheidungen allein vom Interesse des Mündels leiten zu lassen.
Die zur Führung der Vormundschaft bestellte Person untersteht der Fachaufsicht des Vormundschaftsgerichts (§ 1837 BGB) und der Dienstaufsicht und Richtlinienkompetenz des Dienstherrn (Jugendamtsleitung). Die Grenzen der Dienstaufsicht ergeben sich aus § 55 Abs.2 Satz 3 SGB VIII.
Vorgesetzte sind nur dann befugt, dem Vormund im Einzelfall Weisungen zu erteilen, wenn diese zur Vermeidung rechtswidrigen Handelns oder eines unmittelbar bevorstehenden Schadens erforderlich sind. Der Vormund ist berechtigt, die Interessen des Mündels gegen abweichende Auffassungen sozialer Dienste des Jugendamtes durchzusetzen.
Der Vormund vertritt sein Mündel in eigener Verantwortung und ist in seinem Beurteilungsspielraum für Entscheidungen nur dem Kindeswohl und der Einhaltung rechtlicher Vorgaben verpflichtet.

2.3 Haftung des Vormundes

Führt der Vormund seine Geschäfte unsachgemäß und tritt dadurch ein Schaden ein, löst dies Schadensersatzpflichten aus. Die Haftungsansprüche richten sich gegen die Behörde (Jugendamt).
Bei Pflichtverletzungen gegenüber dem Minderjährigen kommen als Anspruchsgrundlagen sowohl Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG als auch Staatshaftungsansprüche nach § 1 Abs.1 StHG sowie Ansprüche nach den für die Haftung des Vormundes geltenden Bestimmungen des § 1833 BGB in Betracht.
Wird durch die Pflichtverletzung ein Schaden Dritter ausgelöst, kommt ein reiner Amtshaftungsanspruch in Frage. Bei grob fahrlässigem Verhalten oder Vorsatz kann die Behörde auf den einzelnen Mitarbeiter oder die einzelne Mitarbeiterin zurückgreifen.
Schadensersatzansprüche aufgrund einer Aufsichtspflichtverletzung nach § 832 BGB können sich nur in den Fällen ergeben, in denen der Vormund selber Aufsichtspflichten übernommen hat.
Das Jugendamt hat nach § 56 Abs.4 SGB VIII in der Regel jährlich zu prüfen, ob eine Entlassung angezeigt ist.

 

3. Die Qualifikation des Vormundes

3.1 Fachkräftegebot

Die öffentlichen Träger der Jugendhilfe bestimmen im Rahmen ihrer Organisationshoheit die personelle Ausstattung der Jugendämter. Sie beschäftigen hauptberuflich Personen, die eine für diese Aufgaben entsprechende Ausbildung haben (Fachkräfte), sich für die jeweilige Aufgabe nach ihrer Persönlichkeit eignen oder auf Grund besonderer Erfahrungen in der sozialen Arbeit in der Lage sind, die Aufgaben zu erfüllen (§ 72 SGB VIII) .

3.2 Qualifikation

Es bieten sich drei Professionen an, deren Abschlüsse u. a. als berufliche Mindestqualifikation des Vormundes Voraussetzung sein können:

  • Diplom-Verwaltungswirt/Verwaltungsfachwirt,
  • Sozialarbeiter/Sozialpädagoge und
  • Rechtspfleger.

Zur Führung von Amtsvormundschaften und -pflegschaften sind Rechtskenntnisse in folgenden Rechtsbereichen erforderlich:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),
  • Sozialgesetzbuch (insbesondere in den Büchern I, II, XII, VIII und X),
  • Gesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG),
  • Zivilprozessordnung (ZPO),
  • Verwaltungsrecht,
  • Ausländerrecht.

Erforderlich ist ferner die Kenntnis von Organisationsabläufen (insbesondere in Jugendämtern, Familien- und Vormundschaftsgerichten). Die zur Führung der Vormundschaft bestellte Person muss außerdem als Vertreter der Privatinteressen des Mündels sozialpädagogische Kenntnisse besitzen.
Neben pädagogischem, psychologischem und soziologischem Grundwissen über die Entwicklung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Mädchen und Jungen, insbesondere zu der Frage, auf welche Weise Fähigkeiten, Stärken, Begabungen und Interessen von Kindern und Jugendlichen erkannt und gefördert werden können, sollten Kenntnisse u. a. in folgenden Bereichen vorhanden sein:

  • Kommunikationspsychologie,
  • Gesprächsführung,
  • Trennungs- und Verlusterlebnisse,
  • sexueller Missbrauch,
  • Vernachlässigung,
  • Misshandlung,
  • Schule,
  • Berufsausbildung,
  • ambulante und stationäre erzieherische sowie therapeutische Hilfen für Kinder und Jugendliche.

3.3 Fortbildung und Supervision

Es wird vorausgesetzt, dass der Vormund Zusatzaus- und -fortbildungen auf den Gebieten, die nicht seiner Qualifikation entsprechen, absolviert. Er soll zur ständigen Fort- und Weiterbildung sowie zur Supervision bereit sein.  Dieser Anspruch begründet auf der Seite des Jugendamtes die Verpflichtung, den Fachkräften regelmäßig eine angemessene berufsbegleitende Fortbildung zu ermöglichen. Angesichts der Aufgabenvielfalt und häufiger Konfliktsituationen gehören hierzu multiprofessionelle Fachberatung, Supervision und regelmäßige Fortbildung.

3.4. Kompetenzen des Vormundes

Berufliche Fähigkeiten

Der Vormund benötigt differenzierte Fähigkeiten in der Beziehungsgestaltung mit den Kindern und Jugendlichen, aber auch in den Kontakten und der Zusammenarbeit mit Behörden, Gerichten und anderen Dritten. Sein berufliches Handeln sollte sich nach folgenden Kriterien ausrichten:

 

 Grundsatz

  • Verhandlungsgeschick,
  • transparentes Handeln,
  • alleinverantwortlich Entscheidungen treffen,
  • konfliktfreie Abgrenzung,
  • aufeinander abgestimmtes Handeln,
  • selbstkritische Auseinandersetzung und Reflexion der beruflichen Rolle.  

Zielgruppe Kind/Jugendlicher:

  • Sensibilität und Wertschätzung,
  • verbale, nonverbale und spielerische Kommunikationsfähigkeit,
  • aktives Zuhören, im Gespräch nicht nur die sachliche, sondern auch die gefühlsmäßige Ebene der Beteiligten wahrnehmen,
  • Kreativität bei der Gestaltung von Kontakten.

Zielgruppe Eltern, Pflegepersonen:

  • transparente Vermittlung rechtlicher Bestimmungen gegenüber Eltern und Unterstützung bei Konfliktbewältigung,
  • Motivation.

Zielgruppe Vormundschaftsgerichte, behördliche Einrichtungen:

  • rechtlich fundiertes, prägnantes, aber auch partnerschaftliches Auftreten.

Persönliche Grundeinstellung

Neben den genannten fachlichen Anforderungen müssen Vormünder auch mit ihrer eigenen Person durch eine entsprechende Grundeinstellung und persönliche Lebenserfahrung die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben gewährleisten. Dazu gehören insbesondere:

  • Kooperationsbereitschaft,
  • Flexibilität,
  • physische und psychische Belastbarkeit,
  • Verantwortungsbereitschaft,
  • Respekt vor der Person des Kindes,
  • Selbstverständnis als Interessenvertreter des Kindes,
  • entsprechendes und glaubwürdiges (kongruentes) Verhalten.

 

4. Die Handlungsgrundsätze des Vormundes

Der Vormund muss bei seiner Arbeit immer Partei für das Kind oder den Jugendlichen sein. Dazu ist es zwingend erforderlich, die Lebenssituation, die Interessen und Bedürfnisse des Kindes oder Jugendlichen zu kennen. Sie bilden die Grundlage des fachlichen Handelns.  Zudem sind folgende Grundsätze zu benennen:

  • Der Vormund handelt im Interesse des Mündels.
  • Der Vormund muss den Anspruch des Mündels auf Vertrauensschutz sichern.
  • Der Vormund wahrt die dem Kind gesetzlich eingeräumten Rechte.
  • Der Vormund achtet darauf, dass andere Beteiligte die Grundrechte des Kindes nicht verletzen.
  • Der Vormund bezieht das Mündel aktiv in seine Zielfindungs- und Entscheidungsprozesse ein.
  • Der Vormund kennt die Interessen und Wünsche des Kindes. Der Vormund prüft, ob der Wille mit dem Wohl des Mündels vereinbar ist.
  • Ein Wechsel in der Person des Vormundes orientiert sich ausschließlich am Wohl des Mündels.
  • Der Vormund beschafft sich notwendige Kenntnisse über das Mündel und dessen soziale und materiell-rechtliche Lage.
  • Der Vormund erörtert die Bedarfssituation des Mündels mit beteiligten Personen und Stellen.
  • Der Vormund pflegt regelmäßige Kontakte zum Mündel.
  • Die Intensität der Beziehungen wird nach der individuellen Situation des Mündels ausgerichtet.
  • Der Vormund achtet sein Mündel und bringt ihm Wertschätzung entgegen.
  • Der Vormund stellt sich seinem Mündel persönlich vor und wählt eine dem Alter und dem Entwicklungsstand des Mündels entsprechende Gesprächs- und Kommunikationsform.
  • Bei Verständigungs- und/oder Sprachproblemen bezieht der Vormund eine aus seiner Sicht geeignete Vertrauensperson ein.

4.1 Beteiligung des vertretenen Kindes oder Jugendlichen

Rechtsgrundlagen für die Beteiligung

Die Verpflichtung des Vormundes zur Beteiligung des vertretenen Kindes oder Jugendlichen ergibt sich aus:

  • den multinationalen Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention zum Schutz der Rechte von Kindern (Artikel 12);
  • dem Grundrechtekatalog des Grundgesetzes (Art. 2: Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit; Art. 3: Gleichheitsgrundsatz; Art. 5: Recht auf Meinungsfreiheit);
  • dem Bürgerlichen Gesetzbuch, das in Fragen der elterlichen Sorge die Beteiligung des Kindes oder Jugendlichen entsprechend seinem individuellen Entwicklungsstand verlangt (§ 1626 Abs. 2 BGB);
  • den Regelungen des SGB VIII:
    • § 5 SGB VIII steht den Klienten der Kinder- und Jugendhilfe ein grundsätzliches Wunsch- und Wahrecht zu "zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern". Der Vormund hat das Wunsch- und Wahlrecht in Übereinstimmung mit den Interessen des Kindes wahrzunehmen.
    • Nach § 8 Abs. 1 SGB VIII sind Kinder und Jugendliche "entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen.
    • § 8 Abs. 2 SGB VIII verpflichtet die Jugendämter und damit den Vormund, das Mündel auf seine "Rechte im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren vor dem Familiengericht, dem Vormundschaftsgericht und dem Verwaltungsgericht hinzuweisen".
    • §  9 Nr. 2 SGB VIII verpflichtet neben der auch in § 1626 Abs. 2 BGB beschriebenen Pflicht, bei der Pflege und Erziehung "die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln" zu berücksichtigen, "die jeweiligen besonderen sozialen und kulturellen Bedürfnisse und Eigenarten junger Menschen und ihrer Familien" im Auge zu behalten.
    • § 36 SGB VIII regelt die Beteiligung des Mündels bei der Gewährung von Hilfe zur Erziehung. Sowohl das Kind oder der Jugendliche als auch der Vormund sind vor Inanspruchnahme oder einer beabsichtigten Änderung der Hilfe zu beraten und über mögliche Folgen für die Entwicklung des Mündels hinzuweisen. Außerdem wird die Mitwirkung des Vormundes sowie des Mündels an der Aufstellung des Hilfeplanes vorgeschrieben.

Ziel der Beteiligung

Mit dem Mündel ist die am besten geeignete Hilfe/Perspektive zu finden. Ihm ist jede Unterstützung zu geben, die seine persönliche Entwicklung fördert (§ 1 SGB VIII).

Dazu ist anzustreben:

  • Akzeptanz beim Kind/Jugendlichen (Þ positive Beziehung).

Ein beteiligtes Mündel fühlt sich ernst genommen und gleichberechtigt behandelt. Eine solche Akzeptanz wirkt sich nachhaltig positiv auf die Beziehung zwischen Vormund und Mündel und dessen Entwicklung aus.  

  • Wissen über Wünsche und Vorstellungen des Mündels (Þ gemeinsame Plattform).

Nur durch die entsprechende Beteiligung lässt sich die Perspektive des Kindes oder Jugendlichen entdecken. So können Widerstände verstanden und Vorstellungen des Vormundes von denen des Mündels unterschieden werden. Das bietet dem Vormund die Chance, seine Rolle und seine eigenen Wertvorstellungen zu hinterfragen.

  • Identifikation mit der Hilfe (Þ größerer Erfolg).

Ein beteiligtes Kind oder ein beteiligter Jugendlicher, dessen Vorstellungen und Wünsche berücksichtigt worden sind, wird Hilfen und Entscheidungen
eher akzeptieren und mittragen.

  • verbesserte "Passform" der Hilfe (Þ Steigerung der Effizienz).

Wenn das Mündel seine eigenen Bedürfnisse und die beteiligten Fachkräfte den erzieherischen Bedarf formulieren können, wird das Ergebnis des Aushandlungsprozesses der Lebenswirklichkeit des Mündels gerechter.

Formen der Beteiligung

Beteiligung ist die Möglichkeit des Mündels, sich mit seinen Rechten und Problemen Gehör zu verschaffen, Meinungen und Wünsche zu Planungs- und Entscheidungsprozessen äußern und im Sinne von Mitbestimmung und Selbstbestimmung etwas bewirken zu können.
Jedes Kind und jeder Jugendliche ist entsprechend seinem Entwicklungsstand zu beteiligen. Vom Mündel gewünschte Personen sind grundsätzlich einzubeziehen. Das Kind oder der Jugendliche ist bei allen seine Person betreffenden Fragen und Entscheidungen frühest möglich zu informieren.
Beteiligung findet in der Regel durch Gespräche statt. Diese können im persönlichen Lebensumfeld des Mündels, im Jugendamt oder bei gemeinsamen Freizeitunternehmungen geführt werden. Grundsätzlich soll ein persönlicher Austausch vor dem Hilfeplangespräch erfolgen. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten zur Beteiligung sind verschiedene Kommunikationsformen, wie z. B. regelmäßige schriftliche oder mündliche Befragungen in altersgemäßer Formulierung, Briefe schreiben, Telefonate führen, Spielen und Zeichnen. Darüber hinaus sind auch Beteiligungsformen in Gruppen, wie Seminare oder Ähnliches möglich.
Ein Kind oder Jugendlicher hat regelmäßig sehr konkrete Vorstellungen von und Wünsche an seinen Vormund, die es/er in Bezug auf das Jugendamt auch formulieren kann. Mit Mündeln sollten deswegen Zukunftswerkstätten veranstaltet werden, in denen Mädchen und Jungen in einer Kritikphase (‚Was finde ich an meinem Vormund gut und was nicht so gut?‘), einer Phantasiephase (‚Wie wünsche ich mir meinen Vormund?‘) und einer Phase der Verbesserungsvorschläge (‚Was sollte der Vormund oder das Jugendamt besser machen?‘) ihre Vorstellungen und Wünsche auch artikulieren können.
Die Beteiligung des Mündels setzt zwingend voraus, dass es "seinen" Vormund persönlich kennt und erlebt. Es sollte ein Vertrauensverhältnis zwischen Mündel und Vormund bestehen. Nur so kann sich das Kind oder der Jugendliche ernst genommen fühlen und an Entscheidungen mitwirken. Vom Vormund verlangt dies eine entsprechende Grundeinstellung und ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und  Kommunikationsfähigkeit. Kontinuierliche Kontakte zum Mündel mehrfach im Jahr sind die Mindestanforderung.

4.2 Zusammenarbeit mit beteiligten Dritten

Eltern

Der Vormund sollte die Eltern des Kindes nach Möglichkeit kennen. Die Regelungen des § 1684 BGB (Umgang des Kindes mit den Eltern) und des § 1686 BGB (Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes) müssen beachtet werden. Die Eltern sind über Aufgaben und Funktion des Vormundes aufzuklären. Unter Berücksichtigung des Kindeswohls und einer evtl. Rückführungsperspektive soll der Vormund die Eltern beteiligen.

Vormundschaftsgericht

Der Vormund untersteht der Fachaufsicht des Vormundschaftsgerichtes. Das Vormundschaftsgericht bestellt nach § 1791b Abs. 2 BGB das Jugendamt zum Vormund. Die Fachaufsicht des Vormundschaftsgerichts ist auf die Wahrung der Rechtmäßigkeit und das Einschreiten durch geeignete Ge- und Verbote bei Pflichtwidrigkeit beschränkt. Gemäß § 1840 Abs. 1 BGB muss der Vormund mindestens einmal jährlich dem Vormundschaftsgericht über die persönlichen Verhältnisse seines Mündels berichten.
Nach § 87c Abs.3 SGB VIII hat der Vormund einen Entlassungsantrag zu stellen, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen ändert. Hier ist zu beachten, dass die personelle Kontinuität des Vormundes einen hohen Stellenwert hat. Soweit eine persönliche Beziehung zwischen Mündel und Vormund besteht und diese für das Mündel aufgrund seines Entwicklungsstandes und Alters wichtig und richtig erscheint, soll eine Vormundschaft trotz Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts nach Möglichkeit vom bisherigen Vormund fortgeführt werden. Dies sollte dem Vormundschaftsgericht als Grundlage für dessen Entscheidung nachvollziehbar mitgeteilt werden.

Soziale Dienste

  • Der Vormund ist so wie die sorgeberechtigten Eltern zu behandeln und hat Anspruch auf Hilfen zur Erziehung nach § 27 ff. SGB VIII.
  • Der Vormund ist vor der Entscheidung über die geeignete Hilfeform bzw. vor einer notwendigen Änderung von Art und Umfang der Hilfe zu beraten und auf die möglichen Folgen für die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen hinzuweisen (§ 36 Abs.1 SGB VIII).
  • Der nach § 36 SGB VIII vorgeschriebene Hilfeplan wird vom Sozialdienst des Jugendamtes unter Beteiligung des Mündels und seines Vormundes erstellt.
  • Die Kooperation zwischen Vormund und Sozialen Diensten soll auf örtlicher Ebene einzelfallübergreifend verbindlich geregelt werden (Kooperationsvereinbarung).

Wirtschaftliche Jugendhilfe

Bei stationären Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII werden im Rahmen der Kostenheranziehung nach §§ 91 ff. SGB VIII Ansprüche des Mündels, z. B. Unterhalt, Waisenrente, OEG - Leistungen, Berufs- und Ausbildungsbeihilfe oder BaföG, durch die Wirtschaftliche Jugendhilfe verfolgt und geltend gemacht.

Adoptionsvermittlungsstelle

Das Jugendamt wird gem. § 1751 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes Vormund sobald die Eltern oder ein Elternteil gem. §§ 1747, 1748 BGB in die Adoption ihres Kindes eingewilligt haben; dieses gilt auch bei Ersetzung der elterlichen Einwilligung. Die Adoptionsvermittlungsstelle betreibt das Adoptionsverfahren nach den Regeln des Adoptionsvermittlungsgesetzes (AdVermiG). Fachkräften einer Adoptionsvermittlungsstelle sollte die Wahrnehmung der Aufgabe der zur Führung der Vormundschaft bestellten Person gem. § 55 Abs.2 SGB VIII zum Ausschluss von Interessenskonflikten nicht übertragen werden.

Sonstige

Um das Mündel angemessen vertreten und in seinem Sinne entscheiden zu können, soll der Vormund sämtliche Personen kennen, die aktiv an der Erziehung des Kindes oder Jugendlichen beteiligt sind. Dazu gehören insbesondere die Pflegeeltern, Mitarbeiter/innen von Einrichtungen der Jugendhilfe und Kindergärten, Lehrer/innen, Ausbilder/innen usw.

 

5. Die Qualität in der Aufgabenwahrnehmung der Vormünder

Um Qualität und Qualitätskriterien in der Aufgabenwahrnehmung der Vormünder entwickeln zu können ist es notwendig, sich mit deren beruflichen Vorstellungen und beruflicher Praxis auseinander zu setzen.
Verbesserung von Qualität ist eng verbunden mit den Möglichkeiten der Vormünder zum fachlichen Austausch über das Thema. Es ist notwendig, die komplexen Probleme im Berufsalltag der Vormünder in kontinuierlich stattfindenden fachlichen Aushandlungsprozessen zu reflektieren. Dabei muss die Perspektive der Kinder und Jugendlichen eine wichtige Orientierung bleiben. Wird dementsprechend ein professionelles Selbstverständnis zu Grunde gelegt, in dem die Mündelperspektive bzw. der auf Vertrauen aufbauende Kontakt zum Mündel Handlungsbasis ist, besitzt das professionelle Handeln dann Qualität,

  • wenn sensibel und respektvoll mit Kindern und Jugendlichen und ihrer Herkunftsfamilie sowie mit anderen Bezugspersonen umgegangen wird (Adressatenorientierung) ,
  • wenn vor allem die Förderung der kindlichen und jugendlichen Fähigkeiten und Interessen und weniger die Beseitigung ihrer Defizite im Vordergrund des Interesses stehen (Kompetenzorientierung) ,
  • wenn im Vorhinein der fachlichen Entscheidungen Offenheit und Ungewissheit akzeptiert werden (Prozessorientierung) ,
  • wenn es gelingt, das Kind oder den Jugendlichen an den Entscheidungsprozessen des Jugendamtes (z. B. den Hilfeplangesprächen) zu beteiligen (Beteiligung) .

Diese Kriterien sind variabel.

Bei der Differenzierung des Qualitätsbegriffs hat sich die Aufteilung in Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität durchgesetzt.

5.1 Strukturqualität: Organisatorische Rahmenbedingungen optimieren

In der praktischen Umsetzung eines professionellen Selbstverständnisses nehmen

  • die gesetzlichen Grundlagen sowie
  • der auf Vertrauen aufbauende Kontakt zum Mündel.

einen zentralen Stellenwert ein. Ohne die geeigneten organisatorischen Rahmenbedingungen ist dies nur schwer möglich. Notwendig ist vor allem die Klärung der verantwortlichen Aufgabenwahrnehmung im Jugendamt und die Bildung von Fachteams, bestehend aus den Personen, die zur Führung von Vormundschaften bestellt sind.

Klärung der verantwortlichen Aufgabenwahrnehmung

Vormünder müssen mit anderen Fachdiensten innerhalb und außerhalb des Jugendamtes kooperieren. Vor allem die Zusammenarbeit mit den sozialen Diensten, durch die der Erstkontakt zur Herkunftsfamilie zu Stande kommt, ist für die Arbeit des Vormundes von Bedeutung. Besonders an dieser Schnittstelle im Jugendamt ist eine Aufgabentrennung erforderlich, um Interessenkollisionen, Überschneidungen und Konflikte zu vermeiden. Gemäß § 7 Abs.1, Nr. 5 SGB VIII ist der Vormund Personensorgeberechtigter und hat demzufolge Anspruch auf Hilfen zur Erziehung gemäß §§ 27 ff. SGB VIII. Insofern ist der Vormund Antragsteller und damit für die Wahrnehmung der Interessen und Rechte des Kindes bzw. des Jugendlichen und vor allem für seine Beteiligungsrechte z. B. bei der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII verantwortlich. Der Sozialdienst bleibt für die Arbeit mit der Herkunftsfamilie zuständig. Daran orientiert prüfen Mitarbeiter/innen des Sozialdienstes und der Vormund, welche Aufgabenteilung vorgenommen und welche Vorhaben, z. B. Besuche in Heimen oder Pflegefamilien, sinnvollerweise gemeinsam durchgeführt werden sollen.
Rechtlich sind die beiden Aufgabenbereiche dadurch getrennt, dass die Hilfen zur Erziehung zu den "Leistungen der Jugendhilfe" (§ 2 Abs.2 SGB VIII) gehören und die Vormundschaften zu den "Anderen Aufgaben der Jugendhilfe" (§ 2 Abs.3 SGB VIII).
Die Aufgabe des Vormundes als gesetzlicher Vertreter/in und Antragsteller/in von Hilfen zur Erziehung zu fungieren erfordert, dass die Führung der Vormundschaft von der Stelle, die über die Gewährung der Hilfe entscheidet und den Leistungsbescheid zustellt (Gewährleister/in der Hilfe), zu trennen ist.
Mit dem SGB VIII als Bestandteil des Sozialgesetzbuches sind auch die Vorschriften des SGB I (Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil) und SGB X (Sozialgesetzbuch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) anzuwenden. § 16 SGB X regelt, dass Personen, die Beteiligte am Verwaltungsverfahren sind, an Entscheidungen in diesem Verfahren nicht mitwirken dürfen. Der Vormund stellt als Personensorgeberechtigte/er den Antrag auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach dem SGB VIII. Damit ist er als Beteiligter am Verwaltungsverfahren vom Mitwirkungsverbot im Sinne von
§ 16 SGB X betroffen. Daraus folgt, dass Mitarbeiter/innen der sozialen Dienste nicht gleichzeitig auch Vormünder sein können; soziale Dienste und Vormundschaft sind daher strikt zu trennen (vgl. Kaufmann in "Der Amtsvormund", Juni 1998, S. 482-491).

Fallzahlbemessung

Maßstab für eine Fallzahlbemessung sind

der Schwierigkeitsgrad der Einzelfälle sowie

  • der Umfang und die Intensität der Einzelfallbetreuung, wie z. B.
  • Häufigkeit und Dauer der Gespräche mit dem Mündel, Kontakte zu
    • leiblichen Eltern,
    • Vormundschafts- und Familienrichtern/innen,
    • Fachkräften des Jugendamtes,
    • Fachkräften in Einrichtungen,
    • Pflegepersonen,
    • Lehrern/innen,
    • Ärzten/innen etc;
  • Häufigkeit der Erstellung von Stellungnahmen und Berichten;
  • Öffentlichkeitsarbeit;
  • Arbeit mit Einzelvormündern;
  • Wegezeiten;
  • das örtlich festzulegende Leistungsprofil des Aufgabenbereiches Vormundschaft/Pflegschaft im Gesamtspektrum der vom Jugendamt zu erbringenden Leistungen und anderen Aufgaben für junge Menschen und ihre Familien in Problemlagen.

Im Rahmen der Fallzahlbemessung ist sicher zu stellen, dass die Mindestanforderungen an persönlichen Kontakten zum Mündel erreicht werden (vgl. hierzu "Dresdener Erklärung" in "Der Amtsvormund" 2000/437).

Bildung einer Arbeitsgemeinschaft "Vormundschaften"

Jugendämter können nach § 78 SGB VIII Arbeitsgemeinschaften bilden, um u.a. die Wahrnehmung der Vormundschaftsaufgaben örtlich oder regional besser aufeinander abstimmen und vereinheitlichen zu können. Mitglieder/innen eines "Fachgremiums Vormundschaften" können örtliche Richter/innen und Rechtspfleger/innen, ehrenamtliche Einzelvormünder sowie die Vormünder des Jugendamtes und die Vormünder bei den freien Trägern, Berufsvormünder (vgl. § 1836 Abs. 2 BGB) und ggf. Gäste sein. Die strukturellen Unterschiede in den einzelnen Kommunen, z. B. Anzahl der zuständigen Gerichte oder die Größe der Jugendamtsbezirke sind dabei zu berücksichtigen.
Ziel einer Arbeitsgemeinschaft ist die Qualitätssicherung und die Qualitätsentwicklung im Bereich der Vormundschaftsaufgaben. Gleichzeitig soll dieses Gremium zur Verbesserung der Kommunikation und Kooperation aller im Vormundschaftswesen tätigen Berufsgruppen dienen und die Interessen der unterschiedlichen Professionen vernetzen.

Für eine Optimierung der Umsetzung gesetzlicher Vorgaben kann das Gremium folgende Aufgaben übernehmen:

  • Es kann durch verbindliche Absprachen und/oder Erstellung eines Kriterienkatalogs dafür Sorge tragen, dass bei der Überprüfung der Geeignetheit von Personen als Vormund einheitliche Maßstäbe angelegt werden.
  • Es kann sich im Bereich der Aus- und Fortbildung als ein Bindeglied zwischen Praxis und Fortbildungsinstitutionen begreifen. Es soll den örtlichen Fortbildungsbedarf ermitteln, ggf. unterschieden nach Personen, die in die Problematik eingeführt werden und solche, die Kenntnisse auffrischen und vertiefen möchten. Das Fachgremium kann Impulse für Fortbildungskonzepte geben und entsprechenden Fortbildungsbedarf beim Landesjugendamt anmelden.
  • Es kann, unter Beachtung der einschlägigen Vorschriften, zur Vorbereitung auf Beruf oder Ehrenamt Interessierten die Möglichkeit vermitteln, bei geeigneten Institutionen zu hospitieren.
  • Es kann sowohl an der Erstellung von Konzepten berufsbegleitender Aus- und Fortbildung zum Vormund mitarbeiten, als auch eigene Ressourcen nutzen und fremde Angebote sammeln und darüber informieren.
  • Es kann, bezogen auf die ehrenamtlich oder beruflich tätigen Einzelvormünder, die Aufgabe der Gewinnung, Schulung, Beratung und die Öffentlichkeitsarbeit anregen und fördern.
  • Es kann, da die Einzelvormünder einer intensiven und fachgerechten Einarbeitung bedürfen, die Aufgabe übernehmen, diese konzeptionell vorzubereiten und deren Durchführung ggf. zu begleiten. Besonderer Wert sollte darauf gelegt werden, dass auch Vormünder für Personen mit speziellem Betreuungsbedarf z. B. für ausländische Kinder und Jugendliche gefunden werden.
  • Es kann, um bessere Voraussetzungen für eine mündelorientierte Vormundschaftstätigkeit zu schaffen, regelmäßig gemeinsame Veranstaltungen mit Mündeln organisieren. Der direkte Kontakt mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen in einer altersentsprechenden, vertrauensvollen Umgebung eignet sich in besonderer Weise für eine konstruktive, offene Kommunikation.

Fachlicher Austausch in Fachteams (Reflexion) innerhalb des Jugendamtes

Um die beruflichen Aufgaben der Vormundschaft erfüllen zu können ist ein regelmäßiger fachlicher Austausch - Supervision, Selbstevaluation und kollegiale Beratung - notwendig.

5.2 Prozessqualität: Geeignete fachliche Aktivitäten ausbilden

Der Vormund sollte eigene Aktivitäten entwickeln, die der Umsetzung eines professionellen Selbstverständnisses gerecht werden, wobei der auf Vertrauen aufbauende Kontakt zum Mündel einen zentralen Stellenwert hat. Dies ist notwendig, um den Arbeitsalltag mit einem sicheren beruflichen Selbstverständnis bewerkstelligen und optimieren zu können. Die eigene Fachlichkeit als Voraussetzung und Grundlage für die Wahrnehmung der Vormundschaftsaufgaben sollte an den unter Gliederungspunkt 4 entwickelten Handlungsgrundsätzen gemessen werden. Es handelt sich um Schlüsselprozesse der Leistungserbringung. Diese bedürfen der konkreten Beschreibung und eignen sich dann auch als Maßstab und Bezugsgrößen der Qualitätsentwicklung.

5.3 Ergebnisqualität: Beurteilung des Erreichten

Ergebnisqualität bezieht sich auf die Frage, inwiefern fachliche Ziele, d. h., Ergebnisse erreicht worden sind. Zu Beginn des Entscheidungsprozesses, in dem über eine Unterstützung durch die Jugendhilfe mit Kindern und Jugendlichen sowie ihren Eltern und/oder gesetzlichen Vertretern verhandelt wird, sind Zielvereinbarungen zu treffen. Bei diesen Vereinbarungen sollte neben dem Kind oder Jugendlichen sowie deren/dessen Mutter und/oder Vater die zuständige Fachkraft des Sozialdienstes, der verantwortliche Vormund und unter Umständen Pflegeeltern oder Mitarbeiter freier Träger beteiligt sein. Die damit verbundenen Auseinandersetzungen sollten nicht gescheut werden. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass die Ziele revidierbar sind und dass ihre Überprüfung aus der Sicht aller Beteiligten, insbesondere der Kinder und Jugendlichen, die von der Jugendhilfemaßnahme betroffen sind, vorgenommen wird.

Exemplarische Ziele können sein:

  • Steigerung des Selbstwertgefühls,
  • Verbesserung der Beziehungsfähigkeit,
  • verbesserte Alltagsbewältigung,
  • Besuch von Schule bzw. Ausbildungsstätte,
  • Steigerung der subjektiven Zufriedenheit,
  • Verbesserung der Lebensqualität, u. a.

Für die Vormundschaft können diese Ziele als eine überprüfbare Ergebnisqualität gelten, sofern sie objektiv aus dem Blickwinkel aller Beteiligten beurteilt werden.

 

Quellenverzeichnis:

Diese Arbeits- und Orientierungshilfe wurde aus folgenden Publikationen erarbeitet:

  • Empfehlungen des Sächsischen Landesjugendamtes zur Stellung und zum Wirkungsbereich eines Amtsvormundes/Amtspflegers vom 03.12.1997
  • Profile - Arbeitsorientierungen, Grundsätze, Standards - für die Arbeit der Vormünder bei den Jugendämtern in Hessen vom 5.11.2002
  • Hinweise zu Aufgabenstrukturen und Verfahrensweisen auf dem Gebiet des Vormundschaftswesens des Landesjugendamtes Brandenburg vom 25.03.1996
  • Arbeitsorientierungen des Landesjugendamtes Thüringen zu den Aufgabenbereichen Beistandschaften, Amtsvormundschaften, Amtspflegschaften, Unterhaltsvorschuss, überarbeitet 01.01.2003
  • Arbeits- und Orientierungshilfe "Das Leistungsprofil der Amtsvormünderin und des Amtsvormundes" der Landesjugendämter Rheinland und Westfalen-Lippe, 26.04.1999
  • Arbeits- und Orientierungshilfe "Leitfaden für die Amtsvormünderin und den Amtsvormund zur Beteiligung des von Ihnen vertretenen Kindes oder Jugendlichen" der Landesjugendämter Rheinland und Westfalen-Lippe, 2002
  • Arbeits- und Orientierungshilfe "Leitfaden zum Entlassungsantrag des Jugendamtes als bestellter Amtspfleger oder Amtsvormund nach § 87c Abs.3 SGB VIII" der Landesjugendämter Rheinland und Westfalen-Lippe, 01.12.2003
  • Arbeitshilfe zur Selbstevaluation für den Fachbereich Amtsvormundschaft/-pflegschaft des Sächsischen Landesjugendamtes im Mitteilungsblatt des SLJA 2/2003
  • Dresdener Erklärung vom 24.03.2000
  • Leitlinien zur Qualitätsentwicklung in der Vormundschaft vom 26.04.2002

Diese Arbeits- und Orientierungshilfe wurde erarbeitet von:

Hans Happel, Kreisjugendamt Gießen
Dr. Thomas Meysen, Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht, Heidelberg
Hans-Werner Pütz, Landesjugendamt Rheinland
Roland Richter, Landesjugendamt Thüringen
Ramona Ueberfuhr, Landesjugendamt Sachsen
Reimund Wiedau, Landesjugendamt Westfalen-Lippe