Vergangene Hilfesysteme
Aufgrund der Leid- und Unrechtserfahrungen in Heimen von 1949 bis 1975, haben Bund, Länder und Kirchen Hilfesysteme ins Leben gerufen. Diese boten den Betroffenen Unterstützung und sollten das Geschehene aufarbeiten. Zunächst wurden die Fonds Heimerziehung für ehemalige Heimkinder eingerichtet. Im Anschluss konnten sich Betroffene, die in Behinderteneinrichtungen untergebracht waren, bei der Stiftung Anerkennung und Hilfe melden. Die Arbeit der Bayerischen Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder folgte aus dem Fonds Heimerziehung.
Die Beratungsstelle vom Fonds Heimerziehung
Die aktuelle Bayerische Beratungsstelle für Menschen mit Heimerfahrung in der Kindheit und Jugend ist aus den Hilfesystemen des Fonds Heimerziehung und der Stiftung Anerkennung und Hilfe hervorgegangen.
2006 reichten ehemalige Heimkinder eine Petition beim deutschen Bundestag ein. Nachdem sich der Petitionsausschuss mit der Thematik beschäftigt hatte, wurde die Gründung eines Runden Tisches beschlossen. Dieser empfahl regionale Anlauf- und Beratungsstellen als Hilfesystem einzurichten.
2012 errichteten der Bund, die Länder und die Kirchen die Fonds "Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1949 bis 1975" und "Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990".
Die Fonds Heimerziehung halfen Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht waren und dort Leid und Unrecht erfahren haben. Die beiden Fonds Heimerziehung existierten von 2012 bis 2018. Die Anmeldefrist endete am 31.12.2014.
Individuelles Hilfesystem
- In den Beratungsstellen, die auf die Bundesländer verteilt waren, fanden persönliche Gespräche statt und sie waren für die Leistungsabwicklung bei den einzelnen Betroffenen zuständig.
- Am 01.01.2012 wurde unter der Trägerschaft des ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt die "Regionale Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder in Bayern" errichtet. Sie setzte für Bayern den Fonds Heimerziehung um.
- In der Anlaufstelle arbeiteten bis zu zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (in Teilzeit und Vollzeit) "Der Schwerpunkt der Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lag auf psychosozialer Beratungskompetenz."
- Zusätzlich konnten die ehemaligen Heimkinder Sachleistungen in Höhe von 10 000 Euro erhalten. Die Sachleistungen sollten den Alltag der Betroffenen erleichtern und mussten in Bezug zu den Erfahrungen in den Heimen stehen.
- Darüber hinaus konnten Rentenersatzleistungen in unbegrenzter Höhe für sozialversicherungspflichte, geleistete Arbeit im Heim gewährt werden.
Fazit:
Über 3.000 Menschen nahmen mit der bayerischen Beratungsstelle Kontakt auf. Mit 2.610 Personen wurden Leistungen vereinbart. Davon sind 3.656 Vereinbarungen über Sachleistungen im Wert von 25.253.550,22 Euro und 1.389 Vereinbarungen über Rentenersatz im Wert von 9.257.100,00 Euro. Die Höhe der gesamten Auszahlungen in Bayern bis 31.07.2018 beträgt 34.510.650,22 Euro
Gesellschaftliches und wissenschaftliches Hilfesystem
Stiftung Anerkennung und Hilfe
Die Beratungsstelle der Stiftung Anerkennung und Hilfe
Die aktuelle Bayerische Beratungsstelle für Menschen mit Heimerfahrung in der Kindheit und Jugend ist aus den Hilfesystemen des Fonds Heimerziehung und der Stiftung Anerkennung und Hilfe hervorgegangen.
Im Jahre 2017 errichteten die Länder, der Bund sowie die evangelische und katholische Kirche die Stiftung Anerkennung und Hilfe. Das Hilfesystem richtete sich an Menschen, die als Kinder oder Jugendliche in der Zeit vom 23.05.1949 bis zum 31.12.1975 in der Bundesrepublik Deutschland bzw. vom 07.10.1949 bis zum 02.10.1990 in der DDR in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe oder stationären psychiatrischen Einrichtung untergebracht waren und dort Leid und Unrecht erlebt haben.
Die Anmeldefrist endete am 30. Juni 2021 und die Laufzeit wurde bis zum 31.12.2022 verlängert.
Individuelle Hilfesysteme
- Die Beratungsstellen waren nach dem Wohnortprinzip auf die Bundesländer verteilt. Die bayerische Beratungsstelle der Stiftung Anerkennung und Hilfe, beim ZBFS-BLJA nahm am 01. April 2017 ihre Arbeit auf.
- Die Anmeldungen verliefen erst zögerlich. Ein Grund hierfür lag in der Erreichbarkeit der Betroffenen, die oft weiterhin in einer Einrichtung der Behindertenhilfe leben. Diese waren von den Informationen ihrer Einrichtung und deren Unterstützung bei der Anmeldung abhängig.
- Ab Januar 2018 verdoppelt sich die Zahl der Anmeldungen. Die Öffentlichkeitsarbeit zeigte ihre Wirkung. Betroffene selbst, deren rechtliche Betreuer und Betreuerinnen oder Einrichtungspersonal meldeten sich zunehmend in der Anlauf- und Beratungsstelle. Die größte Gruppe bildeten dabei Menschen mit Hörbehinderung. Durch Verbände, Vereine und Beratungsstellen sind sie in Bayern sehr gut vernetzt.
- Eine weitere große Gruppe sind Menschen, die bis heute stationär in Einrichtungen der Behindertenhilfe leben. Die Einrichtungen, die sich selbst mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen, wiesen auf die Arbeit der Stiftung hin und vermittelten so zwischen der Beratungsstelle und den Betroffenen.
- Aufgrund gestiegener Anmeldezahlen wurden 2019 und 2020 weitere Berater und Beraterinnen eingestellt. Um die vielen traumatischen Erlebnisse der Betroffenen sensibel aufzuarbeiten und behutsam unterstützen zu können, lag der Schwerpunkt hinsichtlich der Qualifikation der Beratungsfachkräfte in psychosozialer Beratungskompetenz.
- Die Betroffenen konnten eine personenbezogene einmalige Geldpauschale von 9.000,00 Euro erhalten. Zusätzlich konnten bis zu 5.000,00 Euro Rentenersatzleistungen ausbezahlt werden, wenn sie zwischen ihren 14. Lebensjahr und ihrer Volljährigkeit in den Einrichtungen arbeiteten, ohne dass dafür Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden.
Fazit
Bei der bayerischen Beratungsstelle der Stiftung Anerkennung und Hilfe gab es 2.743 Anmeldungen. Für 2313 Betroffene wurden finanzielle Leistungen beantragt. Insgesamt wurden in Bayern 25.625.400,00 Euro ausbezahlt (Stand 24.03.2023).
Zahlen und Fakten - Abschluss – Stiftung Anerkennung und Hilfe
Bayerische Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder
Von 2018 bis Ende 2022 gab es die Bayerische Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder. Für Betroffene, die von 1949 bis 1975 in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht waren.
Diese führte zum einen persönliche Beratungsgespräche mit ehemaligen Heimkindern, hatte aber auch das Ziel, die Arbeit des Betroffenen-Beirats zu begleiten und zu fördern. Zusammen mit ehemaligen Heimkindern wurden Themen in den Blick genommen, die zur gesellschaftlichen und überindividuellen Aufarbeitung des Leid und Unrechts bei der Heimerziehung beitragen sollten.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Sensibilisierung von Fachkräften in der Kinder- und Jugendarbeit bezüglich der Thematik Missbrauch im Heim.
Unter aktiver Teilhabe der ehemaligen Heimkinder ist in diesen Jahren das Kunstwerk "In the name of" entstanden. Das Kunstwerk des Künstlers Bruno Wank wurde im Februar 2023 auf den öffentlichen Liegenschaften des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales aufgestellt.