Bayerischer Mediengutachterausschuss (BMGA)

Stellungnahme zur aktuellen Diskussion um ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige

(Dieser Text ist eine Vorabveröffentlichung eines Artikels, der in der Ausgabe 4/25 des Mitteilungsblatts des ZBFS-Bayerisches Landesjugendamt erscheinen wird.)

Angesichts der aktuellen Forderungen nach einem Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige haben die Expertinnen und Experten des Bayerischen Mediengutachterausschusses diskutiert, ob ein solches Verbot sinnvoll wäre, um Kinder und Jugendliche vor gefährdenden Inhalten und problematischer Nutzung zu schützen.

Zunächst muss eingeräumt werden, dass das Gefährdungspotenzial nicht nur von Social Media, sondern ganz allgemein von online verfügbaren Angeboten hoch ist. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen, der als Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit im Grundgesetz verankert ist, hat gerade bezogen auf digitale Medien eine hohe Dringlichkeit. Dieser Schutzanspruch junger Menschen wird mit der Regulierung von Medien aktuell nicht ausreichend umgesetzt, weil die staatliche Medienaufsicht nicht über ausreichende Instrumente der Rechtsdurchsetzung verfügt, wenn sich Medienanbieter im globalen Netz nicht an Gesetze halten. So ist es möglich, dass Porno-Angebote den Sperrverfügungen ausweichen oder Posts mit Naziparolen schnell wieder in Erscheinung treten.

Junge Menschen deshalb in ihrem Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit zu beschneiden, etwa durch ein Nutzungsverbot sozialer Netzwerke, wäre jedoch eine massive Einschränkung ihrer Rechte und zugleich eine Kapitulation von Politik und Gesellschaft vor Anbietern, die bestehende Gesetze missachten.

Wir sind als demokratische Gesellschaft auf mündige, diskursfähige und verantwortungsvolle junge Menschen angewiesen. Nur wenn wir ihre Teilhaberechte ernst nehmen und sie entsprechend befähigen, kann das gelingen. Und im Gegenzug sind wir in der Pflicht, das Gefährdungspotenzial gerade im Bereich von digitalen Medien zu reduzieren. Im analogen, nationalen Raum ist es uns gut gelungen, mit Alters- und Zugangsbeschränkungen Kinder und Jugendliche vor schädigenden Medien zu schützen. Mit der Einführung von Verboten für die Nutzung digitaler Medien würden wir die Verantwortungsverhältnisse umkehren, in hohem Maße die Rechte junger Menschen massiv einschränken und vor unseren Verpflichtungen als Gesellschaft kapitulieren.

Hier müssen Plattformanbieterinnen und -anbieter in die Pflicht genommen werden, wirksame Altersgrenzen umzusetzen (analog zu § 14 JuSchG/§ 5 JMStV) und bessere Schutzmechanismen zu entwickeln. Als Alternative zu Verboten gilt es, altersgerechte, sichere Räume in den sozialen Medien für junge Menschen zu schaffen, in denen sie möglichst risikoarm Erfahrungen sammeln können, soziale Netzwerke kritisch zu nutzen lernen und dabei die Möglichkeit zur Teilhabe und Mitgestaltung haben. Entsprechend sollten klare Kriterien formuliert werden, wie Angebote für Kinder und Jugendliche risikoarm gestaltet werden können. Zudem sollten Anbieter wirksam gefordert werden, diese Kriterien auch bei Angeboten für die jeweiligen Altersgruppen einzuhalten.

Des Weiteren muss die Befähigung junger Menschen, digitale Medien kompetent zu nutzen, institutionalisiert werden. Medienbildung ist als fester Bestandteil in Schule, Kinder- und Jugendhilfe und Jugendarbeit zu stärken.

Gleichzeitig benötigen Eltern, die eine zentrale Rolle in der Mediensozialisation ihrer Kinder spielen, leicht zugängliche und praxisnahe Unterstützungsangebote: Sie brauchen vereinheitlichte, einfach zu bedienende, benutzerfreundliche Formate, um zu Hause den Schutz ihrer Kinder umsetzen zu können. Auch hier erscheint es wichtig, Plattformbetreibende stärker als bisher in die Verantwortung zu nehmen. Zudem brauchen Eltern einen niederschwelligen Zugang zu Informations- und Unterstützungsangeboten, um ihre Kinder bei der Mediennutzung wirkungsvoll begleiten zu können.

Der Ruf nach pauschalen Verboten greift bei diesen Herausforderungen deutlich zu kurz. Vielmehr sind umfassende Konzepte erforderlich, die junge Menschen durch Kompetenzstärkung und Mitwirkungsmöglichkeiten in digitalen Räumen einerseits befähigen sowie ihre Teilhabe ermöglichen, andererseits einen wirksamen Schutz vor entwicklungsbeeinträchtigenden und gefährdenden Inhalten sowie Nutzungsrisiken bieten.

Der Bayerische Mediengutachterausschuss spricht sich dafür aus, zunächst alle bereits bestehenden milderen Maßnahmen zu überprüfen, nach Bedarf auszubauen und etwaige ungenutzte Mittel einzusetzen, bevor ein allgemeines Verbot der Social-Media-Nutzung ohne Alternativen für den Großteil der Minderjährigen in Deutschland – und damit der Ausschluss junger Menschen von sozialen Netzwerken und digitalen Lebenswelten – überhaupt erwogen wird.

Bayerischer Mediengutachterausschuss (BMGA)

Im Bayerischen Mediengutachterausschuss sind relevante bayerische Institutionen des Jugendmedienschutzes und die bayerischen Jugendschutzsachverständigen, die für den Einsatz bei FSK und USK benannt sind, vertreten. Dieses Gremium berät und unterstützt die oberste Landesjugendbehörde insbesondere bei deren Entscheidungen im Zusammenhang mit inhaltlichen oder grundsätzlichen Bewertungen von Medien.

Die Geschäftsführung des Bayerischen Mediengutachterausschusses (BMGA) obliegt dem ZBFS-Bayerisches Landesjugendamt.

Für den Bayerischen Mediengutachterausschuss:

  • Beatrix Benz, Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e. V.
  • Dr. Niels Brüggen, JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis
  • Petra Müller, FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht gemeinnützige GmbH
  • Geschäftsführend verantwortlich für den Bayerischen Mediengutachterausschuss: Christine Hiendl, ZBFS-Bayerisches Landesjugendamt

Rückfragen zum Thema können an Christine Hiendl gerichtet werden: jugendschutz-blja@zbfs.bayern.de