JaS Handbuch

III. Die Tätigkeit als JaS-Fachkraft – die Praxis 70 JaS-Handbuch Mitunter macht die JaS-Fachkraft aber auch selbst Beobachtungen, die für sie eine Abklärung der genaueren Umstände notwendig erscheinen lassen bzw. Anlass für ein klärendes (Beratungs-) Gespräch mit dem Kind bzw. dem Jugendlichen und den Erziehungsberechtigten bieten. Bedingung für den Abklärungsprozess durch die JaS-Fachkraft ist, dass dadurch nicht der Schutz des Kindes bzw. der oder des Jugendlichen in Frage gestellt wird. Ist der Anstellungsträger der JaS-Fachkraft ein Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe, stellt die schriftliche Vereinbarung gemäß § 8a Abs. 4 SGB VIII die Grundlage für das Vorgehen der JaS-Fachkraft dar. Nimmt die JaS-Fachkraft eines Trägers der freien Kinder- und Jugendhilfe (gewichtige) Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung wahr, teilt sie diese der bzw. dem nächsten Vorgesetzten mit, um umgehend eine erste Bewertung der mitgeteilten Hinweise und zur Dringlichkeit des Handelns und zur Absprache des weiteren Vorgehens vorzunehmen.22 Wenn im Rahmen dieser kollegialen Erstbewertung die Vermutung eines gewichtigen Anhaltspunkts für eine Kindeswohlgefährdung nicht ausgeräumt werden kann, muss die JaS-Fachkraft unter Hinzuziehung einer insoweit erfahrenen Fachkraft23 eine Gefährdungseinschätzung vornehmen. Die insoweit erfahrene Fachkraft kann – je nach Trägerstruktur und -ressourcen – sowohl bei dem Anstellungsträger der JaS-Fachkraft verortet sein, bei einem anderen Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe oder auch bei dem örtlichen Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe.24 Entscheidend ist, dass die JaS-Fachkraft weiß, wer die jeweiligen Fachkräfte sind, die sie beratend bei der Gefährdungseinschätzung hinzuziehen kann, und wie sie diese (auch in dringenden Fällen außerhalb der Dienstzeiten) erreichen kann. Dies sowie die spezifische Qualifikation der insoweit erfahrenen Fachkraft muss in der sogenannten Sicherstellungsvereinbarung zwischen Jugendamt und Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe festgehalten sein. Weiter hat die JaS-Fachkraft regelhaft die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder die Jugendliche bzw. den Jugendlichen in die Gefährdungseinschätzung einzubeziehen. Einzige Ausnahme hierfür ist, dass dadurch der wirksame Schutz des Kindes bzw. der oder des Jugendlichen infrage gestellt werden würde. Dies kann insbesondere bei Verdachtsfällen sexueller oder sexualisierter Gewalt im häuslichen Kontext oder auch bei Fällen von Misshandlung infrage kommen. Das bedeutet, dass die JaS-Fachkraft mit dem Kind bzw. der/dem Jugendlichen einfühlsam, in verständlicher, nachvollziehbarer und wahrnehmbarer Form bespricht, wie es bzw. sie/er im Moment die im Raum stehende Gefährdungssituation wahrnimmt, welche Gedanken und Gefühle im Hinblick auf gewünschte Veränderungen bestehen, welche Wünsche und Bedürfnisse hinsichtlich der Gestaltung von Unterstützungs- und Schutzmaßnahmen existieren etc. Die JaS-Fachkraft bespricht mit dem Kind bzw. der oder dem Jugendlichen auch, wie sie mit den Erziehungsberechtigten in die Situationsklärung gehen wird und wie die weiteren Schritte gestaltet sein werden. Demzufolge nimmt die JaS-Fachkraft auch mit den Erziehungsberechtigten zeitnah zum Bekanntwerden der (möglichen) gewichtigen Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung Kontakt auf, um diese mit ihnen zu thematisieren und ggf. herauszuarbeiten, was sie selbst tun und welche Hilfen sie wo in Anspruch nehmen können oder ggf. beantragen sollten, um eine (drohende) Gefährdung von ihrem Kind abzuwenden. Falls die Anhaltspunkte nicht anders abgeklärt und/oder eine Gefährdung nicht anders abgewendet werden kann, muss die JaS-Fachkraft die Organisationseinheit im Jugendamt, die für das Gefährdungseinschätzungsverfahren und für die Einleitung von ggf. erforderlichen Schutzmaßnahmen zuständig ist, informieren. In der Regel ist dies der ASD im Jugendamt. Im Sinne der Transparenz und zum Erhalt der Hilfebeziehung sollte die JaS-Fachkraft – sofern möglich, fachlich nicht kontraindiziert und dadurch der Schutz des Kindes nicht infrage gestellt wird – die Erziehungsberechtigten zuvor darüber in Kenntnis setzen, dass das Jugendamt unterrichtet wird, um weitere Schutzmaßnahmen und/oder Hilfen zu aktivieren. 22 Vgl. hierzu auch Fachliche Empfehlungen zur Umsetzung des Schutzauftrags nach § 8a SGB VIII, S. 62; Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses vom 23.11.2022, abrufbar auf der Homepage des ZBFS-Bayerischen Landesjugendamts. 23 Eine insoweit erfahrene Fachkraft ist eine Fachkraft, die in der Gefährdungseinschätzung (ggf. für spezifische Ziel- und Altersgruppen) und in der Fachberatung zu Gefährdungsfällen erfahren ist. Für das spezifische Kompetenzprofil siehe S. 65: Fachliche Empfehlungen zur Umsetzung des Schutzauftrags nach § 8a SGB VIII. 24 Siehe hierzu S. 61 in: Fachliche Empfehlungen zur Umsetzung des Schutzauftrags nach § 8a SGB VIII. Verfahren für -Fachkräfte von Trägern der freien Jugendhilfe Einbeziehung der insoweit erfahrenen Fachkraft Einbeziehung der Erziehungsberechtigten der oder des Minderjährigen Unterrichtung des Jugendamts als zentrale Steuerungsinstanz

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