MB_1_2019

10 I N F O Satz 3 SGB VIII zwischen zwei örtlichen Jugendhilfeträ- gern aus humanitären oder Kindeswohlgründen ver- einbarten Übergang der örtlichen Zuständigkeit hin- wegzusetzen und allein aus vermeintlichen Gründen des Kindeswohls ein fachlich nicht befasstes und nach Jugendhilfevorschriften örtlich unzuständiges Jugend- amt zum Amtsvormund zu bestellen. Das Bayerische Sozialministerium ist derzeit in Vorbe- reitung eines Fortbildungsangebotes für Familienrich- ter speziell für den Bereich der Kooperation zwischen Familienrichtern und der öffentlichen Jugendhilfe, um das Problembewusstsein an dieser Stelle zu schärfen. c. Beschluss des OVG Koblenz 7 B 10412/18.OVG vom 11.06.2018 zur Eignung von Tagespflege- personen und Rücknahme der Pflegeerlaubnis In der Praxis der Jugendhilfe wird immer wieder streitig, unter welchen sachlichen Voraussetzungen Jugendämter die Befugnis erlangen, eine einmal er- teilte Erlaubnis zur Kindertagespflege nach § 43 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII bereits vor Ablauf des gesetzlich ge- regelten 5-Jahres-Zeitraumes zurückzunehmen. Das OVG Koblenz hat in seinem Beschluss deutlich darauf hingewiesen, dass es gemäß § 43 Abs. 3 Satz 5 SGB VIII in Verbindung mit § 32 Abs. 1 SGB X verwal- tungsrechtlich zulässig ist, Erlaubnisbescheide mit Nebenbestimmungen zu versehen. Dies schließt nach Auffassung des Gerichts auch die Befugnis ein, Widerrufsvorbehalte in die Bescheide aufzunehmen, sofern damit durch das Jugendamt sichergestellt werden soll, dass die gesetzlichen Vor- aussetzungen für die Erteilung der Pflegeerlaubnis erfüllt werden. Widerrufe könnten insbesondere dann im Erlaubnisbescheid vorbehalten werden, wenn es das Kindeswohl erfordere, wenn sich Änderungen hinsichtlich der Eignung der Tagespflegeperson er- gäben oder wenn gegen die im Erlaubnisbescheid formulierten Bestimmungen verstoßen würde. Aus diesem Grund wird der Praxis empfohlen, in Aus- übung des pflichtgemäßen Ermessens etwa Eignungs- voraussetzungen als Nebenbestimmungen in den Er- laubnisbescheid aufzunehmen, die in den gesetzlichen Vorschriften nicht ausdrücklich oder nicht eindeutig geregelt sind. Dies könnte beispielsweise ebenso eine Verpflichtung der Tagespflegeperson zur fachlichen Zusammenarbeit mit dem Jugendamt sein, wie auch konkrete Feststellungen, wo die Grenzen einer fachli- chen Eignung im Einzelfall gesehen werden. Je detailgenauer derartige Nebenbestimmungen for- muliert werden, desto größer wird die Wahrschein- lichkeit sein, mit einer Rücknahme der Pflegeerlaubnis nach § 47 Abs. 1 SGB X wegen eines streitigen Ver- stoßes gegen die Auflagen aus dem Erlaubnisbescheid durchzudringen. d. Urteil des VG München M 18 K 12.288 vom 18.04.2012 zu Beförderungskosten für seelisch Behinderte Leider ist die Tendenz der Rechtsprechung unge- brochen, öffentliche Jugendhilfe bei jungen Menschen mit seelischer Behinderung ungeachtet der grundsät- zlichen Verpflichtung der Schule zur inklusiven Be- schulung behinderter und nicht behinderter Kinder als Ausfallbürgen in die Pflicht zu nehmen. Dieser Tendenz folgt leider auch das Urteil des VG München. Sicherlich richtig ist die Feststellung, dass Hilfen zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung, die aufgrund der Folgen seelischer Behinderung den Be- such einer besonderen Schule bzw. Schulform erfor- dern, im Zweifel auch die Übernahme der Fahrtkosten zu dieser Schule beinhalten müssen. Grundsätzlich betont das Gericht zwar auch den Nachrang der Jugendhilfe nach § 10 Abs. 1 SGB VIII, nach dem eine Leistungspflicht der Jugendhilfe gemäß § 35a SGB VIII nur bestehe, soweit die Förderung durch vorhandene Schulangebote nicht ausreichend sei bzw. auf den Regel- oder Sonderschulen keine angemessene Schulbildung erreicht werden könne. Als bedenklich angesehen wird dabei allerdings, dass dieser grundsätzliche Nachrang der Jugendhilfe nach Auffassung des Gerichts nur dann zum Tragen kom- men könne, wenn Schule keine für den Bedarf des jungen Menschen erforderlichen Angebote machen könne bzw. tatsächlich anbiete und auch leiste. Das bedeutet im Ergebnis, dass Jugendhilfe immer bereits dann als Ausfallbürge einzutreten hätte, wenn Schule ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Schaffung geeig- neter Angebote tatsächlich nicht nachkommt. Gerade an dieser Schnittstelle wird eine ständig fortschrei- tende Aufgaben- bzw. Kostenverschiebung in Richtung Jugendhilfe befürchtet. MITTEILUNGSBLATT 01-2019

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI4NDAy