Vollzeitpflege
Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII ist eine mögliche Hilfe zur Erziehung für Eltern, die sich nicht in der Lage sehen, eine dem Wohl ihres Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung selbst zu gewährleisten und wenn die Hilfe für die Entwicklung des jungen Menschen notwendig und geeignet ist. Das Kind lebt für eine bestimmte Zeit oder auf Dauer in einer Pflegefamilie, die die Verantwortung für die Betreuung und Erziehung des Kindes im Alltag übernimmt. Vollzeitpflege unterscheidet sich dabei von anderen Hilfearten gemäß §§ 27 ff. SGB VIII. Sie wird vorwiegend nicht durch professionelle pädagogische Fachkräfte erbracht, sondern in der Regel von engagierten Laien.
Rechtsgrundlage
Die konkrete Ausgestaltung der Hilfe – von der kurzfristigen Aufnahme bis hin zur langfristigen Lebensperspektive für das Kind oder den Jugendlichen – richtet sich nach dem erzieherischen Bedarf sowie dem Wohl des zu betreuenden Kindes oder Jugendlichen. Während der gesamten Dauer eines Pflegeverhältnisses werden die leiblichen Eltern und die Pflegefamilie vom Jugendamt betreut. Im Rahmen regelmäßiger Hilfeplangespräche gemäß § 36 SGB VIII muss mit allen Beteiligten – in der Regel halbjährlich – gemeinsam die konkrete Ausgestaltung der Hilfe vereinbart und überprüft werden.
Haben Personen Interesse an der Aufnahme eines Pflegekindes und wollen sich hierüber beraten lassen, richten sie ihren Wunsch an das örtliche Jugendamt. Das anschließende Bewerbungsverfahren ist ein zweiseitiger Entscheidungsprozess. Bewerber müssen sich entscheiden, ob sie eine Pflegefamilie werden wollen, und das Jugendamt muss die Entscheidung treffen, ob es die Bewerber grundsätzlich für die Aufnahme eines Pflegekindes geeignet hält. Während dieses Beratungsprozesses können Einzelgespräche, Hausbesuche, Informationsveranstaltungen, Seminare sowie Literaturstudium zum Einsatz kommen.
Aufgaben des Landesjugendamtes
Das Bayerische Landesjugendamt unterstützt die örtlichen Jugendämter und mit der Aufgabenwahrnehmung beauftragte freie Träger, indem es praxisnahe Arbeitshilfen zur Verfügung stellt, Fachveranstaltungen durchführt, Fachliche Empfehlungen entwickelt, in schwierigen Fragen beratend zur Seite steht und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dem jeweiligen Aufgabenfeld fortbildet. Darüber hinaus ist es in schwierigen Einzelfällen, z. B. bei der Vermittlung älterer Kinder, Geschwister oder Kindern mit einer Krankheit bzw. Behinderung unmittelbar behilflich. Bei der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen ausländischer europäischer Gerichte (außer Dänemark) sind die Regelungen des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes zu beachten, die die Vorgaben der Brüssel-IIa-Verordnung konkretisieren. Demzufolge bedarf die Unterbringung eines Kindes aus dem europäischen Ausland in einer Pflegefamilie in Bayern der Zustimmung des Bayerischen Landesjugendamts.
Fachbeiträge und Publikationen
Veröffentlichungen des Landesjugendamts
ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt (Hrsg.): Sozialpädagogische Diagnose & Hilfeplan; München 2013
ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt: Rechtsanspruch auf Hilfe zur Erziehung verteidigen durch Qualifizierung der Steuerungsprozesse in der Einzelfallhilfe; Jahresbericht 2011, S. 36 – 52; München 2012
Das Dokument wird demnächst barrierefrei eingestellt.
Sabella, Peter: Unterbringung von Kindern oder Jugendlichen in einem Heim oder einer Pflegefamilie in EU-Mitgliedsstaaten; ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt Mitteilungsblatt 6/2011; München 2011
ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt (Hrsg.): Vollzeitpflege – Arbeitshilfe für die Praxis der Jugendhilfe; 3. vollständig überarbeitete Auflage, München 2016
ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt (Hrsg.): Fragebögen für Verwandtenpflegebewerber; München 2010;Checkliste, Basisbogen, Informationen und Fragen zur Aufnahme des Kindes/Jugendlichen
Die Fragebögen werden demnächst barrierefrei eingestellt.
Reinfelder, Hans: Das neue FamFG und seine Auswirkungen auf die öffentliche Jugendhilfe; ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt (Hrsg.); Mitteilungsblatt des Bayerischen Landesjugendamts 4/2009, München 2009
Parhofer, Sybille; Reinhardt, Jörg; Flynn, Claudia: Adoptions- und Pflegekindvermittlung. Gesprächsleitfaden und Arbeitshilfe; ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt (Hrsg.); München 2008
Wunsch, Angelika: Adoptions- und Pflegekindervermittlung. Eignungsüberprüfung von Bewerbern in der Adoptions- und Pflegekindervermittlung; ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt (Hrsg.); 2. Auflage, München 2006
ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt: Orientierungspunkte zur Abgrenzung zwischen § 33 i.V.m. § 44 und § 34 i.V.m. § 45 SGB VIII; Beschluss des Bayerischen Landesjugendhilfeausschusses vom 26. Oktober 1998
Weitere empfohlene Veröffentlichungen
Bayerischer Landkreistag / Bayerischer Städtetag: Rundschreiben zu den Empfehlungen zur Vollzeitpflege (Nr. S013/2019), Empfehlungen des Bayerischen Landkreistags und des Bayerischen Städtetags für die Vollzeitpflege nach dem SGB VIII einschl. Anhang zu den Richtlinien: Beispiel zu Nr. 2.1 und 4.2 für das Bewertungsverfahren, Stand: 1. Juli 2019
Das Dokument wird demnächst barrierefrei eingestellt.
Kindler H. / Helming E. / Meysen T. / Jurczyk K.: Handbuch Pflegekinderhilfe. Deutsches Jugendinstitut e. V. (Hrsg.), München 2010
Küfner, Marion: Pflegekinder im Kontakt. Eine Analyse der Rechtsprechung zu Umgangskonflikten bei Pflegekindern; Deutsches Jugendinstitut e. V. (Hrsg.), München 2008
Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (Hrsg.): Hilfe zur Erziehung in Pflegefamilien und in familienähnlichen Formen, November 2002