Mitteilungsblatt 01 2024

Zentrum Bayern Familie und Soziales Bayerisches Landesjugendamt 0 202 1 4 THEMA 02 Ein Jahr Bayerische Beratungs stelle für Menschen mit Heimerfahrung in der Kindheit und Jugend - Info 05 Pressemeldung des StMAS: Familienministerin im Austausch mit dem Landesjugendhilfeausschuss 06 Ansprüche an die besondere Adoptions eignung bei Auslandsadoptionen - 09 Veröffentlichung: Expertise des DJI – Wissensmanagement. Band 3: Fachkonzepte und Qualitätssicherung 14 Veröffentlichung: Fachliche Empfehlungen Schutzkonzepte in der Pflegekinderhilfe gemäß § 37b Abs. 1 SGB VIII 15 Personalia 15 Zu guter Letzt

MITTEILUNGSBLATT 01-2024 2 BMH Was ist die BMH? Die Bayerische Beratungsstelle für Menschen mit Heim erfahrung in der Kindheit und Jugend (BMH), angesie delt beim ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt, nahm Anfang 2023 ihre Arbeit auf. Sie entstand im Anschluss an die vergangenen Hilfesysteme, dem Fonds Heimer ziehung, der Stiftung Anerkennung und Hilfe und der Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder, die ebenfalls beim ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt angesiedelt waren. - - - Die BMH richtet sich an eine breite Zielgruppe. Alle Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend in einer stationären Einrichtung untergebracht waren und heute keinen Anspruch mehr auf Jugendhilfeleistungen haben, können sich an sie wenden. Dabei ist es egal, ob es sich um eine Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung, eine Be hinderteneinrichtung, eine Psychiatrie oder ein Kur- und Erholungsheim handelt. Letztere sind eine neue Zielgrup pe, für die es bisher noch keine expliziten Hilfsangebote gab. Ferner können sich auch Angehörige und Fachkräfte bei allen Fragen rund um die Thematik „Menschen mit Heimerfahrungen“ an die BMH wenden. - - Das multiprofessionelle Team besteht aus fünf Berate rinnen und Beratern, die auf 3,75 Stellen aufgeteilt sind. - Die Mitarbeitenden mit (sozial-)pädagogischer Qualifika tion haben jahrelange Erfahrung im Gespräch mit Men schen mit Heimerfahrung und psychosozialer Beratung. Die Beratung kann persönlich vor Ort, telefonisch, mittels Videotelefonie oder per Mail stattfinden. Aus gesundheitlichen Gründen können auch Hausbesuche gemacht werden. Inhaltlich geht es dabei um Hilfe bei Problem- und Krisensituationen im Alltag der Betrof fenen, der Vermittlung zu weiterführenden Unterstüt zungsangeboten, aber auch um Unterstützung bei der Aktensuche. Ferner beraten die Mitarbeitenden zu finanziellen Leistungen anderer Träger, wie beispielswei se der katholischen Kirche. - - - - - Öffentlichkeitsarbeit Anfang des Jahres ging es erst einmal darum, die neue Beratungsstelle für Menschen mit Heimerfahrung bekannt zu machen. Dabei wurde zunächst auf bereits bestehende Informationskanäle zurückgegriffen. So wurden beispielsweise, neben der Herausgabe einer offiziellen Pressemitteilung1, bekannte Verbände und Kooperationspartnerinnen und -partner aus den vergan genen Hilfesystemen mittels Rundmail über das neue Angebot informiert. Gleichzeitig wurde auf der Webseite des ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt (BLJA) eine Seite2 installiert, die primär über die Beratungsstelle informiert, aber auch über die vergangenen Hilfesyste me aufklärt. - - Um die neue Zielgruppe der Verschickungskinder besser kennenzulernen, besuchten die Mitarbeitenden der BMH im Juli 2023 die Ausstellung „Kurerfolg um jeden Preis, Kindererholungsverschickung in Bayern von 1945 EIN JAHR BAYERISCHE BERATUNGSSTELLE FÜR MENSCHEN MIT HEIMERFAHRUNG IN DER KINDHEIT UND JUGEND T H EMA Vor etwas mehr als einem Jahr, im Januar 2023, ist die Bayerische Beratungsstelle für Menschen mit Heimerfahrung in der Kindheit und Jugend (BMH) als neues Beratungsangebot des ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt an den Start gegangen. Grund genug, eine Bilanz zu ziehen. 1 Abrufbar unter: https://s.bayern.de/eVJFo0DYXG (letzter Aufruf am 23.02.2024) 2 Abrufbar unter: https://s.bayern.de/b2gm5I6wWs (letzter Aufruf am 23.02.2024)

MITTEILUNGSBLATT 01-2024 3 bis 1990“ im Staatsarchiv München. Hier gab es auch Raum für Austausch und Vernetzung, denn einige Be troffene waren ebenfalls vor Ort. Der leitende Archivar führte durch die Ausstellung und es entwickelten sich anregende Gespräche unter den Teilnehmenden. Die BMH nutze das Zusammentreffen mit den Betroffenen und stellte ihnen die neue Beratungsstelle und deren Angebote gleich aus erster Hand vor. - Im Oktober 2023 fand die Woche der seelischen Ge sundheit des Münchner Bündnis für Depression statt. Dort gab es verschiedene Veranstaltungen in München, die besucht werden konnten. Zusätzlich konnte man sich online bei der sog. „Digitalen Messe“ über eine Vielfalt an Beratungsangeboten in München informieren. Da viele Betroffene aus den Zielgruppen der BMH unter psychischen Erkrankungen leiden, wurde hier ebenfalls über das neue Beratungsangebot informiert. Die BMH präsentierte sich mit einem digitalen Messestand, wo sie zur Thematik „Menschen mit Heimerfahrungen“ informierte und kreative Beiträgen von Betroffenen zeigte, z. B. Fotos und Zeichnungen. Von den insgesamt 7.200 Personen, die die digitale Messe online aufriefen (Stand 11/23), gab es 84 Besucherinnen und Besucher auf der Seite der BMH. - Zum Abschluss des Jahres nahmen zwei Beraterinnen der BMH an einer Tagung in der Evangelischen Akade mie Tutzing teil. In Kooperation mit der Katholischen Stiftungshochschule (KSH) hatte die Akademie zu einem Fachtag mit dem Thema „Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Zum Stand der Aufarbeitung in Bayern” eingeladen. Dabei stellten die Beraterinnen der BMH ihre Arbeit vor. Ebenso kamen Expertinnen und Exper ten aus der Wissenschaft sowie Vertreterinnen und Vertreter von Betroffenen zu Wort. - - Den Mitarbeitenden der Beratungsstelle ist es weiterhin wichtig, das Thema „Menschen mit Heimerfahrungen“ in die Öffentlichkeit zu tragen. Dabei sollen verschiede ne Zugänge und Perspektiven genutzt werden, um das Thema möglichst differenziert darzustellen. Das Ziel auf der Website des BLJA ist es, die teilweise sehr schwere Thematik ansprechend und abwechslungsreich dar zustellen und vor allem Betroffene zu Wort kommen zu lassen. Das Material entstand in einem Abschlusspro jekt der Stiftung Anerkennung und Hilfe und wurde nun nochmal aufbereitet. Ab Dezember 2023 wurden und - - - werden nach und nach Interviews3 mit den Betroffenen und den Beratenden auf der Seite der BMH online veröffentlicht. Individuelles Beratungsangebot Die regelmäßigen Kontaktaufnahmen der Betroffenen in 2023 zeigten, dass auch nach dem Auslaufen der Stiftung Anerkennung und Hilfe und der Anlaufstelle für ehemalige Heimkinder Beratungsbedarf besteht. So wohl bereits bekannte Klientinnen und Klienten aus den vergangenen Hilfesystemen als auch neue Betroffene, die vorher noch keinen Kontakt zu einer Beratungsstelle aufgenommen hatten, meldeten sich. - Neue Betroffenengruppe nimmt Angebot an Hier ist vor allem die Gruppe der Verschickungskinder zu nennen, für die es davor noch keine Anlaufstelle gab. Unter dem Begriff „Verschickungskinder“ versteht man Kinder und Jugendliche, die in den 1950er- bis in die 1980er-Jahre hinein ausgehend von Ärztinnen und Ärzten für bis zu sechs Wochen in Kur- und Erholungs heime geschickt wurden. Ziel war die Förderung der Gesundheit durch gute Ernährung und frische Luft. Gezahlt wurde das Ganze von den Krankenkassen. Viele Betroffene berichten von drastischen Strafen, Prügel und Demütigungen dort. Ferner meldeten sich zahlreiche Personen, die als Minderjährige in Heimen der Kinder- und Jugendfürsorge untergebracht waren und dort Missbrauch erfahren hatten. Die Anfragen von Betroffenen aus der stationären Behindertenhilfe und psychiatrischen Einrichtungen sind zurückgegangen, was daran liegen kann, dass diese Betroffenengruppe häufig bereits gut an andere Hilfesysteme angebunden ist. - Verändertes Beratungssetting Im Unterschied zu den Ende 2022 ausgelaufenen Hilfsangeboten für Menschen mit Heimerfahrungen im ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt fällt auf, dass sich das Beratungssetting geändert hat. Während beim Fonds Heimerziehung und der Stiftung Anerkennung und Hilfe die Betroffenen entweder zu einem persönli chen Gespräch in die Beratungsstelle kamen oder am Wohnort von den Beraterinnen und Beratern besucht wurden, findet nun der überwiegende Teil der Beratun gen per Telefon und E-Mail statt. Hausbesuche sind die Ausnahme geworden. - - T H EMA 3 Abrufbar unter: https://s.bayern.de/fLWwyeljyN (letzter Aufruf am 23.02.2024)

MITTEILUNGSBLATT 01-2024 4 T H EMA Große Bandbreite an Anliegen Die Gründe, warum sich die Betroffenen mit Heimer fahrung an die Beratungsstelle wenden, sind so unter schiedlich wie die Menschen selbst. Einige konnten in ihrem Leben aufgrund der Missbrauchserfahrungen in der Kindheit und Jugend nie Fuß fassen, werden von ak tuellen privaten oder gesellschaftlichen Geschehnissen getriggert und sind immer wieder von psychischen und/ oder finanziellen Krisen betroffen. Andere wollen bei spielsweise im Alter ihre Kindheitserfahrungen im Heim aufarbeiten und sind auf der Suche nach Heimakten und Unterlagen aus dieser Zeit. Wieder andere befürc ten, mit fortgeschrittenem Alter in einem Pflegeheim einquartiert zu werden und haben Angst, in diesem stationären Setting wieder mit ihrer schmerzhaften Heimvergangenheit konfrontiert zu werden. In all diesen und auch allen anderen Krisensituationen und Problem lagen nimmt sich das Team der BMH den Klientinnen und Klienten an und versucht Hilfs- und Unterstützungs angebote zu vermitteln. - - - - h- - - Überindividuelle Aufarbeitung Neben der individuellen Beratung mittels Beratungs gesprächen liegt der Schwerpunkt der BMH auf der überindividuellen Aufarbeitung der Heimerfahrungen. Hier geht es darum, unter aktiver Mitgestaltung und Partizipation der Betroffenen die Gesellschaft für deren unterschiedliche Erfahrungen zu sensibilisieren. Dies geschieht auf unterschiedliche Art und Weise. - Gesellschaftliche Sensibilisierung Am anschaulichsten wird die gesellschaftliche Aufar beitung sicherlich durch den goldglänzenden Bären vor dem Gebäude des ZBFS – Bayerisches Landesju gendamt. Dieser wurde als bleibendes Mahnmal für alle betroffenen Menschen mit Heimerfahrung am 12. Mai 2023 nach einer Rede von Sozialministerin Ulrike Scharf und ehemaligen Heimkindern feierlich eingeweiht. Der Fachbeirat der Anlaufstelle für ehemalige Heim kinder war maßgeblich an dem vorangegangenen Kunstwettbewerb beteiligt. Kurz darauf, im Juli 2023, wurde der Beirat verabschiedet. Gemeinsam mit den ehemaligen Heimkindern, Vertreterinnen und Vertretern aus dem Bayerischen Sozialministerium, der kirchlichen Wohlfahrtsverbände, der Wissenschaft und der Politik wurde auf die erfolgreiche Zusammenarbeit des Fach beirats von 2014 bis 2023 zurückgeschaut. Gleichzeitig wurden neue Ideen für die zukünftige Aufarbeitung gesammelt. Die Betroffenen betonten dabei den stets respektvollen Austausch untereinander. - - - - Aber auch andere Projekte zur überindividuellen Aufar beitung wurden vorangetrieben. So vernetzte sich die BMH mit der Katholischen Stiftungshochschule München (KSH), um die Fachkräfte von morgen über die Thematik aufzuklären und zu sensibilisieren. Im Rahmen dessen entwarf Maximilian Ditz (ZBFS – Bayerisches Landes jugendamt/BMH) ein Seminar, welches er im Oktober 2023 mit Erfolg an der Hochschule vor Studierenden der Sozialpädagogik hielt. Weitere Kooperationen mit Hochschulen, Universitäten und Ausbildungsstätten sind in Planung. Ferner wurden Einrichtungen bei der Aufar beitung ihrer institutionellen Geschichte unterstützt und Institutionen konzeptionell beraten. - - - Fazit und Ausblick Als Fazit des ersten Jahres der BMH lässt sich festhal ten, dass auch nach Auslaufen der Anlaufstelle für ehe malige Heimkinder und der Stiftung Anerkennung und Hilfe Ende 2022 weiterhin großer Beratungs- und Unter stützungsbedarf von Seiten der Zielgruppen besteht. - - - Für 2024 hat sich die BMH deswegen zum Ziel gesetzt, durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit den Bekannt heitsgrad der Beratungsstelle weiter zu steigern, um noch mehr Betroffene zu erreichen. Des Weiteren soll die aktive Zusammenarbeit mit allen vier Betroffenen gruppen (Menschen aus der Kinder- und Jugendhilfe und der Behindertenhilfe, Psychiatrieerfahrene und Verschickungskinder) durch die Initiierung eines neuaus gerichteten Fachbeirats gefördert und gestärkt werden. Die Betroffenen sollen so unmittelbar bei dem Aufar beitungsprozess der Unrechtserfahrungen und bei der Initiierung von Verbesserungen innerhalb des Hilfesys tems beteiligt werden. Außerdem sollen Projekte zur gesellschaftlichen Aufarbeitung des Leid und Unrechts im Heimkontext ausgeweitet werden. Zu nennen ist hier die Vernetzung und Kooperation mit Hochschulen, Universitäten und Ausbildungsstätten. Das Ziel all dieser Projekte ist die Förderung von Prävention, Inklusion und Schutzkonzepten in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, damit solche Unrechtserfahrun gen in der Zukunft möglichst nicht wieder geschehen können. - - - - - - MAXIMILIAN D I T Z ANN I NA BÖ R GMANN

MITTEILUNGSBLATT 01-2024 5 Bayerns Familienministerin Ulrike Scharf nahm heute an der 157. Sitzung des Landesjugendhilfeausschusses (LJHA) teil, um sich zu kinder- und jugendpolitischen Themen auszutauschen. Die Ministerin betonte: „Unsere Zusammenarbeit mit dem Landesjugendhilfeausschuss ist bundesweit einzig artig. Wir unterstützen die bayerische Jugendhilfepraxis bestmöglich und tauschen uns zu wichtigen aktuellen Themen, wie der Versorgung unbegleiteter ausländi scher Minderjähriger, aus. Ein besonderes Anliegen st mir die Stärkung der Partizipation von Kindern und ugendlichen. Eigenverantwortung, Gemeinschafts- und emokratiefähigkeit werden damit gezielt gefördert. - - i J D Die Vorstellungen und Sichtweisen von Kindern und Jugendlichen müssen in allen Lebensbereichen Berück sichtigung finden. Ich danke allen Mitgliedern des Aus schusses für die Zusammenarbeit und ihr großartiges Engagement zum Wohle der Kinder und Jugendlichen! Mein Dank gilt auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbei tern der öffentlichen und freien Kinder- und Jugendhilfe. Insbesondere in unseren herausfordernden Zeiten sind Sie mit Ihrem täglichen Einsatz für junge Menschen und ihre Familien enorm wichtig!“ - - - Der LJHA setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der öffentlichen und freien Jugendhilfe, der kommu nalen Spitzenverbände, Verbänden sowie weiteren Vertreterinnen und Vertretern aus anderen Bereichen (Eingliederungshilfe, Schule, Arbeitsverwaltung etc.) zusammen. Der LJHA befasst sich mit allen Angelegen heiten der Kinder- und Jugendhilfe, soweit sie von über örtlicher Bedeutung sind und ist ein zentraler Partner des Familienministeriums bei der Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfepolitik in Bayern. - - - Seit Beginn dieser Amtsperiode (Start 2023) sind auf Initiative des Familienministeriums erstmals auch Mit glieder des Landesheimrats Bayern sowie Vertreter aus dem Bereich der Eingliederungshilfe, die vom Bayeri schen Landebehindertenrat benannt wurden, vertreten. - - Weitere Informationen zum Thema Partizipation von Kindern und Jugendlichen unter https://www.partizipation.bayern.de. PRESSEMELDUNG DES STMAS VOM 21. FEBRUAR 2024 FAMILIENMINISTERIN IM AUSTAUSCH MIT DEM LANDESJUGENDHILFEAUSSCHUSS I N F O Abbildung: Ulrike Scharf, Familienministerin, und Dr. Christian Lüders, Vorsitzender des Landesjugendhilfeausschusses. Bild: Renate Hofmeister, ZBFS-BLJA

MITTEILUNGSBLATT 01-2024 6 I N F O AUSLANDSADOPTION Ausgangslage Lebenswelten von Partnerschaften hinsichtlich der eigenen Familienplanung unterstehen seit Jahren einem signifikanten Wandel, dessen Auswirkungen zunehmend auch in der Adoptionsvermittlung spürbar sind. Häufig wird der Kinderwunsch immer länger aufgeschoben und ist dann auf dem natürlichen Weg nicht mehr realisierbar. Die Möglichkeit einer späten Elternschaft ist dabei keinesfalls mehr eine Ausnahme. Die Option, in Kinderwunschzent ren oder vergleichbaren klinischen Einrichtungen über eine IVF (In-Vitro-Fertilisation) den eigenen Kinderwunsch realer werden zu lassen, scheint bei vielen Paaren, denen eine natürliche Schwangerschaft verwehrt ist, der Regelfall zu werden. Nicht zuletzt auch dadurch, dass ein gesellschaft liches Paradigma entstanden ist, in dem durch die Mög lichkeiten der Reproduktionsmedizin Paaren suggeriert wird, dass dies auch erfolgsversprechend sei. Dadurch steigt zum einen das Alter von Adoptionsbewerbenden, die nach nicht erfolgreichen Behandlungen eine Adoption in Erwägung ziehen. Die psychische Belastungssituation erschwert zudem eine objektive Sicht auf die immer schwieriger werdenden Adoptionsmöglichkeiten im Aus land zusätzlich zum fortgeschrittenen Alter der Bewer benden. Die Adoptionsvermittlungsstellen stehen hierbei vor einer besonderen Herausforderung in der Beratung: Immer ältere Bewerberpaare (aufgrund oft langjähriger Behandlung hinsichtlich IVF im Vorfeld) stehen gegenüber immer weniger für internationale Adoptionen freigegebe nen Kindern (immer mehr Kinder können im Heimatland vermittelt werden). - - - - - - Rechtliche Voraussetzungen Damit ein Ehepaar oder eine Einzelperson für eine Adoption – sei es im In- oder Ausland – infrage kommt, müssen nach deutschem Recht zunächst gewisse Grundvoraussetzun gen erfüllt sein, die nachfolgend zusammengefasst sind: - Nach § 1743 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) muss ein Ehegatte das 21. Lebensjahr und der andere das 25. Lebensjahr vollendet haben. Möchte eine einzelne Person adoptieren, so beträgt das Mindestalter ebenfalls 25 Jahre. Nach § 1744 BGB soll eine Annahme erst ausgesprochen werden, wenn das Kind für einige Zeit in Pflege bei den Adoptiveltern lebte. Sind bereits leibliche oder adoptierte Kinder vorhanden, so wird der Adoption nur zugestimmt, wenn das Wohl aller Kinder weiterhin gegeben ist (§ 1745 BGB). Damit Adoptionsbewerbende einen Anspruch auf Erstellung eines Adoptionseignungsberichts – die Grund lage für eine Vermittlung aus dem Ausland – geltend machen können, ist neben den benannten Grundvoraus setzungen vor allem die Frage der Eignung zu klären. Im Zuge des hierfür erforderlichen Prüfverfahrens nach § 7 Abs. 3 Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) für die Auslandsadoption ist dabei zum einen die „allgemeine Eig nung“ der Adoptionsbewerbenden für eine Adoption durch das örtlich zuständige Jugendamt zu prüfen, zum anderen auch insbesondere die Eignung zur Übernahme der mit ei ner internationalen Adoption verbundenen Verantwortung durch die zuständige Auslandsvermittlungsstelle. - - - - Dabei dienen die Empfehlungen zur Adoptionsvermittlung der BAGLJÄ, 9. Aufl. 20221, als Grundlage, bzw. die für die Fachpraxis ausgearbeiteten Handreichungen der Zentralen Adoptionsstellen (in Bayern: Eignungsüberprüfung von Bewerbern i. d. Adoptions- und Pflegekindervermittlung, ZBFS-BLJA, 2. Aufl. 2006). Diese Empfehlungen haben zwar weder materiellen Gesetzescharakter noch sind sie eine Verwaltungsvorschrift, allerdings bieten sie angesichts der darin zum Ausdruck gebrachten fachlichen Äußerungen eine beachtliche Anwendungs- und Auslegungshilfe für die Normen des AdVermiG. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Ausführungen zur Eignungsüberprüfung (VG Sigmarin gen, Urteil v. 25.09.2008 – 8 K 159/07 –, Rn. 34, juris). - Eine Auslandsadoption ist immer eine große Herausforderung für alle Beteiligten: die Bewerbenden, die Vermitt lungsstelle und vor allem die Adoptierten selbst. Im Hinblick auf das Alter Adoptierender sowie Adoptierter soll hierbei ein besonderes Augenmerk gelegt werden. - ANSPRÜCHE AN DIE BESONDERE ADOPTIONS EIGNUNG - 1 Abrufbar unter: https://s.bayern.de/THDnMG2AVS (letzter Zugriff am 11.03.2024)

MITTEILUNGSBLATT 01-2024 7 I N F O Eignungsprüfung/Prüfkriterien Für die Feststellung der Eignung von Adoptionsbewerben den im Sinne des § 7 Abs. 3 AdVermiG ist grundsätzlich vor dem Hintergrund der Voraussetzungen des § 1741 BGB zu prüfen, ob die Annahme dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen den Annehmen den und dem Kind eine Eltern-Kind-Beziehung entsteht. Dem Kindeswohl kommt hier somit eine ausschlaggeben de Bedeutung zu (VG Sigmaringen, Urteil v. 25.09.2008 – 8 K 159/07 –, Rn. 34, juris, mit weiteren Nachweisen; VG Hamburg, Urteil v. 01.12.2005 – 13 K 3059/05 –, Rn. 19, juris). - - - Der Begriff des Kindeswohls als ausschlaggebendes Krite rium für eine positiv festzustellende Adoptionseignung von Bewerbenden kann hierbei nicht als Momentaufnahme betrachtet werden, sondern ist mit Reichweite weit in die Zukunft hinein als Prognose zu sehen. Eine kurz- bzw. mittelfristige Verbesserung der Lebenssituation für ein anzunehmendes Kind ist hierbei nicht allein entscheidend. Es sind auch immer die langfristigen (möglichen) Entwick lungen zu berücksichtigen. Die Vorgaben der im Zuge des Prüfverfahrens herangezogenen Eignungskriterien sind auch dahingehend zu prüfen, inwiefern günstig prognosti zierte Verhältnisse für das Kind bzw. für eine Eltern-Kind- Beziehung über einen längeren Zeitraum – bis zur vollständigen Selbstständigkeit des anzunehmenden Kindes – gewährleistet werden können (VG Sigmaringen, Urteil v. 25.09.2008 – 8 K 159/07 –, Rn. 34, juris). - - - Kindeswohl als ausschlaggebendes Kriterium Da in der Rechtsprechung grundsätzlich bei Streitfragen im Zusammenhang mit der Eignung von Adoptionsbewer benden Einigkeit darüber besteht, dass es in erster Linie Aufgabe der Adoptionsvermittlung ist, für ein zur Adoption freigegebenes Kind geeignete Eltern zu finden und dem Kind das Aufwachsen in einer stabilen Familie zu ermög lichen, sind die Interessen der Adoptionsbewerbenden dem untergeordnet. In der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) sind Adoptivkinder aufgrund ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit mit einem eigenen Artikel aufgeführt (Art. 21 UN-KRK). Darin verpflichten sich die Vertragsstaa ten, zu gewährleisten, „[…] dass dem Wohl des Kindes bei der Adoption die höchste Bedeutung zugemessen wird […]“. Mit dieser Formulierung wird deutlich gemacht, dass das Wohl des Kindes nicht nur ein vorrangig zu berücksich tigender Gesichtspunkt unter mehreren ist, sondern dass bei Adoptionen kein anderes Interesse (sei es wirtschaftli cher oder politischer Art oder die Bedürfnisse von Adop tionsbewerbenden betreffend) einen im Verhältnis zum Wohl des Kindes gleichen oder gar übergeordneten Rang - - - - - - beanspruchen kann. Das Hauptziel der Adoptionsvermitt lung ist somit nicht, den Bewerbenden bei der Verwirkli chung ihrer Wünsche und Vorstellungen – Erfüllung des Kinderwunsches – zu helfen (VG Hamburg, Urteil vom 18.12.2001 – 13 VG 2780/2001 –, m.w.N.; im Anschluss daran ebenso VG Hamburg, Urteil vom 01.12.2005 – 13 K 3059/05 –, juris Rn. 20 ff.), sondern stets für ein adopti onsbedürftiges Kind diejenigen Adoptionswilligen auszu wählen, die auf allen Gebieten die günstigsten Vorausset zungen bieten (vgl. dazu EGMR, Urteil vom 26.02.2002, FamRZ 2003, S. 149, 150 [re. Sp.]). - - - - - Alter der Bewerber als hinreichendes Kriterium Im Rahmen der Bewerberüberprüfung stellt somit auch deren Alter ein hinreichendes und nicht unerhebliches Kri terium für die Feststellung einer Adoptionseignung dar (VG Sigmaringen, Urteil v. 25.09.2008 – 8 K 159/07 –, Rn. 34, juris). Die Empfehlungen der BAGLJÄ zur Adoptionsvermittlung verweisen im Bereich der Eignungsüberprüfung zwar darauf, dass starre Altersgrenzen zwar nur bedingt geeignet wären, den Erfolg einer Vermittlung sicherzu stellen (vg. Ziffer 7.4.2.2), das Alter der Bewerbenden stelle jedoch – ebenso wie die Altersdifferenz zu einem anzunehmenden Kind – ein taugliches Eignungskriterium dar, indem es auf andere Merkmale wie z. B. Gesundheit, Lebenserfahrung, Belastbarkeit und Flexibilität verweist. - - Um den oben beschriebenen Sachverhalten und Anforder ungen zu entsprechen, sollte das Alter der Adoptiveltern im Verhältnis zu einem anzunehmenden Kind einem natür lichen Altersabstand entsprechen. Im Hinblick auf die Empfehlungen zur Altersdifferenz der BAGLJÄ ist anzu merken, dass sich durch bereits erwähnte gesellschaft liche Veränderungen (u. a. auch den medizinischen Fort schritt) immer mehr Paare in fortgeschrittenem Alter dafür entscheiden, den Kinderwunsch zu verwirklichen. Diese Veränderungen sollten demnach auch bei der Eignungs beurteilung mit einfließen. Zunächst sollte wegen einer größeren Altersdifferenz nicht ausgeschlossen werden, dass eine Eltern-Kind-Beziehung zwischen dem Bewerber paar und einem anzunehmenden Kind entstehen kann. Dennoch ergibt sich der Umstand, dass mit zunehmen der Altersdifferenz zu einem anzunehmenden Kind die angestrebte Beziehung verändert und – unabhängig von der in dieser Beziehung bestehenden Bindung – ein Ver hältnis entstehen mag, welches sich von einem typischen Eltern-Kind-Verhältnis zu einem eher großelterlichen Verhältnis verschieben mag. Tatsächlich ist es so, dass die BAGLJÄ-Empfehlungen in der derzeit aktuellen Auflage diese gesellschaftliche Entwicklung im Hinblick auf späte Elternschaft mitberücksichtigen. Die benannte Regelfall - - - - - - - - - -

MITTEILUNGSBLATT 01-2024 8 I N F O grenze für den Altersabstand zwischen Adoptionsbewer benden und potenziellem Adoptivkind soll hierbei einem natürlichen Altersabstand entsprechen, nicht dem Alters abstand, der durch Inanspruchnahme reproduktionsmedi zinischer Assistenz als möglich suggeriert wird. - - - Ausschlaggebend vor dem Hintergrund des Alters von Adoptionsbewerbenden und einem möglichen Altersab stand zu Adoptivkindern ist zweifelsfrei aber zu berück sichtigen, dass adoptierte Kinder aufgrund zusätzlicher Anforderungen in ihrer Entwicklung und Identitätsfindung nicht selten länger als leibliche Kinder auf eine belastbare Unterstützung durch ihre Eltern angewiesen sind. Gerade in der schwierigen Phase der Pubertät der Kinder und deren beginnender Auseinandersetzung mit der eigenen Identität im fortgeschrittenen Lebensalter können Adoptiv eltern oft schneller an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gelangen. Zudem spielt das Alter der Adoptiveltern eine erhebliche Rolle bei der Beurteilung körperlicher Anforde rungen, welche generell mit der alltäglichen und ständigen Verantwortung für Kinder einhergeht. - - - - Auch hierbei sollte sich bei der Überlegung hinsichtlich ei ner möglichen Adoptionseignung nicht nur auf den Mo ment oder einen kürzeren Zeitraum fokussiert werden. Die Leistungsfähigkeit muss prognostisch über einen mit den besonderen Verantwortungen für das Adoptivkind relevan ten Zeitraum gesichert werden. Diesem Aspekt liegt die grundsätzliche Abhängigkeit von Alter und körperlicher Leistungsfähigkeit zugrunde, welche die erhöhten Anfor derungen einer Eltern-Kind-Beziehung gerade durch ihre emotionale Nähe mit sich bringt. - - - - Besondere Aspekte der Auslandsadoption Ein weiterer zu beachtender Aspekt ergibt sich zusätzlich im Zusammenhang mit einer Auslandsadoption. Ein offen sichtlicher und nicht unbeachtlicher Faktor stellt die Tat sache dar, dass eine Auslandsadoption durch den damit verbundenen Wechsel des Kultur- und Sprachraums besondere Herausforderungen in sich birgt und diese sich ihrerseits im späteren Alltag von Adoptivfamilien in einer deutlich erhöhten Belastung und Anforderung an die Adoptiveltern niederschlagen (VG Sigmaringen, Urteil v. 25.09.2008 – 8 K 159/07–, Rn. 34, juris, mit weiteren Nachweisen; VG Hamburg, Urteil v. 01.12.2005 – 13 K 3059/05 –, Rn. 27, juris; Ziffer 7.4.3 und 13.3.2.2 Empfeh lungen der BAGLJÄ, 7. Aufl. 2014). Der Betreuungs- und Erziehungsaufwand ist hier vergleichsweise deutlich höher im Hinblick auf die besonderen Probleme bei der Adoption von (insbesondere älteren) Kindern aus dem Ausland. Diese haben durch die Adoption bereits einen erheblichen - - - Bruch in ihrem Leben erleben müssen, da sie aus ihrem gewohnten Lebensumfeld in eine vollkommen neue und fremde Umgebung gelangen. Eine Umstellung, die umso größer wird, je länger ein Kind bereits im bisherigen Le bensumfeld lebte (Muttersprache, Kindergarten, Schule). Um dem primären Ziel der dauerhaften Sicherung des Kindeswohls durch eine Adoption entsprechen zu können, muss angesichts solcher Lebenswege mit besonderer, nochmals erhöhter Dringlichkeit vermieden werden, dass die erfolgte Adoption scheitert – sei es auch nicht ange sichts der emotionalen und erzieherischen Fähigkeiten der Adoptiveltern, sondern, wie bereits erläutert, aufgrund der altersbedingten und gesundheitsbezogenen Lebensum stände. - - - Es ist somit bereits im Zuge der Adoptionsvermittlung – und hier gilt besonderes Augenmerk der Adoptionseig nungsprüfung – dazu beizutragen, dass der langfristige Erfolg der Adoption mit möglichst großer Sicherheit gewährleistet werden kann. Somit sind bei einer Auslands adoption erhöhte Anforderungen an alle Eignungskriterien bei den Adoptionsbewerbenden gestellt, welche sich noch mals verstärken, wenn es um die Adoption von älteren ausländischen Kindern aus beispielsweise einem Kinderheim geht. Der zu einer Adoption erfolgende Einschnitt in das Leben eines Adoptivkindes wäre hierbei noch zusätz lich durch bereits einen möglicherweise erheblichen Ein schnitt in deren Kindheit bzw. Jugend begleitet. Eine besondere Herausforderung wäre vor diesem Hintergrund zudem auch die Aufnahme von Geschwisterkindern. - - - - - Schlussfolgerung Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es dem Wohl des Kindes in der Regel nicht dienen würde, wenn der Altersabstand zwischen Annehmenden und Anzunehmen den mehr als 40 Jahre beträgt. Die Aufnahme von mehr als einem Kind stellt zudem nochmals erhöhte Anforderun gen an Adoptionsbewerbende. - - RENÉ ERGENZINGER

MITTEILUNGSBLATT 01-2024 9 I N F O Einleitung: Auftrag und Anliegen der Expertise Wissen ist eine der bedeutendsten Ressourcen für Unternehmen und Verwaltungen (Katenkamp 2011). Vor dem Hintergrund, dass öffentliche Verwaltung – und da mit auch Jugendämter – zunehmend mit einer Verdich tung von Arbeitsabläufen, dem Zuwachs von Arbeitsauf gaben bei gleichzeitiger Verknappung der Verfügbarkeit der Ressource Fachkraft zu kämpfen haben, muss der Umgang mit Wissen systematisch und arbeitsprozess fördernd gestaltet werden. Gerade der Bereich Kinder schutz eignet sich exemplarisch dazu, die Aufgaben ausweitung und -ausdifferenzierung im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) zu beschreiben, die spätestens seit dem Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes 2012 zu verzeichnen sind. - - - - - - Dennoch hat sich Wissensmanagement in den Jugend ämtern bislang nicht nachhaltig etablieren können. Das erscheint angesichts der konkreten Ziele von Wissens management verwunderlich, da diese die oben skizzierte Problematik gut spiegeln: - - • Bewahrung des Wissens fluktuierender Experten durch systematisches Sichern, • Vermeiden von Fehlern und Doppelarbeiten durch ausführliches Dokumentieren von Projekterfahrun gen und Best-Practice-Beispielen, - • Schnellere Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Nutzung gespeicherter Wissensbe stände z. B. in Form von Dokumenten in Datenban ken und Wissensträgerlandkarten, - - • Ausschöpfung von Synergiepotenzialen durch behördenübergreifenden Wissensaustausch, • Entlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Zeitersparnis durch das Verringern von Fragen an Expertinnen und Experten durch den struktu rierten und schnellen Zugriff auf dokumentiertes Wissen, - • Innovation durch Reflexion über das eigene Fachge biet, da das eigene Wissen bzw. dessen Anwendung den anderen Mitarbeitern gegenüber kommuniziert werden muss (Müller 2004). - Wenn überhaupt wird Wissensmanagement in den Jugendämtern bislang vielerorts als das Einführen technischer Systeme und Werkzeuge begriffen. Al lerdings greift dieser Ansatz zu kurz. Nur „10 % der Jugendämter [sehen] in den internen Dokumentations verfahren eine Entlastung“ (Gadow u. a. 2013, S. 55). - - VERÖFFENTLICHUNG AUSZUG AUS „EXPERTISE DES DJI – WISSENS MANAGEMENT. BAND 3: FACHKONZEPTE UND QUALITÄTSSICHERUNG“ VON GRIT HRADETZKY - Die Expertise1 entstand im Rahmen des DJI-Projekts „Qualitätsentwicklung im Kinderschutz in Baden-Württemberg“. Der folgende Text ist ein unveränderter Auszug aus der 2023 erschienenen Publikation. Die komplette Expertise kann kostenfrei online beim Deutschen Jugendinstitut2 heruntergeladen werden. Die Veröffentlichung des Auszugs erfolgt mit freundlicher Genehmigung des DJI. 1 Nähere Informationen zum Projekt finden Sie auf der Projekthomepage: www.dji.de/QuaKi (letzter Zugriff am 23.02.2024). 2 Abrufbar unter: https://s.bayern.de/pLwqz1fy5f (letzter Zugriff am 23.02.2024).

MITTEILUNGSBLATT 01-2024 10 I N F O Das bedeutet, dass technische Verfahren bestimmten Anforderungen entsprechen müssen, damit diese als reine Entlastung empfunden werden. Das allein sagt aber nichts darüber aus, ob damit auch Wissenstransfer gelingen kann. Dem Thema Wissensmanagement müssen sich Ju gendämter aber bewusst stellen, um einerseits dem Verlust von Wissen durch Generationenwechsel und Fachkräftemangel aktiv entgegentreten zu können. Andererseits unterstützt Wissensmanagement aktiv Prozesse der Qualitätsentwicklung und Jugendhilfepla nung, denn - - Es gilt also, individuelles Erfahrungswissen von Fach kräften für organisationales Wissen in den Jugendäm tern anschlussfähig zu machen, denn die Qualität personenbezogener sozialer Dienstleistungen ist in hohem Maße abhängig vom Faktor Fachkraft. Somit sind Fragen der Qualität, Effektivität und Effizienz von Leistungen neben „harten“ Faktoren wie Infrastruktur und Ressourcenverfügbarkeit auch vom Faktor Wissen der Fachkraft abhängig. Die Jugendämter stehen dabei vor der Herausforderung, dass vielerorts junge und unerfahrene Fachkräfte im ASD arbeiten, bei denen die unzureichende Eigensicherung des Handelns wegen fehlendem oder unzureichend vorhandenem Erfahrungs wissen zu einem unsicheren Umgang mit Gefährdungs einschätzungen führt. Im Bereich des Kinderschutzes muss Wissensmanagement über die Grenzen des ASD und des gesamten Jugendamtes hinausgehen, da Kinderschutz Aufgabe einer Verantwortungsgemein schaft ist, bei der Jugendämter zwar eine zentrale Rolle spielen, aber eben nicht allein verantwortlich sind (vgl. § 3 KKG). Wissensorganisation ist dabei in erster Linie als ein kommunikativer Prozess zu verstehen, der mittels technischer Instrumente unterstützt werden kann. Niemals wird jedoch ein tragfähiges Wissensma nagement eingeführt und gelebt werden können, wenn die Technik im Vordergrund steht. Die Idee, sich allein - - - - - - technischer Hilfsmittel zu bedienen, diese der Orga nisation „zu verordnen“, damit Wissen zu generieren und verwertbar zu machen, ist ein Trugschluss, der auch mit den ausgefeiltesten Tools nicht behebbar ist, denn Technik muss einer Organisation als regelbasier tem System, in dem Menschen arbeitsteilig an Zielen und Aufträgen arbeiten, folgen und nicht umgekehrt. Vielmehr sind der Mensch als lernendes Individuum, die Organisation, in der das Wissen verankert werden und die Technik, die Prozesse der Wissensspeicherung unterstützen soll, das Fundament für ein Wissensma nagement. Die Einführung und Ausgestaltung eines so verstandenen Wissensmanagements ist Gegenstand von Führungs- und Managementprozessen und somit Aufgabe von Führungs- und Leistungskräften, denn es sind „Führungskräfte, die für die Definition von Organi sationszielen verantwortlich sind, und ihnen obliegt es Wissensmanagement-Aktivitäten einzuführen“ (Schader 2016, S. 2). Die Einführung und Nutzung eines Wissens managements bedarf deshalb einer bewussten Manage mententscheidung, um in einem sich anschließenden Prozessmanagement zu einem ausgestalteten Unter stützungsprozess im Kinderschutz werden zu können. - - - - , - - - Die vorliegende Expertise geht daher der Frage nach, wie Wissen nachhaltig im ASD für den Bereich Kinder schutz mittels Wissensmanagement gesichert werde kann. Der Aufbau ist dazu dreiteilig gestaltet. In einem ersten Teil werden ausgewählte Wissensmanagement modelle vorgestellt und hinsichtlich ihrer Nutzbarkeit in den Jugendämtern diskutiert. Der zweite Teil erörtert, wie ein Wissensmanagement für den ASD aufgebaut werden könnte. Im dritten Teil werden beispielhaft einige Werkzeuge von Wissensmanagement aufgezeigt, die den in Teil zwei beschriebenen Prozess unterstützen können. - n - Anliegen der Expertise ist das Unterbreiten eines Vorschlages zur Implementierung eines Wissensma nagements im ASD. Dazu sollen Denkanstöße initiiert werden. Ein Verfahrensvorschlag wird unterbreitet. Dieser soll in den Jugendämtern genutzt werden, um Denk-, Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse in Gang zu setzen, welche Feinjustierungen und Verfahren im eigenen Haus notwendig sind, um das Thema Wis sensmanagement im ASD solide aufsetzen zu können. Dabei ist zu beachten, dass der Aufbauprozess ein dafür günstiges organisatorisches Gefüge braucht, das unter Umständen erst generiert oder verbessert werden muss. - - „Wissen ist (…) das handlungsleitende Interpreta tionsschema, das von Handelnden im Alltagsleben erlernt, gespeichert und abgerufen werden kann. Handeln generiert folglich auch Wissen, denn durch Sozialisations- und Lernprozesse bzw. Erfahrungen wird eine neue Wissensbasis geschaffen, um auf veränderte Situationen eingehen zu können“ (Müller 2009, S. 31). -

MITTEILUNGSBLATT 01-2024 11 I N F O Da keine evaluierten Erfahrungswerte im Bereich Wissensmanagement in Jugendämtern vorliegen, ist die Expertise explorativ angelegt. Eingeflossen sind hier die Ergebnisse meiner 2014 im Studiengang „Bildung und Medien: eEducation“ an der FernUniversität in Hagen vorgelegten Masterarbeit „Konzeption eines behördenübergreifenden Wissensmanagements für die Fachkräfte der Jugendhilfeplanung in den bayerischen Jugendämtern“ sowie Erkenntnisse aus dem Arbeits bereich Wissensmanagement im ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt. - […] Beispiel für einen CoP-basierten Wissens managementprozess im ASD - Die Umsetzung des theoretischen Konzepts der CoPs in die Praxis wird am Anfang nicht leicht sein. Durch die „trockene“ Theorie entmutigen lassen sollte sich aber niemand. Theorie muss immer an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden. Und so gilt auch hier: Jeder ASD funktioniert anders, jede CoP ist so individuell wie ihre Mitglieder. Der Praxistransfer kann daher nur dy namisch geschehen und muss von gemeinsamen Lern- und Anpassungsprozessen geprägt sein. Beispielhaft wird im Folgenden ein Wissensmanage mentprozess skizziert, um die sechs beschriebenen Prozesse zu illustrieren. - - Ziele setzen a) Externe Aktivierung und Unterstützung Ein Ziel könnte sein, dass im ASD allgemein die Einar beitung neuer Mitarbeitender verbessert werden soll Die ASD-Leitung oder auch eine andere Führungsebene bittet dafür die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um konkrete Ideen zur Zielerreichung. Dazu bieten sich ver schiedene Methoden und Mittel an. Es kann ein Ideen workshop stattfinden oder eine Mitarbeiterversammlung zum Thema, alternativ kann der Auftrag aber einfach in die Mitarbeiterschaft gegeben werden. - . - - b) Aushandeln und Bestimmen konkreter Ziele Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschließen, dass ein Patensystem eingeführt werden soll. Ein konkretes Umsetzungskonzept wird dafür erarbeitet. Wie das Umsetzungskonzept erarbeitet wird, liegt in der Hand der Mitarbeitenden. Wichtig dabei, ist, dass die Grup pe (also unsere CoP) die Ziele selbst definiert hat und vertritt. - Wissenskommunikation a) Gelegenheit für Kommunikation Das Konzept könnte beinhalten, dass mindestens ein mal wöchentlich Pate/Patin (als Teil der „ASD-Wissens gruppe“) und „Neuling“ eine Stunde Zeit gemeinsam verbringen. Darüber hinaus sind aber auch Teambespre chungen oder gemeinsame Mittagspausen Gelegenhei ten für Kommunikation von Pate/Patin und „Neuling“, aber auch für das gesamte Team. - - - - Die Gelegenheiten für Kommunikation ergeben sich aus den strukturell verankerten Anlässen (etwa Teambespre chungen, Fortbildungen) und den spontanen, informel len Kommunikationsanlässen, wie dem kurzen Plausch an der Bürotür, dem Zusammentreffen in der Teeküche, der gemeinsamen Mittagspause usw. Wichtig ist, dass die spontanen und informellen Kommunikationsanläs se sowohl von den Führungskräften als auch von den Mitarbeitenden als wichtige Gesprächsgelegenheiten begriffen werden. Gerade neue Mitarbeitende kommen auf diese Weise mit vielen Kolleginnen und Kollegen ins Gespräch und generieren darüber wichtige Informatio nen für die eigene Arbeit, welche später durch Anrei cherung mit eigenen Erfahrungen und Reflexionen zu Wissen wird. - - - - - Wesen dieses Prozesses ist die Erarbeitung und Ausrichtung eines eigenen, gruppenspezifischen Wissens, aber auch die Weitergabe dieses Wissens an (neue) Kol leginnen und Kollegen. Die Erweiterung und Anpassung des Wissenslevels der Gruppe durch Einbringen eigner Erfahrungen und Sichtweisen bewirkt einen Lernpro zess in der ganzen Gruppe. Unterstützend können eine Gruppenmoderation und/oder die Einführung von Regeln für Feedback im Rahmen der institutionell verankerten Gelegenheiten für Kommunikation wirken. Hier können auch Methoden wie z. B. „kollegiale Beratung“ als viel leicht neue Gelegenheiten für das ganze Team einge führt werden. Informelle Kommunikationsanlässe setzen ein Arbeitsklima voraus, das dies zulässt und kann nicht von „oben“ verordnet werden. Allerdings können Leitungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen und z. B. kleine Teamrituale wie gemeinsames Mittagsessen zu einer festen Zeit anregen bzw. selbst initiieren. - - - - b) Orte für Kommunikation Das Konzept könnte verbindliche Orte der Kommuni kation beinhalten. Dazu gehören verbindliche Teambe sprechungen genauso wie individuelle Orte des Treffs. Das verbindliche Festlegen solcher Kleinigkeiten mag entbehrlich erscheinen. Aber auch hier gilt: Das gemein - - -

MITTEILUNGSBLATT 01-2024 12 I N F O same Erarbeiten eines Konzepts und dessen Verschriftli chung erhöhen den Verbindlichkeitscharakter sehr. Orte für Kommunikation sind prinzipiell alle Orte, wo sich die ASD-Mitarbeitenden treffen (können). Darum sollten diese zweckmäßig, aber auch ansprechend gestaltet sein, denn lieblose Teeküchen und Bespre chungsräume usw. werden sicher nicht länger als nötig besucht. Dabei muss die Einrichtung nicht teuer sein. Wichtig ist, dass die Mitarbeitenden selbst Gestal tungsspielraum haben und das zur Verfügung stehende Mobiliar unbeschädigt ist und die (technische) Ausstat tung funktioniert. Diese Hinweise mögen überflüssig, weil selbstverständlich, erscheinen. Umso besser, wenn dem so ist. Sollte es nicht so sein, dann sollten Wege gefunden werden, aus reinen Zweckräumen Orte für Kommunikation zu machen. Es braucht Orte, die zum Reden einladen. - - - - c) Medien der Kommunikation Das Konzept könnte Festlegungen für die bevorzugte Nutzung von Kommunikationsmitteln regeln. Ein Punkt kann die verbindliche Besprechung von Protokollen oder Aktenvermerken sein. Auch Vereinbarungen über Kom munikations- und Dokumentationsart zum Fortschritt der Einarbeitung oder zu sich ergebenden Fragestellun gen im Einarbeitungsprozess sollten geregelt werden. Vergessen werden sollten auch nicht Regelungen dazu, wie in Ausfallzeiten des Paten bzw. der Patin kommuni ziert werden kann. - - - Das einfachste Medium ist unsere Sprache. Ein freundli cher, wohlwollender Sprachstil im Team ist damit Grund voraussetzung für Wissensaustausch im Rahmen einer Gruppe. Darüber hinaus geht es bei dem Punkt aber auch um Medien aller Art, die Kommunikation bewusst unterstützen und die allen zur Verfügung stehen. Ein gu tes Beispiel ist eine Pinnwand, auf der ganz einfach Fra gen zu fachlichen Themen gesammelt werden können und die z. B. im Rahmen der Teamsitzung bearbeitet werden. Aber auch der Vermerk in der Fallakte oder das Post-it auf der Fallakte sind Medien, mit denen Informa tionen übertragen werden können. Nicht zu unterschät zen sind vor allem gute Protokolle von Besprechungen und formellen Zusammenkünften, die eine gute Wis sensquelle sein können. Dazu müssen sie vor allem schnell angefertigt werden, einheitlich strukturiert sein und sich auf das Wesentliche beschränken. Und auch hier spielen die Orte eine wichtige Rolle: Für ein solides Wissensmanagement werden auch in (kleinen) Gruppen gut erreichbare und allen bekannte Ablageorte benö tigt, z. B. für Protokolle, auf die alle zugreifen können - - - - - - - - und die auch von allen zwingend in einem einheitlichen Verfahren benutzt werden. Auch das mag banal klingen, auch hier sieht es in der Realität oft anders aus. Wissensrepräsentation Das Konzept sollte beschreiben, welche Personen die bereits vorliegenden Protokolle, Konzepte usw. nach Themen und Relevanz für die Einarbeitung sortieren, auf Aktualität prüfen und geeignete Fallakten im Sinne von Fallstudien anonymisiert aufbereiten. Weiterhin sollte im Konzept stehen, an welchem Ort diese Materialien mit System gespeichert werden. Dabei sollte überlegt wer den, welcher Mix aus digitalisierter Ablage und persönli cher Kommunikation für die Einarbeitung sinnvoll ist. - - Wissensnutzung Das Konzept beinhaltet Ideen, wie neue ASD-Mitarbei tende ihr erworbenes Wissen einsetzen können. Denk bar ist hier das Vorstellen eigener Ideen zur Arbeitswei se bei Übernahme eines Falls gegenüber dem Paten bzw. der Patin, bevor die Arbeit in der Familie beginnt. Auch das gemeinsame Reflektieren nach Besuchen oder Fallkonferenzen kann als wesentlicher Einarbei tungspunkt im Konzept enthalten sein. - - - - Weiterhin sollte das Konzept Ideen enthalten, welche fachlichen Netzwerke und Arbeitsgruppen außerhalb des ASDs für neue Mitarbeitende sinnvoll sind, um Wis sen einzubringen, aber auch Wissen und Informationen zu generieren und in das eigene Team einzuspeisen. - Evaluation Das Konzept sollte festhalten, wie der Prozess der Einarbeitung überprüft wird. Verbindliche Mitarbeiter gespräche am Ende der Einarbeitungszeit sollten genau wie ein Feedbackgespräch mit dem Paten bzw. der Pa tin feste Bestandteile sein. Es bietet sich an, einen Zeit plan zu erarbeiten, in welchen Abständen die Gespräche zwischen Pate und „Neuling“ durchgeführt werden. Ein dafür eingesetztes Formular schafft Verbindlichkeit und kann auch Informationen über individuelle Bedarfe der Einarbeitung enthalten. So kann eine dynamische und persönlich angepasste Einarbeitung erreicht werden. - - - Wichtig ist, dass Erkenntnisse und Informationen, die im Laufe der Einarbeitung gewonnen werden, von allen Beteiligten zurück in die CoP getragen werden. Zum einen dient das deren Reflexion zum Wissensstand und -erwerb, zum anderen kann das Konzept dynamisch angepasst werden, um eine nachhaltig eine passgenaue Einarbeitung zu erreichen.

MITTEILUNGSBLATT 01-2024 13 I N F O Das von der CoP erarbeitete Konzept muss anschlie ßend den Entscheidungsträgern vorgestellt und disku tiert werden. Wichtig ist, dass die Entscheidungsträger sich aktiv auf diesen Prozess einlassen und eine echte Diskussion zulassen. Bei Ablehnung von vorgeschlage nen Inhalten sollen gemeinsam Alternativen gefunden werden, sodass am Schluss des Prozesses das Ergeb nis von allen wirklich akzeptiert wird und die CoP sich in ihrer Fachlichkeit ernst genommen fühlt. Im Idealfall setzt sich nun ein Prozess in Bewegung, der den gegen seitigen fachlichen Austausch intensiviert und zu einer Verbesserung des Wissens aller führt. - - - - - […] Fazit Im Arbeitsbereich Kinderschutz im ASD sind der Aufbau und die Etablierung eines Wissensmanage ments unerlässlich, um arbeitsrelevantes Wissen in der Organisation Jugendamt zu verankern. Hierbei ist zu beachten, dass es sich um ein Wissensmanagement handeln sollte, das in erster Linie auf das Explizieren von impliziten Wissensbeständen ausgelegt ist. Dafür bietet sich die Übertragung des Münchener Models mit dem Fokus auf die CoP (Communities of Practice) an. Um die vorliegende Skizze zur Einführung solch eines Wissensmanagementsystems auf die örtlichen Struk turen und Gegebenheiten vor Ort anzupassen, ist das Einsetzen einer Arbeitsgruppe „Wissensmanagement“ sinnvoll. Einen Überblick über die Ausgangslage vor Ort hinsichtlich des Umgangs mit Informationen und Wissen bekommt die Arbeitsgruppe durch den Einsatz eines Fragebogens (vgl. Beispiel im Anhang). Dessen Auswertung liefert Erkenntnisse über grundlegende Anforderungen an ein Wissensmanagement im ASD. Weiterhin kann die Arbeitsgruppe Motivator für das Ver stetigen von CoPs sein, indem diese sich idealerweise selbst als CoP versteht. Parallel zur Entwicklung eines solchen Wissensmanagementverfahrens sollten alle relevanten Fach- und Führungskräfte sowie alle weite - - - - ren Beteiligten in den Prozess eingebunden werden, um eine möglichst große Akzeptanz für den Prozess zu erreichen. Regelmäßige Informationsveranstaltungen und Berichte dienen der Transparenz und helfen, den Prozess effektiv zu steuern. Dieser benötigt zudem Zeit und muss im Fokus des Handelns stehen. Die damit verbundenen Anstrengungen stehen aber für die Erleichterung künftiger Arbeitsprozesse. So wird die Ein arbeitung von Fachkräften durch den Einsatz des Wis sensmanagements sehr unterstützt. Es besteht sogar die Möglichkeit, mit Hilfe des Wissensmanagements ein strukturiertes Einarbeitungskonzept aufzubauen, dass Theorie und Praxis von Kinderschutz solide vereint und weiterentwickelt, indem alte und neue Fachkräfte gemeinsam, auch über die Grenzen des Jugendamts hinaus, in den CoPs dynamisch Wissen generieren, nutzen, überprüfen, verändern und wieder zum Einsatz kommen lassen. Das Potenzial, das in einem „Wissens managementsystem ASD“ steckt, ist vor allem dadurch gekennzeichnet, die Handlungssicherheit der Mitarbei terinnen und Mitarbeiter zu erhöhen und Fehler bei Ge fährdungseinschätzungen zu minimieren. Oder anders formuliert: Ein Wissensmanagement kann die Progno segenauigkeit verbessern bzw. die Bedingungen, die zu Unsicherheiten führen, verringern helfen. Eine realisti sche Betrachtungsweise wird zu dem Schluss führen dass ein Wissensmanagement Fachkräfte sowohl schult als auch individuelle Lernprozesse fördert und dabei zukunftssichernd im Sinne organisationalen Lernens für den Arbeitsbereich Kinderschutz im ASD und damit für die Organisation Jugendamt wirkt. - - - - - - - , G R I T HRADETZKY

MITTEILUNGSBLATT 01-2024 14 VERÖFFENTLICHUNG Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder-und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) hat der Gesetzgeber zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Familienpflege die aus drückliche Verpflichtung zur Anwendung von Schutzkon zepten bei Pflegeverhältnissen eingeführt (§ 37b Abs. 1 SGB VIII) sowie die Sicherstellung von Beschwerdemöglichkeiten während der Dauer eines Pflegeverhält nisses festgeschrieben (§ 37b Abs. 2 SGB VIII). - - - Um die Praxis der Kinder- und Jugendhilfe bei der Um setzung dieser neuen Anforderungen zu unterstützen, wurde die Verwaltung des ZBFS – Bayerisches Landes jugendamt im Rahmen der 150. Sitzung des Bayerischen Landesjugendhilfeausschusses beauftragt, fachliche Empfehlungen zur Umsetzung von Schutzkonzepten - - gemäß § 37b Abs. 1 SGB VIII auf Ebene eines Expertin nen- und Expertenkreises zu entwickeln. - Die nun vorliegende Veröffentlichung wurde in Zusam menarbeit von Vertreterinnen und Vertretern des Bayeri schen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales, des ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt, der Träger der öffentlichen und der freien Kinder- und Jugendhilfe in Bayern, der Interessenvertretung der Pflegeeltern und der Wissenschaft erarbeitet und vom Bayerischen Landesju gendhilfeausschuss in seiner 156. Plenumssitzung am 15. November 2023 einstimmig beschlossen. - - - Die fachlichen Empfehlungen „Schutzkonzepte in der Pfle gekinderhilfe gemäß § 37b Abs. 1 SGB VIII“ sollen sowohl den Jugendämtern als auch den Trägern der freien Kinder- und Jugendhilfe als Orientierungs- und Arbeitshilfe bei der Sicherstellung des Kindeswohls in Pflegeverhältnissen und der Umsetzung von Schutzkonzepten in Pflegeverhältnis sen gemäß § 37b Abs. 1 SGB VIII dienen. - - Die Veröffentlichung steht auf der Home page des ZBFS – Bayerisches Landesju gendamt kostenlos zum Download zur Verfügung: - - https://s.bayern.de/SYTeSZIiIJ Die Printversion kann über das Broschürenportal der Bayerischen Staatsregierung bezogen werden: https://s.bayern.de/2pBAxzP4hy FACHLICHE EMPFEHLUNGEN SCHUTZKONZEPTE IN DER PFLEGEKINDERHILFE GEMÄSS § 37B ABS. 1 SGB VIII BESCHLUSS DES BAYERISCHEN LANDESJUGEND HILFEAUSSCHUSSES VOM 15. NOVEMBER 2023 - I N F O S T E FAN I E Z E H - HAU SWA L D

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