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Berichte

Missverständnisse aufgrund kultureller Unterschiede

Viele Missverständnisse entstehen durch Unkenntnis und ein wechselseitig mangeln-

des Verständnis für die Besonderheiten der jeweils anderen Kultur. Diesen Missver-

ständnissen kann mittels offener Fragen begegnet werden. Rituale, Verhaltenswei-

sen, Werte, Normen etc., die in der deutschen Kultur selbstverständlich erscheinen,

können in anderen Kulturen ganz anders sein. Es empfiehlt sich zudem, dass Fach-

kräfte ihre eigenen Normen und Werte reflektieren und gleichzeitig offen und neugie-

rig für „Neues“ sind. Selbstverständlich sind Grenzen immer dann erreicht, wenn

gegen die deutsche Rechtsordnung verstoßen wird (z. B. körperliche Gewalt gegen

Kinder).

Zusammenfassend entwickelte sich aus den beiden Workshops der Fachtage der

Wunsch nach:

– Kategorisierung von kulturellen Hintergründen (z. B. syrische Familien, afghani-

sche Familien etc.)

– Flächendeckende Zurverfügungstellung von Dolmetschern

– Vorrangig Bedarfsfeststellung, ob Asylfamilien generell Frühe Hilfen benötigen

– Mehr Verantwortungsübernahme durch das Gesundheitswesen

Als Ergebnis ließ sich durch einen moderierten Austausch unter Zuhilfenahme des

Expertenwissens der ebenfalls teilnehmenden Referentinnen der Vorträge Folgendes

festhalten:

– Es gibt unterschiedliche Vorstellungen von Ideen und Ängsten bei Migrationsfa-

milien hinsichtlich vorhandener, z. T. kultureller aber auch rechtlicher Strukturen.

Oft erfolgt interkulturelle Begegnung nach dem Prinzip „Wahrnehmen“ (z. B. kon-

kretes Verhalten) – „Empfinden“ (positiv / negativ) – „Zuschreiben“ („Schubla-

den“). Hier bedarf es einer umfassenden Aufklärung im Vorfeld über Hilfeformen/

-systeme, rechtliche Rahmenbedingungen sowie die eigene Rolle als Fachkraft.

– Bei kulturellen Spannungsfeldern gilt es abzuklären, inwieweit man selbst als

Fachkraft „mitgehen“ kann, wann ist die persönliche oder fachliche Grenze er-

reicht (z. B. geltendes Recht wie § 8a SGB VIII). Die Problematik liegt hierbei oft in

der „Ethnozentrierung“ (d. h. eigene Kultur / Werte höher werten, was ein „Sich-

Einlassen“ schwierig macht).

– Durch ein „Lernen am Modell“ können Werte vermittelt werden.

– Bei Spannungsfeldern zwischen persönlich Vertretbarem und gesundheitlich ris-

kanten Verhaltensweisen aufgrund kulturell anderer Erziehungsmethoden sind

Rücksprachen mit Netzwerkpartnern (z. B. Kinderarzt) oder der KoKi ratsam und

notwendig.

– Alternativen zu Dolmetschern (Sprachmittler, Software, Broschüren) können ge-

nutzt werden; das StMAS fördert entsprechende landesweite Programme.

Fazit

Inhaltlich lässt sich festhalten, dass grundsätzlich auch asylsuchende Familien im

Kontext Früher Hilfen unterstützt werden können, immer unter der Prämisse, dass

die Problemstellungen nicht über den Bedarf einer Frühen Hilfe hinausgehen und im

Rahmen der vorhandenen Kapazitäten der KoKi sowie der GFB bleiben.

Eine große Herausforderung in der Arbeit mit Migrationsfamilien bleibt das kulturelle

und normative Spannungsfeld zwischen eigenen Wertevorstellungen und der fachli-

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BLJA Mitteilungsblatt 3/16