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25 Jahre SGB VIII - Fachpolitische Entwicklungslinien
Zum Anlass
Am 28. März 1990 beschloss der Deutsche Bundestag das „Kinder- und Jugendhilfegesetz“
(KJHG). Es trat am 3. Oktober 1990 in den neuen und am 1. Januar 1991 in den alten Bundes-
ländern in Kraft. Mit Art. 1 dieses Gesetzes wurden die neuen Rechtsgrundlagen der Kinder-
und Jugendhilfe als Achtes Buch in das Sozialgesetzbuch (SGB VIII) eingefügt. Die wesentli-
chen Zielsetzungen, Leistungsbeschreibungen und Strukturen blieben trotz vielfacher Modi-
fikationen und Ergänzungen bis heute erhalten und wirken als grundlegende Orientierungen
auch für die Zukunft fort, jedenfalls soweit sie heute absehbar sind. „25 Jahre“ steht also nun
über diesem großen Reformwerk der Kinder- und Jugendhilfe, und dieses Jubiläum bietet
Anlass, sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit der Entstehungsgeschichte und den Per-
spektiven dieses Regelwerks zu beschäftigen.
Für die verantwortlichen Fachleute der Kinder- und Jugendhilfe ist das SGB VIII tägliches
Handwerkszeug. Sie kennen es in- und auswendig, sie wissen, was in diesem Gesetz steht
und wie es anzuwenden sei, sie kennen seine Stärken und Schwächen, und sie sind letztlich
auch diejenigen, die diesem Gesetz zu einer großen Erfolgsgeschichte verholfen haben. Und
man kann mit Überzeugung hinzufügen: eine Erfolgsgeschichte, die den Kindern und Jugend-
lichen, den Familien in unserem Lande mehr denn je die notwendige und hinreichende Un-
terstützung bringt, die sie zum Aufwachsen, zum Erwachsenwerden in einer komplizierten
Gesellschaft brauchen.
Kinder- und Jugendhilfe sieht immer die jungen Menschen und ihre Familien im Mittelpunkt
ihres Interesses. Sie nimmt Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern und Jugendli-
chen und ihre gelingende Integration in das gesellschaftliche Leben wahr, soweit diese als
Aufgabe der öffentlichen Hand beschrieben ist.
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Entwicklungen, die das gesellschaftliche
Zusammenleben insgesamt betreffen, wirken sich in aller Regel ebenso schnell wie nachhal-
tig auf die Kinder- und Jugendhilfe und ihre rechtlichen Grundlagen aus. Aktuell wird die Ju-
gendhilfe mit dem Phänomen eines massenhaften Zustroms von Flüchtlingen konfrontiert.
Sie ist verpflichtet, die unbegleiteten Minderjährigen in Obhut zu nehmen, mit einem recht-
lichen Instrumentarium, das ursprünglich nur für die Bearbeitung von einzelnen Fällen ge-
dacht war (§ 42 SGB VIII). Und sie muss ebenso dafür Sorge tragen, dass den Kindern und
Jugendlichen mit ihren Familien der Zugang zu allen fördernden und unterstützenden Leis-
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11. Kinder- und Jugendbericht 2002 der Bundesregierung: Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die
Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland, Bundestagsdrucksache 14/8181 vom 04.02.2002. Dessen Einlei-
tungsüberschrift „Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung“ war Leitmotiv für zahlreiche Diskussionsbeiträge zur Reich-
weite dieses öffentlichen Auftrags.