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In jedem Fall wäre es konsequenterweise erforderlich gewesen, und das gilt als Anforderung

bis heute, auch die anderen Regelungsbereiche, die Schnittstellen zur Kinder- und Jugendhil-

fe aufweisen, in das Sozialgesetzbuch einzufügen, also etwa den Jugendschutz, die Jugend-

gerichtshilfe und die Adoption. Zu dieser Unvollständigkeit des Regelwerks SGB VIII gehört

auch, dass es bis in die letzten Jahre hinein nicht gelungen ist, benachbarte Politikbereiche

wie zum Beispiel das Gesundheitswesen ihrerseits in eine förmliche Verantwortungsgemein-

schaft mit der Kinder- und Jugendhilfe zusammenzuführen und auch dort notwendige Leis-

tungserweiterungen im Hinblick auf die Verbesserung der Situation von Familien und Kin-

dern unterzubringen.

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Konstitutive Merkmale

Wer sich intensiver mit der Geschichte der Rechtsgrundlagen der Kinder- und Jugendhilfe

beschäftigt, stößt immer wieder auf eine Reihe von Merkmalen, die sich als geradezu konsti-

tutiv darstellen und in den Grundzügen seit dem Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG) von

1924 und über das Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) von 1961 bis heute erhalten geblieben

sind. Auch für die Zukunft sind hier keine grundlegenden Änderungen absehbar und auch

nicht notwendig. Solche fortwirkenden Merkmale sind insbesondere:

1.

die vorrangige Orientierung der Kinder- und Jugendhilfe am Kindeswohl, wobei sich na-

türlich die Vorstellungen darüber, was dem Kindeswohl dient, in diesen rund 90 Jahren

ganz erheblich verändert haben;

2.

ein gewisser Dualismus von der Förderung familiärer Erziehung einerseits und dem

gegebenenfalls erforderlichen

Eingriff in eben diese familiäre Erziehung andererseits;

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3.

das Nebeneinander von freibleibenden Leistungen und hoheitlichen oder quasi-

hoheitlichen Aufgaben;

4.

die Jugendämter mit ihrer leistungserbringenden wie steuernden Funktion als Einrich-

tungen der kommunalen Selbstverwaltung, daneben

5.

die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe, mit der öffentlichen Jugendhilfe durch das

Prinzip der Subsidiarität und die Zweigliedrigkeit der Jugendhilfebehörden verbunden,

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Vgl. hierzu exemplarisch die Diskussionen zur Einordnung der Familienhebammen mit dem Bundeskinderschutzgesetz

von 2011.

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Mit der SGB VIII-Reform trat zunächst die Seite des Eingriffs zugunsten der Förderung in den Hintergrund, korrespondie-

rend auch mit einem veränderten Verständnis des Verhältnisses zwischen Bürger und Staat. Die Kinderschutzdiskussion der

vergangenen zehn Jahre hat wieder deutlicher das staatliche Wächteramt in den Vordergrund gerückt. Sozialpädagogische

Fachkräfte nehmen dieses Spannungsverhältnis – zum Teil schmerzlich – als Thematisierung ihres professionellen Selbstver-

ständnisses wahr.