Fachliche Empfehlungen für die pädagogische Arbeit in bayerischen Horten

Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen vom 22.09.2003
Az.: VI 4/7358-1/19/03

Die Beachtung von Erziehungs- und Bildungszielen ist nach Nr. 3.6 der Richtlinien zur Gewährung von Personalkostenzuschüssen vom 18. Dezember 2001 Nr. VI 4/7358-1/18/01 (AllMBl 2002 S. 38, StAnz Nr. 51/52/2001) Förderungsvoraussetzung für Kinderhorte. Für die Umsetzung dieser Ziele in bayerischen Horten werden nachfolgende Empfehlungen gegeben.


1. Auftrag des Hortes

Der Hort ist eine familienunterstützende und familienergänzende Einrichtung. Auftrag des Hortes ist die Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern ab der Einschulung bis zum Alter von 14 Jahren. Vereinzelt können auch Jugendliche aufgenommen werden, für die folgende Ausführungen entsprechend gelten. Der Hort soll die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern (vgl. §§ 1 und 22 SGB VIII):

  • Horte stehen allen Kindern unabhängig von ihrer individuellen physischen Entwicklung, ihrer Konfession und Nationalität offen. Eine heterogene Gruppenbildung ist anzustreben. Der wachsende Bedarf für ältere Kinder setzt eine entsprechende Weiterentwicklung des Angebots voraus.
  • Der Hort soll alle Lebensbereiche der Kinder mit einbeziehen. Er zeichnet sich aus durch Professionalität und Verlässlichkeit seines pädagogischen Angebots, die Vielfalt lebensweltbezogener sowie alters- und geschlechtsspezifischer Lern- und Übungsfelder und die erziehungspartnerschaftliche Zusammenarbeit mit Eltern. Zeitgemäße Hortpädagogik orientiert sich nicht nur an der Zukunft der Kinder und leitet daraus Erziehungs- und Bildungsziele ab, sie orientiert sich insbesondere an den gegenwärtigen Bedürfnissen der Kinder und den notwendigen Kompetenzen zur Bewältigung der anstehenden Entwicklungsaufgaben. Die Hortfachkräfte unterstützen das Kind bei der Aufgabe, sich selbst aktiv seine Welt zu gestalten und sich die dazu erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten anzueignen.


2. Grundbedürfnisse von Kindern

Grundbedürfnisse von Kindern sind das Erfahren von Angenommensein und Zuneigung durch andere Menschen, die Achtung als Person, der Schutz vor Gefahren, gesunde Ernährung und das Gefühl von Geborgenheit. Ihre Berücksichtigung gehört zur Betreuungsaufgabe des Horts. Daneben sind aber stets auch Bildungs- und Erziehungsaspekte zu berücksichtigen. Der Betreuungsaspekt erhält ein besonderes Gewicht für jene Kinder, die in schwierigen Familien- und Lebensverhältnissen aufwachsen.


3. Schlüsselkompetenzen zur Bewältigung von Entwicklungsaufgaben

Zu den pädagogischen Kernaufgaben eines jeden Hortes zählt die professionelle Begleitung des kindlichen Entwicklungsprozesses, indem sich Kinder über bereitgestellte Lernarrangements Schlüsselkompetenzen aneignen können. Diese lassen sich nach folgenden Bereichen kategorisieren:

  • personelle Kompetenz,
  • soziale Kompetenz,
  • Wissenskompetenz,
  • instrumentelle bzw. methodische Kompetenz (Lernkompetenz).

3.1 Personelle Kompetenz

3.1.1 Wesentliche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für die Entwicklung personaler Kompetenz ("persönliches Erfahrungswissen") sind die Vermittlung sozialer Zugehörigkeit, der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Hortfachkräften und Kindern und die Beteiligung der Kinder am Hortgeschehen. Personale Kompetenz wird erworben über die Auseinandersetzung mit Erwachsenen und Gleichaltrigen, die Positionierung in der Gruppe, die Artikulation und Behauptung eigener Meinungen, in gemeinsamer Arbeit sowie durch die Übernahme eigener Verantwortung über Zeit, Raum und Material. Sie wird über Themen vermittelt, die für Kinder im Schulalter bedeutsam sind wie z. B. Übergang vom Kindergarten in die Schule, Auseinandersetzung mit schulischen Leistungsanforderungen (Hausaufgaben, Schulaufgaben, Noten, Zeugnisse), Konflikte mit Eltern, schwierige Familienverhältnisse, Freundschaften, Bewältigung der schwierigen Phase der Pubertät, Medienkonsum, Selbstinszenierung, Gewalt und Umgang mit Suchtmitteln. Selbstbewusstsein, Ich-Identität, Handlungskonzepte oder Selbstmanagement etc. können Kinder entwickeln, wenn Hortfachkräfte als Ratgeber und Ansprechpartner zur Verfügung stehen, Kindern zuhören, ihnen Verständnis zeigen und Orientierung geben, ihnen aber gleichzeitig Raum für eigene Handlungen und Entscheidungen lassen und sie auch respektieren, wenn sie sich auf Um- und Irrwegen befinden.

3.1.2 Personelle Kompetenz umfasst insbesondere:

  • eine stabile Ich-, soziale und kulturelle Identität,
  • ein positives Selbstkonzept, Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein,
  • Selbstvertrauen, Eigenliebe und Lebensfreude,
  • den Besitz eigener ethischer Maßstäbe, religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen,
  • Neugier und Weltoffenheit,
  • Phantasie, Kreativität und Erfindergeist,
  • einen bewussten Umgang mit der eigenen Gefühlswelt und dem eigenen Körper,
  • Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischem Rollenverhalten, Partnerschaft und Sexualität,
  • Widerstandskraft und Frustrationstoleranz,
  • klare Vorstellungen über das Rollenverhalten in verschiedenen Lebenssituationen sowie
  • die Fähigkeit und Bereitschaft
    - zum Selbstmanagement, zur Eigenkontrolle, Selbstreflexion und Selbstregulation,
    - zum Denken, Handeln, Urteilen und zur Auswahl/Entscheidung unter Handlungsalternativen,
    - zum Ausdruck und zur Artikulation der eigenen Standpunkte,
    - zur Übernahme von Verantwortung für das eigene Tun und für andere,
    - zur Nutzung von Lebenschancen,
    - zur konstruktiven Bewältigung von Übergängen und biographischen Brüchen,
    - zur gesundheitsbewussten Lebensführung,
    - zum Selbstschutz vor Gefahren,
    - zur sinnvollen Freizeitgestaltung in einer mediengeprägten und konsumorientierten Gesellschaft,
    - zur aktiven Teilnahme an der Gestaltung und Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse (Partizipation).

3.2 Soziale Kompetenz

3.2.1 Soziale Kompetenz umfasst alle Fähigkeiten zu einem konstruktiven Miteinander im sozialen Zusammenleben und im Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Voraussetzung für die Vermittlung sozialer Kompetenz ist eine intensive Gruppen- und Beziehungsarbeit. Eine Hortfachkraft, die den Kindern Verständnis entgegenbringt, aber gleichzeitig eine kritische Instanz darstellt, die Grenzen aufzeigt, kann Kindern helfen, eigene und konstruktive Auffassungen und Verhaltensweisen, z. B. im Umgang mit der Freizeit, dem anderen Geschlecht, Suchtmitteln und Aggressionen, zu entwickeln.
Für Schulkinder werden insbesondere die Beziehungen zu den Gleichaltrigen immer wichtiger. Dabei machen sie die Erfahrung, dass die bisher als selbstverständlich übernommenen "Familienregeln" des sozialen Miteinanders im Zusammensein mit Gleichaltrigen beim Spiel, bei gemeinsamen Unternehmungen, in der Projektarbeit und beim Lernen zu zweit oder in Gruppen nur sehr beschränkt anwendbar sind.
Kinder müssen miteinander aushandeln, welchen Vorschlägen und Ideen sie folgen wollen, sie müssen Begründungen für Entscheidungen finden, Regeln für das gemeinsame Tun aufstellen, Rollen und Handlungschancen verteilen und einen Ausgleich finden, wenn jemand sich über Benachteiligungen beschwert.
Kinder müssen eine Streitkultur entwickeln. Viele Kinder entwickeln gerade im Streit die Einsicht, dass sich nicht allein im Zentrum stehen, dass sie auf die anderen angewiesen sind und dass aggressive Verhaltensweisen kontrolliert werden müssen. Sie erfahren, wie wichtig es ist, Beziehungen mit anderen zu haben, auf die man sich verlassen kann, und was man dafür tun muss.
Auch die gemeinsame Förderung behinderter und nichtbehinderter Kinder sowie deutscher Kinder und mit Migrationshintergrund trägt zur Förderung sozialer Kompetenzen bei: sie stärkt die gegenseitige Akzeptanz bei allen im Integrationsprozess Beteiligten und lässt den anderen gelten mit seinen persönlichen Stärken und Begabungen bzw. Schwächen und Grenzen. Toleranz und Wohlwollen sowie Verantwortung füreinander, Autonomiestreben und Bereitschaft, Konflikte auszutragen und zu lösen, gehören zu den spezifischen Lernchancen integrationsfördernder Arbeit in Horten.

3.2.2 Soziale Kompetenz umfasst im Einzelnen die Fähigkeit und Bereitschaft

  • auf andere zuzugehen,
  • sich in die Lage anderer einzufühlen und hineinzuversetzen,
  • Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer zu nehmen und eigene Bedürfnisse auch einmal zurückzustellen,
  • Spielregeln im sozialen Miteinander auszuhandeln, anzuerkennen und einzuhalten,
  • konstruktiv Kritik zu üben,
  • miteinander streiten zu können,
  • soziale Konflikte gewaltfrei und nicht diskriminierend zu lösen,
  • Fehler einzugestehen und eigene Standpunkte zu revidieren, wenn sie sich als falsch erweisen,
  • in der Gruppe mit anderen vertrauensvoll zusammenzuarbeiten,
  • mit Jungen und Mädchen einen gleichberechtigten, partnerschaftlichen Umgang zu pflegen,
  • mit den natürlichen Lebensgrundlagen rücksichtsvoll und schonend umzugehen, um sie für die nachfolgenden Generationen zu erhalten,
  • Andersdenkenden und Angehörigen anderer Kulturen und Religionen mit Offenheit und Toleranz zu begegnen,
  • für andere sich zu engagieren und bei Bedarf Verantwortung zu übernehmen,
  • sich mit anderen zu organisieren, um bestimmte Themen durch- und umzusetzen,
  • sozial bedeutsame Entscheidungen auszuhandeln und Kompromisse einzugehen,
  • enge und langfristige Beziehungen einzugehen.

3.3 Wissenskompetenz

3.3.1 Hortfachkräfte sollen Kinder bei der Wissensaneignung unterstützen und insbesondere Wissens- und Kenntnisbereiche in neuen Zusammenhängen thematisieren. Sie sollen ihre Art der Wissensvermittlung an der Neugier, dem Experimentierverhalten, der Unbefangenheit und der Erfinderbereitschaft der Kinder orientieren.
Dabei wird empfohlen, Interessen und Neigungen der Kinder (z. B. Computer, Musik, Kunst, Sport) angemessen zu berücksichtigen. Damit werden ihnen Zugänge zu Wissensbereichen eröffnet, mit denen sie möglicherweise weder in ihrer Familie noch in ihrer Schule in Berührung kommen. Alle Formen kreativen Gestaltens und der Förderung der Ausdrucksmöglichkeiten sollen genutzt werden. Auf diese Weise fördert die Vermittlung von Wissenskompetenz auch die Chancengleichheit.

3.3.2 Die Wissenskompetenz umfasst insbesondere

  • Basiswissen über alle wichtigen Lebensbereiche, um
    - sein Leben in den Bereichen Familie, Schule, Arbeit und Freizeit selbstbestimmt gestalten,
    - mit Medien kompetent umgehen,
    - sich umweltfreundlich verhalten,
    - naturwissenschaftliche Vorgänge und Zusammenhänge verstehen,
    - sich in fremden Kulturkreisen zurechtfinden,
    - sich an demokratischen Prozessen beteiligen und
    - sich im gesellschaftlichen Diskurs und im interdisziplinären Fachaustausch einbringen zu können,
  • gute Erst, Zweit- und Fremdsprachenkenntnisse, um sich mit Menschen aus dem eigenen und aus anderen Sprachräumen verständigen zu können sowie
  • fundierte Kenntnisse in bestimmten Lebensbereichen, die den Neigungen und Fähigkeiten eines Menschen entsprechen und für seine Lebensperspektive von besonderer Bedeutung sind.

Die Vermittlung von Kulturtechniken und Basiswissen in verschiedenen Fachdisziplinen ist der Schule vorbehalten.


3.4 Lernkompetenz

3.4.1 Lernkompetenz ist das Wissen, wie man Wissen erwerben kann und die Fähigkeit zu lernen.
Kinder sollen sich im Rahmen der Hausaufgabenbetreuung im Hort Lerntechniken aneignen. Hortfachkräfte leiten die Kinder an, wie man Arbeitszeit und -aufgaben richtig einteilt, zwischen arbeitsintensiven und Entspannungs-Phasen wechselt, welche Hilfsmittel man einsetzen kann (z. B. Lexika, Sachbücher, Internet) und wie man den Wissensstoff besser strukturiert (Arbeit mit Farbmarkierungen, Heftführung, Zettelkästen, Computerdateien usw.).
Kinder lernen im Hort, Fragen zu stellen. Wer eine Frage stellen kann, ist der Lösung seiner Aufgabe schon ein Stück näher gekommen. Fragesteller werden nicht zurückgewiesen: Hortfachkräfte lassen selbst Fragen zu, welche auf den ersten Blick wenig Sinn ergeben. Projektarbeit ist im Hort eine geeignete Methode, sich mit den Fragen zu eigenverantwortlichem und selbstgesteuertem Lernen zu fördern.

3.4.2 Lernkompetenz umfasst

  • die Bereitschaft zu und die Freude an lebenslangem Lernen,
  • das Wissen, wo und wie man sich Informationen beschaffen kann (einschließlich der Nutzung moderner Medien),
  • das Beherrschen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen sowie Entschlüsseln der Bildsprache,
  • die Kenntnis von Grundmethoden, der verschiedenen Fachdisziplinen,
  • das Beherrschen von Lern- und Arbeitstechniken.

3.5 Besondere Schwerpunktsetzungen

Die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen prägt als Erziehungs- und Bildungsprinzip die gesamte Hortarbeit mit Kindern. Die Einrichtungen sollen darüber hinaus thematische Schwerpunkte setzen. Von besonderer Bedeutung für eine zukunftsorientierte Arbeit in jedem Hort sind:

3.5.1 Interkulturelle Kompetenz

Der Hort leistet einen erheblichen Beitrag zur Integration von Kindern mit Migrationshintergrund. Grundlage hierfür ist die interkulturelle Kompetenz im Sinne einer Erweiterung der sozialen Kompetenz: Es geht um das soziale Miteinander von Menschen, die verschiedenen Kultur- und Sprachgruppen angehören. Entscheidend ist die Erkenntnis, dass die eigene Sichtweise als eine Perspektive unter anderen möglichen gesehen wird.
Die Hortpädagogik berücksichtigt, dass in den letzten Jahren die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund in Horten kontinuierlich gestiegen ist. Der Entstehung und Verfestigung von Vorurteilen wird entgegengewirkt.
Interkulturelle Arbeit trägt dazu bei, Toleranz, Empathie und Kooperationsfähigkeit zu entwickeln. Erforderlich ist eine bewusste Kulturpädagogik, eine Erziehung zu sprachlicher und kultureller Aufgeschlossenheit, die die Eigenständigkeit, Wertschätzung und Präsenz anderer Kulturen und Sprachen bewusst macht.
Um interkulturelle Erziehung zu verwirklichen, sollen sich Hortfachkräfte mit den in ihrer Einrichtung vertretenen Sprachen, Kulturen und Religionen sowie den verschiedenen Familiensituationen ihrer Kinder auseinander setzen. Nur auf dieser Basis können sie ein entsprechendes differenziertes pädagogisches Angebot vorbereiten.

3.5.2 Sprachkompetenz

Horte leisten einen wichtigen Beitrag zur Sprachförderung der Kinder. Für eine erfolgreiche Integration ist unter anderem die Förderung der Ausdrucksfähigkeit von Migrantenkindern in der deutschen Sprache entscheidend. Die Förderung in der Hortgruppe geschieht nicht in Form von "Sprachkursen", sondern durch eine stärkere Betonung von sprachanregenden Angeboten und Situationen. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang "literacy-bezogene" Aktivitäten, z. B. können von Kindern erzählte Geschichten zu einem Buch zusammengefasst werden.
Kreative Erfahrungen rund um Erzähl- und Schriftkultur sind für sprachlich und sozial benachteiligte Kinder besonders wichtig.
Dabei soll Kindern die Chance eröffnet werden, u. a. den Übergang von mündlicher Sprache zu Schriftsprache, das Geschichtenschema, den Stellenwert von Kinder- und Erzählkultur oder die Prozesse der "Dekontextualisierung" von Sprache zu erfahren. Prozesse der "Dekontextualisierung" sind etwa, Grundaussagen eines Textes erkennen und auf andere Lebensbereiche übertragen zu können.
Weitere sprachanregende Aktivitäten sind z. B. die Erstellung einer Hortzeitung oder eines Skripts für einen Videofilm, Malen von Comics mit Sprechblasen usw. Bei all diesen Aktivitäten geht es um die spielerische Förderung von Sprachverständnis, Sprechfreude und Ausdrucksfähigkeit. Sprachliche Korrekturen und Verbesserungen sollten stets mit Blick auf das gemeinsame Ziel (z. B. Produktion eines Buches) erfolgen und nicht als individuelle kindbezogene Korrektur von Seiten der Hortfachkräfte.

3.5.3 Kompetenz zur gewalt- und diskriminierungsfreien Konfliktbewältigung

Gewalterfahrungen in der Familie, Gewaltdarstellungen in den Medien und Gewaltanwendung unter Gleichaltrigen können Kindern den Eindruck vermitteln, dass sich soziale Konflikte handgreiflich lösen lassen. Dieser Gefahr kann durch gewaltpräventive Ansätze in allen Bildungs- und Erziehungseinrichtungen, also auch in Horten, entgegengewirkt werden.
Kinder sollen im Verlauf des Heranwachsens lernen, Handlungen, die andere schädigen, zu unterlassen. Zugleich sollen sie lernen, sich durchzusetzen. Kinder brauchen Erwachsene, die auf ihre Probleme eingehen können und mit den Kindern zusammen nach akzeptablen Konfliktlösungen suchen. Zugleich müssen Eltern in stärkerem Maße für eine gewaltfreie Erziehung sensibilisiert werden.
Es wird angeregt, in Zusammenarbeit mit Beratungsstellen und sozialen Diensten Angebote zur Gewaltprävention zu entwickeln. Da Gewalt die Kehrseite von Verhältnissen darstellt, in denen Einzelnen und Gruppen die Möglichkeit fehlt, das eigene Leben aktiv zu gestalten, ist die Beteiligung von Kindern an der Gestaltung ihrer Horträume und an der Planung der Angebote sowie des Tagesablaufs zugleich ein wichtiger Beitrag zur Gewaltprävention im Hort.

3.5.4 Kompetenz zur Partizipation und Verantwortungsübernahme

In Übereinstimmung mit der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes sollten Kinder angehört und an Beschlussfassungen beteiligt werden. Sie sollten ermutigt werden, aktive und verantwortungsbewusste Bürger werden.
Es wird empfohlen, Kinder in Horten an allen Planungen zu beteiligen und schrittweise dazu hinzuführen, selbst zu entscheiden, welches Angebot sie an welchem Ort und zu welchem Zeitpunkt wahrnehmen wollen.
Neben den Gruppenräumen, in denen sich die Kinder und Jugendlichen heimisch fühlen sollen, sollen verschiedene Bereiche zur Auswahl gestellt werden, in denen unterschiedliche Regeln gelten: etwa Flächen und Räume zur Bewegung und zum Austoben mit entsprechenden Spiel- und Sportgeräten, Räume für konzentriertes Arbeiten, Werkräume, Disco-Raum, den die Kinder möglichst selbst gestalten und in dem sie auch laute Musik hören können, Möglichkeiten zum Rückzug und zur Stille und auch "erzieherfreie" Zonen.
Notwendige Regeln für das gemeinsame Miteinander sollen mit den Kindern erarbeitet werden und deren Einhaltung von den Kindern weitgehend selbstständig kontrolliert werden.
Mit zunehmendem Alter sind immer mehr Freiheitsgrade in der Gestaltung des Tagesablaufs und der Nutzung der einzelnen Angebote einzuräumen. Auch Aktivitäten außerhalb der Einrichtung (z. B. Besuch des Jugendzentrums, Mädchentreffs, Mitgliedschaft in Vereinen, Jugendgruppen, Teilnahme an Jugendparlamenten) sollen gefördert werden.

3.5.5 Kompetenz zur geschlechterbezogenen Sichtweise

Das Konzept des "Gender Mainstreaming" beabsichtigt, auf allen Ebenen ein neues Denken zu etablieren, das den Aspekt der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern, Mädchen und Jungen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens integriert.
Hortfachkräfte berücksichtigen die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen, bauen Benachteiligungen ab und fördern die Gleichberechtigung. Zugleich setzen sie in der Erziehungsarbeit aber auch die Grundlagen, damit die heranwachsenden Kinder befähigt werden, ihre künftigen Handlungen aus einer geschlechtersensiblen Perspektive heraus zu gestalten und für die Gleichstellung aktiv einzutreten. Dadurch leisten Horte einen erheblichen Beitrag zur Realisierung des auf Nachhaltigkeit ausgerichteten bildungspolitischen Konzepts der Förderung von Chancengleichheit für Frauen und Männer.

3.5.6 Umweltkompetenz

Umweltkompetenz ist die Fähigkeit, mit den natürlichen Lebensgrundlagen schonend und rücksichtsvoll in Bezug auf nachfolgende Generationen umzugehen. Während traditionelle Umweltbildung versuchte, den Lernenden Natur unter den Aspekten der Liebe zu Lebewesen und des Erhalts der Lebensgrundlagen näher zu bringen, baut sie heute auf diesen Zielsetzungen auf. Es geht darum, Konflikte zu analysieren, Lösungsvorschläge abzuwägen, Kompromisse und Perspektiven zu konzipieren und diese in Handlungen umzusetzen. Die Forderungen schließen die Reflexion des persönlichen Lebensstils mit ein. Umweltbildung erfordert die Auseinandersetzung mit individuellen Wertmaßstäben, die das eigene Handeln prägen.
Kinder in Horten sollen wahrnehmen und erfahren können, wie sich alle Hortfachkräfte am Leitbild für eine solche nachhaltige Entwicklung orientieren und damit mehr und mehr Umweltkompetenz gewinnen.

3.5.7 Medienkompetenz

Medienkompetenz meint die Fähigkeit, Medien kritisch, reflektiert, selbstbestimmt und kreativ zu nutzen, um sich zu informieren, zu unterhalten und zu bilden, um sich Wirklichkeit anzueignen, eigene Ideen und Wünsche auszudrücken und am gesellschaftlichen Leben zu partizipieren.
Die Vermittlung von Medienkompetenz durch eine qualifizierte Medienerziehung ist ein Bildungsziel des Horts.
In der medienpädagogischen Arbeit geht es nicht nur darum, die Medienerfahrungen, die Kinder außerhalb der Einrichtung machen, verbal aufzuarbeiten. Zu einer umfassenden Medienerziehung gehört es auch, Medien aller Art in der pädagogischen Arbeit gezielt zu nutzen. Kindern und Jugendlichen sollte die Gelegenheit gegeben werden, sowohl mit vorhandenen Medienprodukten umzugehen als auch in aktiver Medienarbeit Medienprodukte selbst zu erstellen oder zu gestalten. Aufmerksam zu beobachten sind auch geschlechts- oder herkunftsspezifische Unterschiede im Medienverhalten, um daraus rechtzeitig Folgerungen für die pädagogische Arbeit ziehen zu können.
Für die medienpädagogische Arbeit im Hort wäre eine geeignete Ausstattung, z. B. mit Fernseh- und Videogeräten sowie onlinefähigen Computern, wünschenswert. Zu denken ist auch an trägerübergreifende Initiativen und gemeinsame medienpädagogische Projekte. Durch die Zusammenarbeit mit Mediendiensten (z. B. Bildstellen, AV-Medien-Zentralen) können zusätzliche Ressourcen für die Geräteausstattung, Personalqualifizierung sowie die medienpädagogische Projektarbeit genutzt werden.


4. Sozialpädagogische Arbeitsweisen

Kern der sozialpädagogischen Tätigkeiten in Horten ist die tägliche Arbeit mit den Kindern. Es wird empfohlen, den Tages- und Wochenablauf unter Beteiligung der Kinder zu planen. Besondere Bedeutung kommt dabei der Gestaltung der Beziehungen der Hortfachkräfte zu den Kindern und der pädagogischen Angebote, vor allem der Projektarbeit und der Arbeit mit unterschiedlichen Zielgruppen, zu.

Eine lebenswelt-, bedürfnis- und gemeinwesenorientierte Hortarbeit verlangt die Öffnung des Hortes und damit eine Kooperation und Vernetzung mit anderen Personen und Stellen im Innen- und Außenverhältnis. Im Einzelnen geht es intern um die Zusammenarbeit im Team, mit dem Träger und der Fachberatung sowie mit den Eltern, extern um die Zusammenarbeit vor allem mit der Schule, Einrichtungen der Jugend- und Kulturarbeit, psychosozialen Diensten und dem Jugendamt.

Voraussetzung für das Gelingen der pädagogischen Arbeit ist ihre ständige Reflexion. Horte sollen ihre pädagogische Arbeit regelmäßig dokumentieren und dabei Verfahren der strukturierten Beobachtung der Kinder sowie Methoden der Qualitätsentwicklung einbeziehen.


5. Zusammenarbeit mit Eltern

Eltern und Hortfachkräfte stehen zueinander in einem Verhältnis der Erziehungspartnerschaft.

Unter Berücksichtigung der vorrangigen Erziehungsverantwortung der Eltern gilt es, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aufzubauen und in regelmäßigen Gesprächen die Erziehung und Entwicklung des Kindes zu reflektieren und bei Bedarf Absprachen über gezielte Fördermaßnahmen zu treffen.

Eltern sind an allen wesentlichen Angelegenheiten des Hortes in geeigneter Form zu beteiligen (§ 22 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII).


Wesentliche Angelegenheiten sind insbesondere

  • Feststellung der Höhe der Elternbeiträge,
  • Änderung des Angebots des Horts,
  • Erstellung der einrichtungsbezogenen Konzeption,
  • Festlegung der Öffnungszeiten,
  • Planung und Gestaltung von Informationsveranstaltungen,
  • Festlegungen zum Verhältnis Kind und pädagogisches Personal.

Es wird empfohlen, zur Vertretung der Interessen der Eltern einen Elterbeirat zu wählen. Als weitere Formen der Zusammenarbeit mit der Elterngemeinschaft kommen z. B. Elternabende, offene Elternstammtische, Familienfeste, -ausflüge und Flohmärkte in Betracht. In Kooperation mit anderen Stellen können darüber hinaus z. B. auch Angebote der Familienbildung und Erziehungsberatung vorgehalten bzw. vermittelt werden.


6. Zusammenarbeit mit der Schule

Der gemeinsame Auftrag der Schule und des Hortes zur Bildung und Erziehung von Kindern erfordert eine enge Zusammenarbeit und Absprache beider Lebensbereiche. Diese ist durch § 81 SGB VIII und Art. 31 BayEUG rechtlich verankert.

Die Zusammenarbeit mit der Schule wird gesondert im Rahmen einer gemeinsamen Bekanntmachung mit dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus geregelt.


7. Gestaltung der Rahmenbedingungen für eine qualifizierte Hortarbeit


7.1 Bei der Schaffung eines bedarfsgerechten Angebots an Hortplätzen wird empfohlen,

die örtlichen Bedingungen und individuellen Lebenslagen maßgeblich zu berücksichtigen. Die Bedürfnisse der Eltern und Kinder, ihre Lebenssituationen, das vor Ort vorhandene plurale Angebot der Schülerbetreuung und die sonstigen Angebote für Kinder und Familien sind wesentliche Aspekte, die die pädagogische und organisatorische Ausgestaltung des Betreuungsangebots in Horten beeinflussen. Zudem sollte unter Einbindung von Methoden der Qualitätsentwicklung das eigene Leistungsangebot kontinuierlich überprüft und den sich verändernden Bedürfnissen flexibel angepasst werden. Die wachsende Ausdifferenzierung der Angebote und das Erfordernis örtlicher Flexibilität bedürfen einer Neugestaltung der Rahmenbedingungen für eine qualifizierte Hortarbeit. Jeder Hort sollte eine einrichtungsspezifische Konzeption erstellen. Neben der Beschreibung der Rahmendaten soll sie eine Darstellung der pädagogischen Angebote enthalten. Unter Berücksichtigung regionaler und lokaler Gegebenheiten sowie der jeweiligen Bedürfnisse der Kinder und ihrer Familien soll durch Schwerpunktbildung ein eindeutiges Profil der Einrichtung herausgearbeitet werden.


Wünschenswert wäre ebenfalls

  • die Erstellung einer Jahresplanung,
  • die kontinuierliche Durchführung von Elternbefragungen,
  • die Durchführung von Maßnahmen von Selbst- bzw. Fremdevaluation.

7.2 Für eine fachlich qualifizierte Arbeit werden folgende personelle und strukturelle Rahmenbedingungen empfohlen.

7.2.1 Eine Hortgruppe umfasst maximal 25 Plätze. Ungeachtet der förderrechtlichen Bedingungen werden pro Gruppe 1 pädagogische Fachkraft und 1 pädagogische Zweitkraft empfohlen. Bei Aufnahme von Kindern mit besonderen Bedürfnissen (z. B. Kinder mit Behinderung, ausländische Kinder sowie Kinder mit Verhaltens- oder Entwicklungsauffälligkeiten) kann die Gruppenstärke reduziert und/oder zusätzliches Personal eingestellt werden.

7.2.2 Die fachliche Qualifikation der eingesetzten Fachkräfte soll der Konzeption und den hierin festgelegten Anforderungen entsprechen. Hortfachkräfte müssen über das erforderliche Fachwissen sowie über Handlungskompetenz verfügen, um den Erziehungs- und Bildungsauftrag des Hortes umsetzen sowie die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben der Kinder begleiten zu können. Sie brauchen Schlüsselkompetenzen wie Kommunikations-, Beziehungs-, Kritik- und Konfliktfähigkeit, um in der Auseinandersetzung im Team und mit den Kooperationspartnern innovative Weiterentwicklung zu ermöglichen. Förderfähig sind ausschließlich die in der Anlage der Richtlinien zur Gewährung von Personalkostenzuschüssen für Kinderhorte vom 18. Dezember 2001 (VI 4/7358-1/18/01) aufgeführten Ausbildungsabschlüsse.
Ein zur Aufnahme in eine Fachakademie für Sozialpädagogik nachzuweisendes Sozialpädagogisches Seminar kann in Horten abgeleistet werden. Träger von Horten sind aufgefordert, Erzieherpraktikanten im Rahmen der jeweils geltenden Richtlinien für das Sozialpädagogische Seminar zu beschäftigen. Sie übernehmen weder die Funktion einer pädagogischen Fach- noch einer pädagogischen Zweitkraft.

7.2.3 Die räumlichen Bedingungen sollten so beschaffen sein, dass sie den Bedürfnissen von jüngeren und älteren Schulkindern entsprechen. Die Gesamtfläche sollte sich mindestens nach den Raumprogrammempfehlungen für den Bau von Horten zur Gemeinsamen Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien der Finanzen und des Innern über die Finanzausgleichszuwendungsrichtlinien (FA-ZR) bemessen. Abgestimmt auf die Größe der Gesamteinrichtung sollten Außenspielflächen vorgesehen werden.