Fachliche Empfehlungen zur Sozialpädagogischen Familienhilfe

Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses vom 01.07.1997

Leistungsgrundlage

In § 31 SGB VIII wird diese ambulante Hilfeart folgendermaßen beschrieben: "Sozialpädagogische Familienhilfe soll durch intensive Betreuung und Begleitung Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben. Sie ist in der Regel auf längere Dauer angelegt und erfordert die Mitarbeit der Familie."
Die Entscheidung, ob Sozialpädagogische Familienhilfe die richtige Hilfe zur Erziehung für die jeweils betroffene Familie ist, sollte unter Einbeziehung der folgenden Gesichtspunkte getroffen werden:

  • Die Anspruchsvoraussetzungen nach §27 SGB VIII müssen gegeben sein.
  • Die Mitarbeit der Familie ist für das Gelingen der Hilfe erforderlich. Ihre Bereitschaft, Hilfe anzunehmen und mit der Fachkraft zusammenzuarbeiten, ist ebenso wichtig und notwendig wie ein gewisses Maß an Problemeinsicht und Veränderungsbereitschaft. Ein Selbsthilfepotential der Familie sollte erkennbar sein, so dass eine Verbesserung der Erziehungs- und Familiensituation in einem vertretbaren Zeitrahmen möglich erscheint.
  • Sozialpädagogische Familienhilfe kann somit als Hilfeart nur dann geeignet sein, wenn eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Familie und Fachkraft erwartet werden kann.

Zielsetzung

Grundsätzlich ist die Wiederherstellung, Sicherung und Stabilisierung der familiären Erziehungskraft Zielsetzung dieser Hilfeart. Die Hilfe orientiert sich an der Lebenssituation und dem Alltag der Familie. Das Angebot richtet sich an die gesamte Familie, alle Familienmitglieder werden einbezogen. Die Integration der Familie in das soziale Umfeld wird angestrebt. Gerade auch mit der Einbindung der Familien in ihr soziales Umfeld und dessen Unterstützung kann eigenverantwortliche, auf Dauer zielgerichtete Erziehungsfähigkeit der Personensorgeberechtigten im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe wirksam werden. Durch das Angebot Sozialpädagogischer Familienhilfe kommt die verfassungsmäßige Wertschätzung der elterlichen Erziehungsverantwortung und familiärer Autonomie zum Ausdruck.

Zielgruppe

Das Leistungsangebot richtet sich an Familien, die aufgrund der persönlichen Lebensgeschichte ihrer Mitglieder bei der Bewältigung ihres Alltags, insbesondere bei der Erziehung ihrer Kinder, Hilfe benötigen.
Neben Erziehungs- und Beziehungsschwierigkeiten sind diese Familien oft mit weiteren, unterschiedlichen Problemen und Krisen (z.B. Trennungssituation, Suchtgefährdung, Behinderungen, mögliche Fremdunterbringung eines Familienmitglieds) belastet. Gesellschaftliche Faktoren wie z.B. materielle Notlagen, unzureichende Wohnverhältnisse, soziale Isolation verschärfen oder bedingen häufig die familiären Schwierigkeiten. Bei vielen Familien liegt eine Anhäufung verschiedener Problemlagen vor.

Leistungsinhalte

Sozialpädagogische Familienhilfe hat als primäre Aufgabenstellung die Wiederherstellung, Förderung und Sicherung der Erziehungskraft der Familie. Dies können Familie und Fachkraft nur in Zusammenarbeit erreichen.
Alle Handlungsschritte der Fachkraft sind abgestimmt und ausgerichtet auf die Kooperationsbereitschaft und die Fähigkeiten der Familienmitglieder. Ziel ist die Hilfe zur Selbsthilfe.
Die Leistungsinhalte der Sozialpädagogischen Familienhilfe können demnach wie folgt beschrieben werden:

  • die familiären Ressourcen sollen soweit wie möglich und notwendig unterstützt, gefördert und stabilisiert werden,
  • lebenspraktische Aufgaben sollen soweit begleitet werden, dass Kinder, Jugendliche und Personensorgeberechtigte ihren Lebensalltag angemessen, selbständig und eigenverantwortlich gestalten können,
  • die Erziehung der Kinder/Jugendlichen soll sowohl im innerfamiliären als auch im außerfamiliären Bereich in geeigneter Form unterstützt und begleitet werden, um eine positive Entwicklung der Kinder zu fördern,
  • das soziale Umfeld soll einbezogen werden und die vorhandenen örtlichen Ressourcen sollen für die Familie sichtbar und nutzbar gemacht werden.

Arbeitsformen

Die Arbeit mit der Familie verläuft in der Regel in drei Phasen:
Die Klärungsphase dient der diagnostischen Abklärung, der Vertrauensbildung und der Beantwortung der Frage, ob die Bereitschaft und Möglichkeit zu längerfristiger Zusammenarbeit vorhanden ist. Diese Phase dient dazu, die Motivation der Familie zu stärken und gemeinsam weiterführende Arbeitsvereinbarungen zu entwickeln.
In der Intensivphase wird an der Erreichung der vereinbarten Zielsetzung gearbeitet, Veränderungen der Ziele werden berücksichtigt. Ein zusätzliches, punktuell unterstützendes Angebot ist die Nachbetreuung, auf das die Familie im Bedarfsfall zurückgreifen kann.

Das intensive Beratungs- und Betreuungsangebot, das weitgehend in der häuslichen Umgebung der Familie stattfindet, schafft in der Regel auch eine intensive Beziehung zwischen Fachkraft und Familie. Dies ist die Grundlage dafür, bestimmte gewachsene familiäre Beziehungsmuster und -strukturen zu erkennen, zu nutzen und wenn nötig, verändern zu helfen. Dabei ist es für die Fachkraft notwendig, immer wieder eine Balance zwischen Nähe und Distanz herzustellen, um neutral und fachlich die Situation in notwendige Einzelziele und Handlungsschritte zu strukturieren. Dies ermöglicht die erforderliche Handlungsfähigkeit, um mit der Familie zielgerichtet zu arbeiten. Die gemeinsame Reflexion mit der Familie über die jeweilige Situation und daraus folgend die Zieldefinition bildet einen wichtigen Schwerpunkt der Arbeit. Die altersgemäße Einbeziehung der Kinder in diese Arbeitsweise ist notwendig.

Die Hinführung zu flankierenden Hilfen (z.B. Fachdienste, Tagesbetreuung, Familienbildung) und die Unterstützung der Familie im Umgang mit ihrem sozialen Netzwerk kann für einzelne Familien sinnvoll und angezeigt sein. Gruppenaktivitäten im Rahmen der Sozialpädagogischen Familienhilfe (z.B. Frauengruppen, Kindergruppen, Freizeitangebote) können die Arbeit der einzelnen Fachkraft ergänzen. Ebenfalls kann Sozialpädagogische Familienhilfe Familienmitglieder dazu motivieren, an im Umfeld vorhandenen Einrichtungen (Nachbarschaftshilfen, Angebote der Kirchen, Volkshochschulen etc.) und Diensten zu partizipieren, die das soziale Netzwerk der Familienmitglieder erweitern. Damit beinhaltet das Arbeitsfeld Sozialpädagogische Familienhilfe Methoden der Einzelfallhilfe, der sozialen Arbeit mit Gruppen und der gemeinwesenbezogenen Arbeit.

Sozialpädagogische Familienhilfe ist auf längere Dauer (in der Regel bis zu ca. zwei Jahren) angelegt.

Ausstattungsmerkmale

Mitarbeiter

Zur Durchführung der Sozialpädagogischen Familienhilfe sind sozialpädagogische Fachkräfte, das sind in der Regel Dipl.-Sozialpädagogen/-innen (FH) mit längerer Berufserfahrung, geeignet. Eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft kann in der Regel bis zu drei Familien gleichzeitig betreuen.
Teilzeitbeschäftigung sollte nicht unter 25 Wochenstunden erfolgen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, die Supervision, die Fortbildung und Verwaltungsarbeiten etc. einbezogen werden müssen.

Träger

Die Leistung Sozialpädagogische Familienhilfe wird sowohl von Trägern der öffentlichen als auch von Trägern der freien Jugendhilfe erbracht (§ 4 Abs.2 SGB VIII ist zu beachten). Für die Entscheidung der Übernahme der Sozialpädagogischen Familienhilfe sind die Kriterien des § 74 SGB VIII zu berücksichtigen. Führt ein freier Träger Sozialpädagogische Familienhilfe durch, so sind grundsätzlich Kosten- und Leistungsvereinbarungen mit dem Jugendamt notwendig. Im einzelnen sollten folgende Punkte unter Berücksichtigung des nach § 36 SGB VIII vorgesehenen Hilfeplanverfahrens geregelt werden:

  •  Verfahren bei der Auswahl der Familien,
  • Fragen der gegenseitigen Information unter Beachtung der Datenschutzbestimmungen,
  • Verfahrensfragen über Beginn, Fortführung und Beendigung der Maßnahmen,
  • Qualitätssicherung.

Finanzierung

Sozialpädagogische Familienhilfe ist eine Leistung der Hilfe zur Erziehung, bei der kein Kostenbeitrag erhoben wird.
Die Kosten für Fortbildung, Supervision bzw. Praxisberatung, für flankierende Maßnahmen (z.B. Familienfreizeiten, Spielmaterial) und Fahrtkosten für diese ambulante Arbeitsform müssen in den Finanzierungsplan miteinbezogen werden.
Wird Sozialpädagogische Familienhilfe von freien Trägern durchgeführt, ist sowohl Einzel- als auch Pauschalfinanzierung möglich.
Die hundertprozentige Maßnahmeförderung muss durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewährleistet sein.